Zum Inhalt springen

Header

Audio
Andres Hutter über den Datenverlust bei Myspace
Aus Kultur-Aktualität vom 20.03.2019. Bild: Getty Images / SOPA Images
abspielen. Laufzeit 3 Minuten 46 Sekunden.
Inhalt

Datenverlust bei Myspace Wie wenn der Estrich abbrennen würde

Bei der Website Myspace wurden aus Versehen 50 Millionen Songs gelöscht. Wie schwer wiegt dieser Verlust?

Schon seit einem Jahr beklagen sich Nutzer, dass sie auf Myspace keine Musik mehr abspielen können. Nun hat das Unternehmen bestätigt: Sämtliche Daten, die zwischen 2003 und 2015 bei Myspace hochgeladen wurden, sind verschwunden. Schuld daran sei ein Fehler, der bei einer Datenmigration unterlaufen sei.

Gelöscht wurden Fotos, Videos – und rund 50 Millionen Songs. Trotz der Grösse der Panne waren die Reaktionen im Netz eher gelassen. «Myspace gibt’s noch?», lautete der Tenor.

Erfolgreicher als Google

Vor einem Jahrzehnt wären die Reaktionen wohl anders gewesen. 2006 war Myspace in den USA die meistbesuchte Website – noch vor Google. Wichtig war Myspace als soziales Netzwerk, so wie Facebook.

Eine zentrale Rolle spielte aber von Anfang an auch die Musik. Bei Myspace vernetzte man sich nicht nur mit Freunden, sondern auch mit Bands.

«Man kann sich das heute gar nicht mehr vorstellen», sagt Musikredaktor Luca Bruno, «aber Myspace war die allererste Möglichkeit, neue Musik ausserhalb der Musikindustrie kennenzulernen.»

Neue Musik fand man bis dahin in Zeitschriften oder Plattenläden. «Aber dass ein unbekannter Musiker selbst alles in die Hand nimmt – das gab es bis dahin nicht.»

Wo die Karriere von Adele begann

Viele Musiker verdanken Myspace ihre Karrieren: Adele, Lilly Allen oder die Arctic Monkeys veröffentlichten hier erste Aufnahmen, bevor sie ins Augenmerk der Öffentlichkeit und der Plattenfirmen gerieten.

Auch jene, die bereits berühmt waren, kamen um Myspace nicht herum: Coldplay – zu diesem Zeitpunkt wohl eine der grössten Bands weltweit – veröffentlichten 2008 ihr neues Album zuerst bei Myspace.

Eine Frau singt auf einer Bühne
Legende: Adeles Karriere begann bei MySpace: Ein Freund veröffentlichte dort eine ihrer Aufnahmen, ein Plattenlabel wurde darauf aufmerksam. Keystone / Matt Sayles / Invision / AP

Heute hat die Plattform ein Jahrzehnt des Abstiegs hinter sich. 2008 wurde Myspace bei den Nutzerzahlen erstmals von Facebook überholt. Es folgten der kometenhafte Aufstieg von Facebook und der stetige Fall von Myspace.

Die Konkurrenz: Facebook und Spotify

Die Verknüpfung eines sozialen Netzwerkes mit Musik hatte sich als zu wenig zugkräftig entpuppt. Facebook wurde das dominierende soziale Netzwerk. Selbst von den Musikfans hielten nur wenige Myspace die Treue.

Viele wechselten zu Plattformen, die sich ganz der Musik verschrieben – zu Soundcloud oder Bandcamp, die zu jener Zeit entstanden. Der ganz grosse Umbruch stand erst noch an: 2008 ging auch Spotify online. Der Streaminganbieter sollte schon bald zum mächtigsten Anbieter von Musik im Netz aufsteigen.

Was lag auf dem Estrich?

War nach diesen Jahren des Abstiegs überhaupt noch Musik auf Myspace zu finden, um die es schade ist? «Es ist sicherlich die eine oder andere Demo-Aufnahme verschwunden», sagt Musikredaktor Luca Bruno.

In den letzten fünf bis sechs Jahren sei ihm aber nie eine Aufnahme eingefallen, die es nur bei Myspace gegeben hätte. Und die Qualität dieser älteren Musikdateien sei auch dürftig: «Das waren schäbige MP3s».

Der Verlust dürfte sich deshalb in Grenzen halten. «Das ist ein bisschen, wie wenn der Estrich abbrennt», sagt Bruno. Wer wertvolles Gut nicht sicherer lagert, sei am Verlust wohl ein Stück weit selbst schuld. Aber wie beim Estrich gilt wohl auch bei Myspace: Wer weiss schon, welche längst vergessenen Schätze dort zehn Jahre lang vor sich hinschlummerten?

Meistgelesene Artikel