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Ein Ferienflieger über den Wolken
Legende: Fliegen ist die grösste Umweltsünde, besonders kurze Strecken. Dennoch nehmen wir Schweizer immer öfter das Flugzeug. Getty Images
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Klimawandel «Licht löschen reicht nicht»

Die Klimaerwärmung ist eine unserer grössten Sorgen. Doch um wirklich etwas dagegen zu tun, müssten wir unsere Gewohnheiten ändern – und dazu braucht es einen kleinen Schubs, sagt die Umweltpsychologin Bernadette Sütterlin.

Fragt man die Schweizer, wie sie dem Klimawandel begegnen, sind die am häufigsten genannten Antworten: Weniger Auto fahren und öfter die öffentlichen Verkehrsmittel oder das Velo nehmen, gefolgt von Strom sparen.

Die grosse SRG-Umfrage zum Klimawandel zeigt, dass wir Schweizer durchaus bereit sind, für den Klimaschutz auf bestimmte Dinge zu verzichten – solange es uns nicht zu sehr im Lebensstil einschränkt. Und dort wird es brisant, denn eigentlich müssten wir genau das tun. Weniger fliegen zum Beispiel. Oder auf Fleisch verzichten. Was sagt die Umweltpsychologin?

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Die Psychologin Bernadette Sütterlin forscht zum Konsumentenverhalten im Bereich Umwelt und Energie. Ihre Kernfrage: Was bestimmt unsere Bereitschaft, Energie zu sparen? Sie erstellte dazu eine Typologie der verschiedenen Energiekonsumenten.

SRF News: Bernadette Sütterlin, eigentlich wissen wir doch, dass wir uns mehr anstrengen müssen. Warum schaffen wir es nicht?

Bernadette Sütterlin: Verzicht ist schwierig, da entsteht ein Konflikt mit unserer Lebensqualität. Aber es gibt auch andere Gründe, warum wir uns nicht so umweltfreundlich verhalten, wie wir es uns vornehmen: Wenn ich zum Beispiel mehr Bioprodukte kaufen möchte, müssen die im Laden auch angeboten werden. Und teilweise wissen wir aber auch gar nicht so recht, wie wir am besten Energie und CO2 sparen können.

Fehlt es an Informationen für die Endverbraucher?

Der typische Konsument erkundigt sich nicht im Detail, wo er wie viel Energie sparen kann. Wir verlassen uns lieber auf unser eigenes Urteil – und das führt uns oft in die Irre.

Wir tendieren zum Beispiel dazu, den Energiekonsum danach einzuschätzen, wie sichtbar er ist. Viele denken, dass Licht löschen wesentlich mehr Energie spart, als es wirklich der Fall ist. Dabei wäre es viel sinnvoller, auf den Tumbler zu verzichten oder beim Heizen oder Warmwasser zu sparen.

Wir unterschätzen den Energieverbrauch von kleinen Geräten und überschätzen den von grossen.

Auch die Faustregel «je grösser ein Gerät, desto mehr Energie verbraucht es» führt zu falschen Annahmen. Wir unterschätzen so den Verbrauch von kleinen Geräten wie Ladegeräten, während wir grössere wie Staubsauger überschätzen.

In welchen Bereichen fällt es uns denn besonders schwer, unseren Lebensstil zu ändern?

Das ist von Mensch zu Mensch verschieden. Jüngere Leute, die gerne die Welt bereisen, finden es häufig schwer, das Fliegen zu reduzieren. Während Ältere sich oft ein Leben ohne Auto nicht vorstellen können.

Schwierig wird es immer dann, wenn es an unsere Gewohnheiten geht. Die sind hartnäckig. Deshalb ist es gerade bei der Ernährung und der Mobilität schwierig, umweltbewussteres Verhalten zu fördern.

Laut der SRG-Umfrage wären 80 Prozent der Schweizer bereit, für lokale und saisonale Produkte mehr auszugeben – also ihre Ernährungsgewohnheiten zu ändern.

Beim Kauf von lokalen, saisonalen oder Bioprodukten braucht es keinen wirklichen Verzicht, und der Konsument hat sogar noch etwas davon: Diese Produkte werden als gesünder und qualitativ hochwertiger wahrgenommen. «Wenn ich Bio kaufe, tue ich sogar meinem Körper noch etwas Gutes.» Das verfängt.

Also Bio essen, aber nach Ibiza fliegen?

Ein klassisches Verhalten. Das Stichwort dazu lautet «moralische Rechtfertigung»: Weil ich mich umweltfreundlich verhalten habe, glaube ich, die moralische Berechtigung erkauft zu haben, in einem anderen Bereich etwas nachlässiger zu sein.

Das kann absurde Folgen haben: Wer sich ein energieeffizientes Auto kauft, kann beispielsweise die Tendenz haben, das Auto plötzlich auch für kürzere Strecken zu nehmen, die er sonst mit dem Rad oder zu Fuss zurück gelegt hat. Im schlimmsten Fall steigt der Energieverbrauch sogar.

Verschiedene Neurologen sehen das Problem in unserem Steinzeithirn: Wir seien schlicht nicht in der Lage, auf eine abstrakte Gefahr wie den Klimawandel zu reagieren. Was in 20, 50 oder 100 Jahren passiert, sei zu weit weg. Was ist Ihre Meinung?

Dem stimme ich zu. Der Klimawandel erfolgt schleichend, es gibt keine Veränderung von einem Tag auf den anderen; die Einflüsse erfolgen verzögert. Das macht es so schwierig, auf ihn zu reagieren. Wenn ich mich vorbildlich verhalte und auf einen Flug verzichte, hat das keinerlei sichtbare Folgen.

Jeder Mensch lässt sich motivieren, der eine über finanzielle Anreize, der andere durch das Prestige.

Wir haben also Steinzeithirne, unverrückbare Gewohnheiten und unübersichtliche Energie-Labels, die uns das klimabewusste Verhalten erschweren. Bitte, machen Sie uns ein wenig Hoffnung!

Die gibt es. Wer nicht umweltbewusst ist, wird es zwar nicht einfach so. Aber unsere Studien haben gezeigt, dass es bei jedem Menschen Anknüpfungspunkte gibt. Der eine lässt sich durch finanzielle Anreize motivieren, der andere durch politische. Wieder andere reagieren auf ihr soziales Umfeld und möchten als besonders umweltfreundlich wahrgenommen werden.

Ein schönes Beispiel sind Solarpanels auf dem Dach. Die gelten mittlerweile als Statement dafür, dass man umweltfreundlich und innovativ ist. Dieses Prestige ist laut einer niederländischen Studie sogar der wichtigste Grund, Solarpanels zu installieren.

In vielen Ländern ist das sogenannte Nudging beliebt: Die Konsumenten sollen «sanft angeschubst» und so zu einer Verhaltensveränderung motiviert werden. Auch in der Schweiz?

Das ist eine sehr wirksame Methode, die bei den Konsumenten grundsätzlich auf Akzeptanz stösst. In der Schweiz hat sie zum Beispiel dazu geführt, dass viele Menschen auf Ökostrom umgestiegen sind: 2006 hat das Elektrizitätswerk der Stadt Zürich das Standardstromprodukt, das jedem Haushalt automatisch zugewiesen wird, von Kernenergie auf Ökostrom umgestellt.

Am besten dort anfangen, wo Lebensstil und Komfort am wenigsten eingeschränkt werden.

Gewusst?

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  • Standby verursacht bis 14 Prozent des gesamten Stromverbrauches im Haushalt.
  • Ein Flug nach Ibiza entspricht etwa zweieinhalb Jahren non-stop Fernsehen.
  • Eine Portion Fleisch essen entspricht rund 143 Mal vegetarisch essen.
  • Seit Plastiksäckli hierzulande 5 Rappen kosten, ist der Verbrauch um rund 80 Prozent gesunken.

(Quelle: ZHAW Wädenswil, BAFU, Coop)

Die Kunden wurden informiert und konnten auf einem Rückbrief ankreuzen, wenn sie den neuen grüne Standardstrom nicht wollten. Rund 15 Prozent haben das gemacht und sich aktiv wieder für die Kernenergie entschieden – die meisten, weil sie sich nicht zwingen lassen wollten, ein grünes Produkt zu beziehen.

Gut 80 Prozent haben das neue Ökostrom-Standardprodukt aber stillschweigend angenommen, obwohl es rund 0.5 Rappen pro Kilowattstunde teurer war. Viele dieser Kunden hätten ohne dieses sanfte Anschubsen nicht gewechselt.

Die meisten von uns brauchen also ein wenig Druck von aussen. Aber gibt es auch Tipps, wie wir uns selbst motivieren können?

Am einfachsten ist es, dort anzufangen, wo der Lebensstil und der Komfort am wenigsten eingeschränkt werden. Also zum Beispiel energieeffiziente Glühbirnen oder Geräte kaufen; gerade hier kann man mit wenig Aufwand viel bewirken. Oder auf eingeflogene Produkte verzichten und Bio kaufen. Und jetzt im Winter könnte man einfach mal die Heizung ein wenig runterdrehen.

Das Gute ist: Wir Menschen haben das Bedürfnis, Konstanz in unser Verhalten zu bringen. Wenn man also einmal angefangen hat, motiviert das oft, sich auch in anderen Bereichen klimafreundlich zu verhalten.

Energiespar-Tipps vom BAFU

Ökostrom wählen statt Standardangebot
LED-Lampen statt Glühbirnen
Wäsche auf der Leine trocknen statt im Tumbler
Hahnenwasser trinken statt Wasser in Flaschen zu kaufen
Saisongemüse kaufen statt solches aus dem Treibhaus
Hülsenfrüchte essen statt Fleisch
Den Zug statt das Flugzeug nehmen
Urlaub in der Nähe oder Europa statt Fernreisen
Mit dem Zug zur Arbeit statt mit dem Auto
Fahrgemeinschaften bilden statt alleine im Auto zu sitzen
Elektroauto statt Benziner fahren

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