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Giftgasangriff als Gewaltdemonstration von Bashar al-Assad?
Aus Echo der Zeit vom 06.04.2017. Bild: Reuters
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Giftgas-Angriff in Syrien «Damaskus ist es völlig egal, wenn viele Zivilisten sterben»

Für Syrien-Kenner Guido Steinberg ist völlig klar, dass Assad den Angriff verantwortet. Konsequenzen müsse er keine fürchten.

  • Der Giftgas-Einsatz in Syrien vom Dienstag, bei dem mehr als 80 Menschen starben, erschüttert die Welt.
  • US-Präsident Trump droht Assad, doch der UNO-Sicherheitsrat kann sich nicht auf eine Resolution einigen: Moskau hält die schützende Hand über Damaskus.
  • So lange dies so bleibe, habe das Assad-Regime nichts zu befürchten, sagt der Syrien-Experte Guido Steinberg.

Guido Steinberg

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Der promovierte Islamwissenschaftler ist Sicherheitsexperte bei der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin. Bis 2005 arbeitete er als Terrorismusreferent für die deutsche Regierung. An der SWP erforscht er die Politik des Nahen Ostens und den islamistischen Terrorismus.

SRF News: Die jüngsten Giftgasangriffe in Syrien sollen laut den USA von der syrischen Armee verübt worden sein. Diese bestreitet das und wird von Moskau gedeckt. Wem glauben Sie?

Guido Steinberg: Ich glaube den Russen und den Syrern kein Wort. Ich bin überzeugt, dass das syrische Regime einmal mehr Giftgas eingesetzt hat. Bisher hat nur dieses solche Mittel in grösserem Ausmass eingesetzt. Auch sind in der betroffenen Region zwar dschihadistische Kämpfer unterwegs, diese haben bisher aber nie Giftgas eingesetzt. Sie haben auch nicht die Kapazitäten und Mittel, solches herzustellen und einzusetzen.

Ist das Giftgas-Arsenal der syrischen Armee nicht unter Aufsicht der Russen vernichtet worden?

Natürlich nicht. Zwar ist Syrien 2013 der Giftgas-Konvention beigetreten – und das war ein grosser Erfolg für die russische Politik. Trotzdem muss allen klar sein, dass sich die Syrer in einem solchen Konflikt die Option offen halten, mit einigen Giftstoffen weiterzukämpfen.

Dem syrischen Regime fehlt es an Soldaten, um das grosse Territorium zu beherrschen.
Karte von Syrien.
Legende: Im Süden Idlibs wurde der Giftgasangriff verübt. SRF

Wieso sollte die syrische Armee gerade jetzt zu solch verbrecherischen Mitteln greifen?

Die Armee greift schon seit Jahren immer wieder zu Giftstoffen, meist allerdings zum weniger gefährlichen Chlorgas. Das Motiv ist immer das gleiche: Dem Regime fehlt es an Soldaten, um dieses grosse Territorium auch nur halbwegs zu beherrschen. In den letzten Wochen nun hat es im betreffenden Gebiet – dem nördlichen Hama und südlichen Idlib – grössere Offensiven der Rebellen gegeben, wobei die Regimetruppen unter Druck gerieten. In dieser Situation nutzen die Truppen, was gerade da ist – und wenn das Giftgas ist, und dabei viele Zivilisten sterben, ist das den militärischen Planern in Damaskus völlig egal.

War das eher eine Verzweiflungstat oder eine Machtdemonstration des syrischen Regimes?

Wohl eher eine Machtdemonstration. Der Aufstand ist sehr geschwächt und mir scheinen eher die Offensiven der Aufständischen in den letzten Wochen Verzweiflungstaten gewesen zu sein. Das Regime zeigt, dass es die Unterstützung Russlands hat und tun kann, was es will, ohne Konsequenzen befürchten zu müssen: Die USA werden nun kaum Luftschläge gegen Assad durchführen. Dieser sitzt immer noch fest im Sattel und er wird die Geschicke Syriens noch längere Zeit mitprägen.

Das Regime hat die Unterstützung Russlands und kann tun, was es will, ohne Konsequenzen befürchten zu müssen.
Video
Giftgasangriff in Syrien
Aus 10 vor 10 vom 04.04.2017.
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Welches militärische Ziel wurde mit dem Giftgas-Angriff erreicht?

Zwar sind sicher ein paar Aufständische ums Leben gekommen – die Stadt Chan Schaichun ist seit je her eine Hochburg des Aufstands gegen Assad. Es geht aber vor allem darum, den Rebellen klar zu machen, dass die Zivilbevölkerung leiden muss, wenn die Kämpfe weitergehen. Das Regime versucht mit solchen Angriffen, die Bevölkerung zur Flucht zu bewegen, um anschliessend die militärische Eroberung zu Erleichtern. In Aleppo waren es Fassbomben, die über Monate über der Zivilbevölkerung abgeworfen wurden. Giftgas ist bloss eine ganz besonders grausame und brutale Variante der syrischen Kriegsführung, wie wir sie mittlerweile seit fast sechs Jahren kennen.

Wir wissen seit 2012, dass wir es mit Assad mit einem Massenmörder zu tun haben.

Das Massaker ist auf grosse internationale Empörung gestossen. Kann das im Interesse von Assad liegen?

Das kann Damaskus weitgehend egal sein. Das sieht man an der russischen Reaktion, die zeigt, dass das syrische Regime keine Probleme mit Moskau zu befürchten hat. Die russische Politik hat in den letzten Jahren die Lüge als Mittel in der internationalen Politik entdeckt – denken sie nur an den Abschuss des malaysischen Flugzeugs über der Ostukraine und all die anderen Geschichten, die wir uns von den Russen anhören müssen. So lange Moskau seine schützende Hand über Damaskus hält, die Iraner auf der Seite Assads stehen und schiitische Milizen für das Regime kämpfen, muss Assad nichts befürchten.

Eine unabhängige Untersuchung ist nun angesetzt worden. Kann sie die Täterschaft für den Giftgasangriff klären?

Das kann sie wohl schon. Es wird sicher bald Gewissheit über die Urheber herrschen – allerdings werden die syrische, russische und iranische Seite weiterhin an der Lüge vom Giftgaseinsatz durch die Rebellen festhalten. Deshalb wird die unabhängige Untersuchung keine grossen Auswirkungen auf den Konflikt haben. Wir wissen ohnehin seit 2012, dass wir es mit Assad mit einem Massenmörder zu tun haben.

Das Gespräch führte Isabelle Jacobi.

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