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International Der Euro unter Reformdruck

François Hollande und Angela Merkel sind sich offenbar einig: Der Euro braucht Reformen. Eine Exekutive für die Eurozone, eine neue Kammer im EU-Parlament, eine gemeinsame Steuer – die Rezepte gegen die Krise sind vielfältig. Doch lösen sie auch das eigentliche Problem?

Der Euro-Gründungsvater und frühere Präsident der Europäischen Kommission, Jacques Delors, feiert dieser Tage seinen 90. Geburtstag. Anlässlich des Jahrestages und mit Blick auf die jüngste Krise der Eurozone hat der französische Präsident François Hollande in einem im Journal du Dimanche publizierten Artikel eine Reform der Euro-Zone gefordert: «Ich habe vorgeschlagen, die Idee einer Regierung für die Eurozone von Jacques Delors wieder aufzugreifen und für diese ein Budget sowie ein Parlament einzurichten.»

Der französische Präsident ist nicht der einzige, der sich derzeit mit einer Reform der Eurozone befasst. Auch die Bundeskanzlerin Angela Merkel soll laut eines von der «Zeit» zitierten Geheimpapiers eine radikale Reform der Währungsunion erwägen. Neben regelmässigen Gipfeltreffen sollten «spezifische, der Eurozone gewidmete Strukturen im Europäischen Parlament» geschaffen werden, welche analog zu Hollandes Vorschlag die demokratische Kontrolle sicherstellen würden.

Eine Währung – 18 unterschiedliche Staatsverschuldungen

Vorschläge für Reformen der Eurozone zirkulieren nicht erst seit der aktuellen Zuspitzung der griechischen Schuldenkrise. In Frankreich fordert ein Kollektiv namhafter Ökonomen und Politologen seit über einem Jahr in einem «Manifest für eine politische Union für den Euro» eine Neuordnung der Währungsunion: «Eine gemeinsame Währung mit 18 unterschiedlichen Staatsverschuldungen, über deren Entwicklung die Märkte frei spekulieren können, sowie 18 unterschiedliche Steuer- und Sozialsysteme, das kann nicht und das wird nie funktionieren», so die Autoren des Manifests.

Wie die Wissenschaftler hinter dem Manifest klarstellen, gehe es aber nicht darum, alle gemeinsamen Steuereinnahmen und Ausgaben zusammenzuführen. Vielmehr solle es weniger Europa in Bereichen geben, in welchen Mitgliedsstaaten gut alleine klar kämen, und mehr Europa dort, wo die Union unumgänglich sei.

Kampf gegen die Steueroptimierung

Konkret fordert das Manifest eine Unternehmensertragssteuer für die Euro-Länder, mit welcher ein gemeinsames Budgets erstellt werden könnte. Eine solche Steuer dürfte in der Höhe variieren, würde aber mindestens 20 Prozent der Erträge beanspruchen und den Euro-Staaten Einnahmen in der Grössenordnung von 0,5 bis 1 Prozent der Bruttoinlandsprodukte (BIP) bescheren.

Reto Föllmi

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Reto Föllmi ist seit 2011 Professor für Internationale Wirtschaftsbeziehungen an der Universität St. Gallen. Zu seinen Forschungsgebieten zählen unter anderem Makroökonomie, Aussenhandel, Strukturwandel und Wachstum sowie Einkommens- und Vermögensverteilung.

Eine gemeinsame Unternehmensertragssteuer hätte den Autoren zufolge ausserdem den Vorteil,dass sie für mehr Steuergerechtigkeit innerhalb der Eurozone sorgen würde. Multinationale Unternehmen könnten demnach nicht mehr ihre Steueroptimierungs-Spielchen treiben, sondern würden überall zur Kasse gebeten.

Eine zweite Kammer für das EU-Parlament

Wie kürzlich Hollande und Merkel fordert auch das Kollektiv hinter dem Manifest ein Parlament beziehungsweise eine zusätzliche Kammer im EU-Parlament für die Eurozone. In dieser sollten über die fiskal- und finanzpolitischen Entscheide demokratisch verhandelt werden.

Die Abgeordneten der neuen Kammer wären entweder Mitglieder des bestehenden Europäischen Parlaments oder also Abgeordnete der nationalen Parlamente, wobei ihre Zahl vom jeweiligen demografischen Gewicht der Euro-Länder abhängen würde.

Fehlende ökonomische Konvergenz

Während die Vorschläge aus Frankreich und Deutschland die Probleme der Eurozone auf einen mangelnde Handlungsfähigkeit und fehlende demokratische Kontrolle zurückführen, ist die Krise der Eurozone für Reto Föllmi, Professor für Internationale Wirtschaftsbeziehungen an der Universität St. Gallen, hauptsächlich das Ergebnis einer fehlenden ökonomischen Konvergenz zwischen den Staaten.

Die Konvergenzkriterien waren zwar gut gemeint, nicht aber ‹wetterfest›.
Autor: Reto Föllmi Professor für Internationale Wirtschaftsbeziehungen an der Universität St. Gallen

Wie Föllmi erklärt, hätte die EU im Maastrichter Vertrag von 1992 zwar versucht, das Risiko von Schuldenkrisen mit den sogenannten EU-Konvergenzkriterien einzudämmen. Diese Kriterien sahen unter anderem eine Limitierung des staatlichen Schuldenstands auf maximal 60 Prozent des BIP und eine Beschränkung des jährlichen Haushaltsdefizits auf höchstens 3 Prozent des BIP vor: «Es zeigte sich dann aber, dass diese Regeln zwar gut gemeint, nicht aber ‹wetterfest› waren und vor allem bei Defizit und Schuldenstand nicht eingehalten wurden.»

Die aktuellen Probleme der Euro-Zone hätten Reto Föllmi zufolge verhindert werden können, wenn man vor der Einführung des Euro die ökonomische Konvergenz sichergestellt hätte: «Stattdessen hat man aber zuerst den Euro eingeführt und gehofft, dass er die ökonomische Konvergenz mit sich bringen würde.»

Ein europäischer Finanzausgleich

Gemäss Reto Föllmi liesse sich heute die Eurozone vornehmlich über eine fiskale Koordination und eine Transfer-Union zusammenhalten: «Wachsende Defizite und wuchernde Schuldenberge würden dann mittels eines Finanzausgleichs, wie man ihn in der Schweiz zwischen Kantonen und in Deutschland zwischen den Ländern kennt, im Zaum gehalten.»

Für einen europäischen Finanzausgleich fehlt wahrscheinlich die Solidarität.
Autor: Reto Föllmi Professor für Internationale Wirtschaftsbeziehungen an der Universität St. Gallen

Der St. Galler Professor ist jedoch skeptisch, was die Chancen einer solchen Annäherung betreffen: «Ich bezweifle, dass sich ein solcher Ausgleich politisch durchsetzen liesse. Dazu fehlt wahrscheinlich die Solidarität zwischen den EU-Mitgliedstaaten.»

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