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Foto einer Explosion
Legende: Russlands Verteidigungsministerium publizierte Bilder von den Luftangriffen nahe Homs. Keystone
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International «Der IS ist ein nützlicher Feind»

Den zweiten Tag in Folge haben russische Kampfjets Ziele in Syrien angegriffen. Der Nahost-Experte Christoph Reuter ist sich sicher, dass die Angriffe nicht primär dem IS gelten. Die Bekämpfung der Terrormiliz sei nur ein Lockmittel für die USA und Europa gewesen.

Trotz massiver Kritik aus dem Westen haben russische Kampfjets weitere Ziele in Syrien bombardiert. Russland wies Vorwürfe von sich, die Attacken hätten auch gemässigten Rebellen gegolten. Das russische Militär greife aber nicht nur die Terrormiliz IS an, sondern auch andere Gruppen, räumte Kremlsprecher Dmitri Peskow ein. Es gebe eine Liste mit Organisationen, die bekämpft werden sollen, sagte er der Agentur Interfax zufolge. Konkrete Namen nannte er nicht.

Für den Reporter des deutschen Nachrichtenmagazins «Der Spiegel» und Nahost-Spezialisten Christoph Reuter ist indes klar, dass Russland mit den Angriffen vor allem das Assad-Regime stärken will. Im bombardierten Gebiet um die Städte Homs und Hama seien immer noch dieselben Rebellen wie vor drei Jahren.

SRF News: Welche Strategie verfolgt Russland mit dem Angriff auf dieses Gebiet?

Christoph Reuter: Eine Strategie, die absehbar war. Man will sich dem Westen mit dem Verweis auf gemeinsame Terrorbekämpfung andienen. Wobei man offengelassen hat, welche Terroristen man in Moskau meint. Europa oder Obama gehen davon aus, den IS zu bekämpfen. Aber nicht die Leute, die sich gegen das Regime wehren. Russland hat hingegen eine klare Strategie: Man will Assad entweder zum Sieg verhelfen – was unwahrscheinlich ist – oder zumindest einen Teil Syriens unter seiner Kontrolle halten.

Russland sagt, man kämpfe gegen den IS und andere Terrorgruppen. Die USA sagen, Russland bombardiere genau die Rebellen, die von ihnen unterstützt werden. Was ist Ihr Eindruck?

Audio
«Der IS nützt Putin und auch Assad»
aus Echo der Zeit vom 01.10.2015.
abspielen. Laufzeit 5 Minuten 36 Sekunden.

Von unseren Informationen von Menschen vor Ort und von der militärischen Lage her, kann man mit absoluter Sicherheit davon ausgehen, dass nicht der IS Ziel von diesen Angriffen war, sondern die Rebellengruppen, die gegen Assad und den IS kämpfen und seit 2012 in dieser Gegend aktiv sind – und zum Teil auch von den USA unterstützt worden sind.

Reizen die Russen die USA also absichtlich? Oder warum bombardieren sie nicht direkt den IS?

Rauch steigt nach Luftangriffen in der Stadt Talbisah auf.
Legende: Die Stadt Talbisah, nördlich von Homs, war Ziel von russischen Luftangriffen. Keystone

Das Angebot gemeinsam gegen den IS zu kämpfen, war das Lockmittel, die USA und Europa dazu zu bringen, der russischen Intervention dort zuzustimmen. Aber das Ziel ist nicht der IS gewesen, sondern Assads wirkliche Gegner zu vernichten. Der IS ist aber ein ausgesprochen nützlicher Feind. Er nützt Putin, um die Europäer an Bord zu holen. Der IS nützt auch Assad, weil er sich als kleineres Übel der Welt präsentieren kann. Er ist ein viel zu nützlicher Feind, als dass man an seiner baldigen Vernichtung jetzt schon interessiert wäre.

Syrien mit einem russischen Protektorat unter Assads Herrschaft ist gewissermassen der Gang mit dem Flammenwerfer auf die Tankstelle.

Wenn man Assad stärkt, schwächt man damit den IS oder stärkt man so andere Terroristengruppen wie Al-Kaida?

Wenn man Assad stärkt, ist das der grösste Gefallen, den man dem IS tun kann. So wird der Krieg einfach fortdauern. Das Land wird weiter zerfallen. Die Kurden werden ihren Staat aufbauen und Assad wird sein kleines russisches Protektorat im Westen haben. Und dann ist niemand da, der den IS aus dem Osten vertreiben könnte.

Das klingt sehr pessimistisch.

Im Moment leider ja. Syrien mit einem russischen Protektorat unter Assads Herrschaft ist gewissermassen der Gang mit dem Flammenwerfer auf die Tankstelle.

Das Gespräch führte Samuel Wyss.

Harsche Kritik an Obamas Syrien-Strategie

Nach den russischen Luftangriffen in Syrien sehen sich
Kritiker in den USA in ihren schlimmsten Befürchtungen bestätigt. Senator John
McCain erklärte, dass die US-Nahost-Politik in Trümmern liege und Wladimir
Putin dies schamlos ausnutzen würde. Putin sehe im Abseitsstehen der
Obama-Regierung eine Schwäche und wisse sich diese zunutze zu machen.
US-Verteidigungsminister Ashton Carter wies darauf hin, dass das, Ansage und Handeln der Russen, nicht korrespondiere. Das Pentagon wolle sich mit Russland
absprechen, damit die russischen Flieger und jene der US-Koalition nicht
kollidieren. Aussenminister Kerry bekräftigte, dass man den IS bekämpfen aber niemals das Assad-Regime unterstützen wolle.

Christoph Reuter

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Christoph Reuter

Christoph Reuter arbeitet für das Nachrichtenmagazin «Der Spiegel». Sein Spezialgebiet ist der Nahe Osten. In seinem viel beachteten Buch «Die schwarze Macht» zeigt er die Entstehung und Entwicklung des IS auf.

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