Zum Inhalt springen

Header

Hunderte Mensschen mit gelben und blauen Flaggen.
Legende: Die Anhänger des venezolanischen Oppositionsbündnisses «Mesa de Unidad Democrática» hoffen auf den Wahlsieg. Imago
Inhalt

International Erhält Maduro die Quittung für seine Misswirtschaft?

Am Wochenende wählt Venezuela ein neues Parlament. Das Land ist heruntergewirtschaftet, der Bevölkerung geht es schlecht, auch gesundheitlich. So ist etwa Aids nicht mehr nachzuweisen – weil es dafür keine Tests gibt. Das ist symptomatisch: Das Gesundheitswesen ist nahe am Kollaps.

2004 lancierte der damalige venezolanische Präsident Hugo Chávez seinen grossen Wurf: Nichts hat den 2013 verstorbenen Begründer des «Chávismus» beliebter und populärer gemacht als das Programm «Barrio adentro». Damit führte er die medizinische Grundversorgung für die Armen ein.

Rechteckiges, zweistöckiges Backsteinhäuschen mit blauen Balken, davor stehen Menschen.
Legende: Eines der von Chávez im Zuge von «Barrio adentro» eingeführten, lokales Gesundheitszentrum. Imago

Ärztliche Hilfe aus Kuba

In schnell gebauten, sechseckigen Häuschen begann sich überall im Land ein Heer von kubanischen Ärzten um die sozial Schwachen zu kümmern. Im Gegenzug schickte Venezuela billiges Öl nach Kuba. Es gab nun für alle Venezolaner ein Mittel gegen eine Entzündung, eine Platzwunde wurde genäht. Das war das eine. Das Bedeutendere aber war, dass ein Präsident auf die vom Staat ewig vergessenen Armen zuging und ihnen mit der Medizin auch etwas Würde gab.

Heute, elf Jahre später, sieht alles dramatisch anders aus. «80 Prozent der ‹Barrio adentro›-Zentren funktionieren nicht mehr und wurden geschlossen», sagt der venezolanische Chirurg und Universitätsdozent Alberto Zambrano.

Jahrelange Misswirtschaft

Das Erdölland Venezuela steckt nach jahrelanger Misswirtschaft und ideologisch begründeten Zwangsverstaatlichungen in einer tiefen Krise. Zudem hat sich inzwischen der Ölpreis halbiert. Ausser Öl produziert Venezuela so gut wie nichts. Von Lebensmitteln über Hygieneartikel bis hin zu Medikamenten muss alles aus dem Ausland importiert werden. Allerdings hat der Staat dafür kaum mehr Devisen.

Die Konsequenzen für die Ärzte, vor allem aber für die Patienten, sind ernst. «Oft müssen wir die Kranken losschicken, damit sie selber das Material für klinische Labortests oder Medikamente besorgen», sagt Zambrano. Obschon die Medizin in Venezuela im Prinzip ja gratis für alle sei, koste sie die Menschen also Geld.

Anästhetikum selber mitbringen

Wenn der Chirurg Zambrano zum Skalpell greifen will, dann muss der Patient die Gummihandschuhe auftreiben, weil es im öffentlichen Krankenhaus keine mehr gibt. Auch Anästhesie-Mittel sind so knapp, dass weniger dringende Eingriffe abgesagt werden, damit wenigstens Notfall-Patienten noch betäubt und operiert werden können.

Audio
Zehntausend Ärzte haben das Land bereits verlassen
aus Info 3 vom 04.12.2015.
abspielen. Laufzeit 2 Minuten 46 Sekunden.

Die Lage lässt vor allem chronisch Kranke verzweifeln. Laut der Apotheker-Vereinigung fehlen in Venezuela 80 Prozent aller Medikamente, die laut der Weltgesundheitsorganisation verfügbar sein sollten. Beeinträchtigt sind auch
die öffentlichen Krebsbehandlungszentren, so Zambrano. Viele dieser Zentren könnten keine Krebskranken mehr behandeln – weil ihre Bestrahlungs-Apparaturen kaputt sind und kein Geld da ist, um sie zu reparieren.

Tausende Ärzte ziehen weg

Aussicht auf Besserung gibt es keine. Die sich seit Jahren verschärfende Lage im Gesundheitswesen hat inzwischen zehntausend venezolanische Ärzte dazu bewogen, ihr Land zu verlassen.

Wie es bei einem Wahlsieg der Opposition weitergeht, ist unklar

Zwar hat Präsident Maduro 2013 vom verstorbenen Präsidenten Chávez völlig zerrüttete Finanzen übernommen. Doch seither ist auch unter Maduro alles falsch gelaufen, was falsch laufen kann. So schüttet er für Lateinamerika einmalig grosszügige Sozialleistungen aus, was schlicht und einfach nicht mehr finanzierbar ist. Ausserdem führte die Zwangsverstaatlichung von Ländereien und Unternehmen den Kollaps von Produktion und Güterversorgung herbei. 60 Prozent aller Venezolaner leben inzwischen in Armenvierteln und in Sozialbauten. Entsprechend geschrumpft ist die Unterstützung für Maduro: Seine Beliebtheit im Volk ist auf rund 20 Prozent abgesackt.

Wie es bei einem Wahlsieg der Opposition weitergehen würde, ist unklar: Maduro könnte sich noch vom alten Parlament Sondervollmachten für eine Dekrete-Herrschaft geben lassen und so den Gesetzgeber ausschalten. Kommt der Machtwechsel aber tatsächlich zustande, müsste das venezolanische System grundlegend verändert werden. Dazu würden auch harte Massnahmen wie Kürzungen bei den Sozialleistungen, eine Anhebung der öffentlichen Gebühren und des Benzinpreises gehören. Wie die Menschen, welche in den letzten Jahren vom Staat mit Sozialleistungen verwöhnt wurden, darauf reagieren würden, ist nicht abzuschätzen.

Droht ein Staatsstreich?

Box aufklappen Box zuklappen
Droht ein Staatsstreich?

Laut Umfragen könnten die Sozialisten des amtierenden Präsidenten Nicolás Maduro die Mehrheit nach 16 Jahren an der Macht verlieren. Zu gross sind «Inkompetenz, Verschwendungssucht und Korruption», wie es die Adenauer-Stiftung ausdrückt. Es gibt Befürchtungen, Maduro könnte bei einem Verlust der Regierungsmehrheit einen Staatsstreich versuchen.

Jederzeit top informiert!
Erhalten Sie alle News-Highlights direkt per Browser-Push und bleiben Sie immer auf dem Laufenden.
Schliessen

Jederzeit top informiert!

Erhalten Sie alle News-Highlights direkt per Browser-Push und bleiben Sie immer auf dem Laufenden. Mehr

Push-Benachrichtigungen sind kurze Hinweise auf Ihrem Bildschirm mit den wichtigsten Nachrichten - unabhängig davon, ob srf.ch gerade geöffnet ist oder nicht. Klicken Sie auf einen der Hinweise, so gelangen Sie zum entsprechenden Artikel. Sie können diese Mitteilungen jederzeit wieder deaktivieren. Weniger

Sie haben diesen Hinweis zur Aktivierung von Browser-Push-Mitteilungen bereits mehrfach ausgeblendet. Wollen Sie diesen Hinweis permanent ausblenden oder in einigen Wochen nochmals daran erinnert werden?

Meistgelesene Artikel