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International «Es wird nie eine Gesellschaft ohne Migration geben»

Die EU möchte die Flüchtlinge nach Quoten auf alle Mitgliedsländer verteilen und stärker gegen Schlepper vorgehen, die Flüchtlinge nach Europa schleusen. Was taugen diese Mittel? Seine Sicht der Dinge legt Kaspar Surber dar, er ist Journalist bei der WOZ und beschäftigt sich mit Migration.

SRF News: Ist die EU mit ihrer zweigleisigen Strategie – Verteilung der Flüchtlinge nach Quoten und Bekämpfung der Schlepper – auf dem richtigen Weg?

Kaspar Surber

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Der Journalist arbeitet für die linke «Wochenzeitung» (WOZ) und beschäftigt sich intensiv mit Migrationsthemen. 2012 erschien sein Buch «An Europas Grenze. Fluchten, Fallen, Frontex».

Kaspar Surber: Nein. Zwar begrüsse ich die Diskussion über die Quoten. Doch der Umstand, dass die EU nun mit militärischen Mitteln in die Flüchtlingspolitik eingreift, ist eine massive Eskalation.

Zunächst zur Quote: Die EU-Kommission will die Flüchtlinge anhand von Kriterien wie Wirtschaftsleistung, Bevölkerungszahl, Arbeitslosenquote und bisher aufgenommenen Asylbewerber auf die einzelnen EU-Länder verteilen. Warum ist das ein Fortschritt?

Bisher ist es im Rahmen des Dublin-Abkommens so, dass die Flüchtlinge in jenem Land einen Asylantrag stellen sollten, in dem sie zuerst europäischen Boden betreten. Deshalb sind die südlichen EU-Staaten, etwa Italien oder Griechenland, sehr exponiert. Dort haben dann auch teilweise menschenunwürdige Bedingungen für die Asylbewerber geherrscht. Diese Staaten werden jetzt entlastet. Allerdings glaube ich nicht, dass die Asylsuchenden dadurch künftig weniger zwischen den Staaten hin- und hergeschoben werden.

Die vorgeschlagene Verteilung der Asylbewerber nach Quoten soll auf halb-freiwilliger Basis erfolgen. Bringt das etwas?

EU-Kommission für Asyl-Quote

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Nach dem Dublin-Verfahren sollten Asylbewerber eigentlich in dem Land bleiben, in dem sie zuerst den Boden der EU betreten haben. Die EU-Kommission will mit einem Quotensystem diese Regel ändern. Künftig sollen die Flüchtlinge fairer auf die Staaten verteilt werden.

Das bezweifle ich. Besser wäre ein ähnliches System, wie es die Schweiz kennt: Hier werden die Asylsuchenden nach den Einwohnerzahlen auf die einzelnen Kantone verteilt. Wichtig ist jedoch, dass den Asylsuchenden ein menschenwürdiges Verfahren garantiert wird. Das ist für mich der entscheidende Punkt. Wenn es dabei hilft, dass die Quoten innerhalb der EU freiwillig sind, begrüsse ich auch eine solche Lösung.

Die EU will auch im Kampf gegen die Schlepper schärfer vorgehen. Was soll daran falsch sein?

In der Politik ist es derzeit sehr beliebt, scharf gegen die Schlepper vorzugehen. Doch die Situation ist ambivalent: Häufig kann man nicht genau unterscheiden, ob es sich um kriminelle Schlepperei oder um Fluchthilfe handelt. Weil die Migration nach Europa illegalisiert wird, würden viele Leute den Weg hierher nicht finden. Ich möchte die kriminelle Schlepperei nicht verharmlosen, aber es ist das einzige Mittel, das den Menschen zur Flucht bleibt.

Muss man denn die Schlepper – sie verkaufen den Menschen teure Plätze auf seeuntüchtigen Booten und lassen sie auf dem Meer treiben – nicht bekämpfen?

Die Frage ist: Wieso ist diese Situation entstanden? Der Grund liegt darin, dass die EU die Migration von ausserhalb Europas illegalisiert hat. Vielleicht veranschaulicht ein Vergleich mit der Drogenpolitik die Problematik: Die Figur des Dealers ist mit dem des Schleppers vergleichbar. Wenn man nun meint, man erreiche eine drogenfreie Gesellschaft, wenn man alle Dealer verhaftet, dann hängt man wohl einer Illusion nach. So, wie es keine drogenfreie Gesellschaft geben wird, wird es auch keine migrationsfreie Gesellschaft geben.

Heisst das, dass sie für eine Legalisierung der Migration plädieren?

Audio
«Asylsuchenden muss ein menschenwürdiges Verfahren garantiert werden»
aus SRF 4 News aktuell vom 13.05.2015.
abspielen. Laufzeit 5 Minuten 20 Sekunden.

Wenn man sich eingehend mit der Migration beschäftigt, dann kommt man zum Schluss, dass die einzig richtige Forderung in einer Öffnung der Grenzen und in einer globalen Bewegungsfreiheit liegt. Ich möchte die interessante Überlegung des französischen Migrationsforschers François Gemenne erwähnen. Er sagt: Bei einer Öffnung der Grenzen würden nicht mehr Leute nach Europa kommen, aber weniger sterben.

Kritiker von rechts würden dazu sagen: «Dann kommt halb Afrika in die Schweiz»...

Sicher würden auch Menschen kommen, die Arbeit suchen, denn die Migration ist schon immer der Arbeit nachgereist. Und schliesslich gibt es diese Arbeitsplätze hier ja tatsächlich. Ausserdem: 80 Prozent aller Menschen auf der Flucht sind in Entwicklungsländern untergebracht. Die Schweiz und Europa leisten letztlich nur einen geringen Beitrag, diese humanitäre Katastrophe zu beenden.

Das Interview führte Christoph Kellenberger.

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