Jahrzehntelang verbreitete die baskische Untergrundorganisation ETA Angst und Schrecken. Über 800 Menschen sind ihrer Gewalt zum Opfer gefallen. Nun richtet sie sich in einem Schreiben an die Bevölkerung. «Wir bitten um Vergebung», heisst es darin. Hans-Günter Kellner sagt, was davon zu halten ist.
SRF News: Wie wichtig ist diese Entschuldigung der ETA?
Hans-Günter Kellner: Sie ist eine wichtige Geste. Aber sie richtet sich eher an das eigene Lager als ein Zeichen, dass es nun endgültig vorbei ist. Es ist eine gewisse Formalität. Die Leute bei der ETA wissen, wenn sie die Organisation wirklich auflösen wollen, müssen sie sich mit einer solchen Geste an die Opfer richten. Das erwartet die Gesellschaft einfach von ihnen.
Wie nehmen die Opferfamilien die Entschuldigung auf?
Unterschiedlich. Viele werden sie ignorieren. Sie haben selbst genug zu tun mit der Trauerbewältigung und schauen nicht, was die ETA ankündigt. Andere werden sich sicher empören, da es in einer Zeile heisst, «es tut uns aufrichtig leid». Aber vor allem werden die meisten sagen, dass das sehr spät komme; viel zu spät für die Toten.
Die Angst ist da, dass das, was geschehen ist, vergessen werden könnte.
Die ETA ist zudem schon seit 2011 Geschichte, seit sie erklärt hat, die Waffen niederzulegen. Die meisten Basken sehen in der ETA eher einen Ballast aus der Vergangenheit. Das ist für die Linksnationalisten, die mit der ETA identifiziert werden, aus wahltaktischen Gründen ein Problem.
Wie tief sind die Wunden im Baskenland heute noch?
Bei den Opfern sitzen sie sehr tief. Ich kenne aber auch Opfer, die von den früheren Konfrontationen nichts mehr wissen wollen. Gleichzeitig ist die Angst da, dass das, was geschehen ist, vergessen werden könnte. «Wir wollen nach vorn schauen, aber mit einem grossen Rückspiegel.» Diesen Satz hört man oft im Baskenland. Deshalb gibt es viele Aktionen der baskischen Regierung.
Es gab keine politischen Verhandlungen. Die Auflösung der ETA ist eine reine Kapitulation.
Opfer und zum Teil auch ehemalige ETA-Aktivisten gehen in Schulen und erklären, was in den Jahren geschehen ist. Viele Jugendliche wissen nur sehr wenig von den Anschlägen in der Vergangenheit.
Die ETA hat bereits 2011 ihre Waffen abgegeben. Was ist von ihr übrig?
Von ihr übrig sind 300 Gefangene in verschiedenen spanischen Gefängnissen und ein Handvoll Leute der Führungsebene der ETA. Das ist eine Information des spanischen Innenministeriums. Und dieses ist normalerweise gut über die Interna der ETA informiert.
Hat die ETA etwas als Gegenleistung für die Entwaffnung bekommen?
Nein, sie hat überhaupt nichts bekommen, weder Gefangenenverlegungen, noch Hafterleichterungen oder eine Amnestie. Es gab keine politischen Verhandlungen. Die Auflösung der ETA ist eine reine Kapitulation.
Das Gespräch führte Brigitte Kramer.