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International «Extreme Notlage»: IS umzingelt zehntausende Vertriebene

Der Kampf gegen die IS-Terrormiliz spitzt sich weiter zu. Während die US-geführte Koalition in Irak weitere Erfolge bei Gefechten nahe Falludscha meldet, bangen Hilfsorganisationen in Syrien um das Leben von etwa 100'000 Vertriebenen.

Gemässigte Anti-Assad-Rebellen im Norden Syriens geraten immer mehr unter Druck. Jetzt rückt der IS gegen die gemässigteren Aufständischen vor.

Zehntausende auf der Flucht

Die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) ist bei Angriffen in Nordsyrien in ein strategisch wichtiges Rebellengebiet vorgerückt. Die Extremisten nahmen nahe der Stadt Asas an der Grenze zur Türkei mehrere Orte ein, wie die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte und Aktivisten berichten.

Nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch flohen Zehntausende Menschen vor dem IS und sind nun in der Region um Asas eingeschlossen. Den Rebellen droht dort ein totaler Zusammenbruch.

Es gibt keinen Zufluchtsort für die Menschen, während die Kämpfe immer näher kommen
Autor: Pablo Marco Lokaler Leiter von Ärzte ohne Grenzen

Nach HRW-Angaben flohen in den vergangenen Tagen rund 45'000 Menschen vor den heranrückenden IS-Kämpfern. Insgesamt sind demnach in der Region um Asas 165'000 Vertriebene eingeschlossen. Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen (MSF) sprach von rund 100'000 Flüchtlingen.

Spital evakuiert

US-Soldaten mit Kurdenemblem

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Fotos von US-Soldaten mit dem Abzeichen der syrischen Kurdenmiliz YPG auf der Uniform verärgern die Türkei. «Es ist inakzeptabel, dass US-Soldaten das Emblem einer Terrororganisation tragen», so der türkische Aussenminister Cavusoglu. Auch der Sprecher der US-Armee bezeichnete das Tragen der Abzeichen als unangebracht. Die GIs sollen sie entfernen.

«Es gibt keinen Zufluchtsort für die Menschen, während die Kämpfe immer näher kommen», sagte Pablo Marco, ein lokaler MSF-Leiter. Asas liegt in der Nähe eines von Rebellen kontrollierten Grenzübergangs zur Türkei. Die mit dem IS verfeindeten Regimegegner hatten in der Region bereits im Frühjahr Territorium verloren und kontrollierten hier zuletzt nur noch eine Enklave. Sie ist im Osten vom IS und im Westen von Kurden-Einheiten umgeben. Da die Türkei die Grenze seit mehr als einem Jahr für Syrer weitestgehend geschlossen hält, können Flüchtlinge nicht ins Nachbarland.

MSF evakuierte nach eigenen Angaben ein nahe der türkischen Grenze gelegenes Krankenhaus in Al-Salama. Nur wenige Ärzte und Helferinnen blieben zurück. «Wir mussten die meisten unserer Patienten und Mitarbeiter aus dem Krankenhaus entlassen, da die Frontlinie so nah gekommen ist», sagte Pablo Marco.

IS-Kommandeur in Irak getötet

Erfolgsmeldungen beim Kampf gegen den IS kommen hingegen aus dem Irak. Bei Luftangriffen auf die westirakische Stadt Falludscha sind nach Angaben der USA mehr als 70 Kämpfer der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) getötet worden. Darunter sei auch der lokale Kommandeur der Terrormiliz, Maher al-Bilawi, gewesen. Dies sagte der Sprecher der US-Armee im Irak, Steve Warren.

Die von den USA angeführte Koalition flog demnach in den vergangenen vier Tagen 20 Angriffe auf die Stadt.

Humanitäre Katastrophe vor Augen

Hilfsorganisationen fürchten unterdessen eine humanitäre Katastrophe. Die Armee und Milizen hatten Anfang der Woche mit Unterstützung von US-Luftangriffen eine Offensive begonnen, um die sunnitischen Extremisten aus der Stadt rund 70 Kilometer westlich von Bagdad zu vertreiben. Falludscha ist nach der nordirakischen Stadt Mossul die wichtigste IS-Hochburg im Krisenland Irak. Die Extremisten kontrollieren die Stadt seit Januar 2014.

Die Terrormiliz tötet nach UNO-Angaben immer mehr Zivilisten, die nicht für sie kämpfen wollen. Die Hilfsorganisation UNHCR meldete am Freitag, es gebe Berichte über einen «dramatischen Anstieg» von Opfern unter Männern und männlichen Jugendlichen. Viele Einwohner seien zudem bei Kämpfen um die Stadt unter den Trümmern ihrer Häuser begraben worden. Genaue Zahlen nannte der UNHCR nicht. Die Kämpfe gingen auch am Freitag weiter.

Audio
Inga Rogg: «Vertreibung des IS aus einer Stadt reicht noch nicht»
aus SRF 4 News aktuell vom 26.05.2016.
abspielen. Laufzeit 4 Minuten 59 Sekunden.

«Extreme Notlage»

Hilfsorganisationen hatten zuvor bereits vor dramatischen Folgen für Zivilisten gewarnt. Sie seien eingeschlossen und befänden sich in einer «extremen Notlage», sagte die lokale Sprecherin des Norwegischen Flüchtlingsrates (NRC), Becky Bakr Abdullah. Es gebe Berichte über grossen Hunger. «Wir sind äusserst besorgt, dass die Menschen unter Feuer geraten könnten», sagte Bakr Abdullah.

Armee-Sprecher Warren erklärte, die Menschen seien in Flugblättern angewiesen worden, IS-Gebiete zu meiden. «Die, die nicht fliehen können, werden in den Flugblättern aufgefordert, weisse Laken an ihre Dächer zu hängen, um ihre Position zu markieren.» Seinen Angaben zufolge befinden sich in der Stadt bis zu 50'000 Zivilisten.

Erschütternde Geschichten

Ein Flüchtling berichtete nach Angaben des NRC, er und seine Familie hätten zuletzt vor vier Monaten Reis gegessen und sich ansonsten von getrockneten Datteln ernährt. Andere Familien hätten gar nichts zu essen. Viele Einwohner tränken Wasser aus dem Euphrat, erklärte der NRC. Seit September seien keine Hilfstransporte mehr in die Stadt gekommen. Nach UNHCR-Angaben starben bereits zwei Menschen an Hunger.

Demnach konnten in den vergangenen Tagen mehr als 800 Menschen aus Falludscha entkommen. Sie hätten erschütternde Geschichten erzählt, erklärte Leila Jane Nassif vom UNHCR. Eine Flucht sei nur unter grösstem Risiko möglich. Die Menschen müssten nachts über Stunden zu Fuss laufen, ehe sie in Sicherheit seien.

Umstrittene Militärkampagne

Regierungstreue Kräfte stiessen nach Angaben von Ministerpräsident Haidar al-Abadi weiter auf Falludscha vor. Die Militärkampagne ist umstritten, weil an der Offensive auch schiitische Milizen beteiligt sind – Falludscha und die dazugehörige Provinz Al-Anbar sind jedoch eine sunnitische Hochburg.

Die Spannungen zwischen den beiden grossen muslimischen Konfessionen sind im Irak seit langem gross, weil sich die Minderheit der Sunniten von der Mehrheit der Schiiten diskriminiert fühlt. Davon profitiert die sunnitische IS-Terrormiliz, die sich den Unmut zunutze macht.

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