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International Forint, Filz und Fidesz: Ungarns vergessene Skandale

Dank ihrer Abschottungspolitik gegenüber Flüchtlingen befindet sich die Regierung von Premier Minister Viktor Orban im Popularitätshoch. Vergessen sind all die Skandale, die ihn und seine Partei Fidesz bis im Frühling in ein schweres Formtief stürzten. Wir listen fünf auf.

Der ungarische Premier Minister fährt gegenüber Flüchtlingen einen harten Kurs. Er baut Zäune, setzt Polizei und Militär an den Grenzen ein und lässt sich von Einwänden aus Deutschland und Brüssel nicht beirren. Damit punktet er beim Volk, das erst noch sehr unzufrieden war mit ihm. Denn: in den letzten Jahren jagte eine Affäre die andere. Ein Überblick über die wichtigsten.

Paks: Der superteure Deal ist auch supergeheim

Die Fakten
Die AKW-Anlage in Paks liefert die Hälfte des ungarischen Stroms. Ihre vier Reaktoren sollen durch zwei leistungsfähigere ersetzt werden. Mit dem Bau wurde die staatliche russische Firma Rosatom beauftragt. Russland liefert auch das Geld für den Bau, in Form eines 10-Milliarden-Euro-Kredites. Die Details des Superdeals sind nicht bekannt: Das Projekt wurde praktisch ohne öffentliche Diskussion beschlossen und per Gesetz zur Geheimsache erklärt. Während 30 Jahren bleiben die Akten unter Verschluss.
Was die Regierung sagt
Bei der Energieversorgung gehe es um die nationale Sicherheit, darum sei die Geheimhaltung angebracht. Die ungarische Wirtschaft brauche die neuen Reaktoren. Der Deal mit Russland sei der beste, den das Land in den letzten 40 Jahren abgeschlossen habe. Ungarn erfülle alle EU-Auflagen. Man habe von der EU in diverser Hinsicht grünes Licht bekommen. Die Regierung habe auch einen Entwurf des Vertrages mit Russland von der EU-Kommission absegnen lassen. Und man werde für sein Recht kämpfen, solche Verträge mit einem Nicht-EU-Land abzuschliessen.
Was Kritiker sagen
Ungarn, das sein Gas fast ausschliesslich von Russland bezieht, begebe sich in noch grössere Abhängigkeit von Moskau. Das Land verschulde sich enorm. Dies gehe auf Kosten zukünftiger Regierungen, denn die Rückzahlungen an Russland setzten erst in zehn Jahren ein. Ungarn verpasse es, das grosse Potenzial an Wind- und Sonnenenergie zu nutzen. Der Preis für die beiden Reaktoren sei zu hoch und deute darauf hin, dass Schmiergelder einkalkuliert worden seien. Und möglicherweise hätten Orban und Putin ein faules Geschäft gemacht: Russland liefert das billige Gas, das Orban erlaubt, die beliebte Politik der tiefen Gaspreise fortzusetzen. Im Gegenzug mache Russland ein gutes Geschäft mit dem Bau der AKWs, mit der Lieferung von Brennstäben und der Entsorgung von Atommüll.
Kritik übt auch die EU: Sie hat gegen Ungarn ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet, weil der Bauauftrag nicht öffentlich ausgeschrieben wurde, wie das die EU-Regeln vorsehen.

Ildiko Vida: Die Chefin der Steuerbehörde unter Betrugsverdacht

Die Fakten
Ein ehemaliger Mitarbeiter des Finanz- und Steueramtes behauptete schon vor zwei Jahren, dass die Behörde schwere Fälle von Steuerbetrug gezielt decke. Vor einem Jahr kam aus, dass die USA mehrere ungarische Staatsangestellte mit einem Einreiseverbot belegt hatten: wegen Verdachts auf Korruption. Kein anderes EU-Land musste sich so etwas je gefallen lassen. Betroffen vom Einreiseverbot war auch die oberste Chefin der Finanz- und Steuerbehörde, Ildiko Vida. Sie trat zurück.
Was die Regierung sagt
Offiziell wurde Ildiko immer gestützt. Die USA hätten keine konkreten Vorwürfe erhoben, hiess es stets. Und den Korruptionsvorwürfen gegen die Finanz- und Steuerbehörde sei man mit Untersuchungen nachgegangen, ergebnislos.
Was Kritiker sagen
Ildiko Vida sei in Ungnade gefallen, weil sie nicht nur eine Verbündete Orbans gewesen sei, sondern auch seines einstigen engen Freundes und schwerreichen Geschäftsmannes Lajos Simicska. Erst als es zum definitiven Bruch zwischen dem Parteichef und dem Parteifinanzierer gekommen sei, habe Vida gehen müssen. Und die Steuerbehörde habe lediglich interne Untersuchungen durchgeführt. Externe hätten nicht stattgefunden, die Staatsanwaltschaft verschleppe den Fall.

Quaestor: Betrieb die Regierung Insidergeschäfte?

Die Fakten
Im März geht die Broker-Firma Quaestor pleite. Das als Fidesz-nah geltende Haus hat fiktive Anleihen in der Höhe von rund einer halben Milliarde Franken aufgelegt. Ermittlungen zeigen: auch staatliche Ministerien hatten bei Quaestor investiert. Doch sie zogen ihr Geld kurz vor der Pleite ab, auf Anweisung von Premierminister Orban. Er war brieflich gewarnt worden vor einer drohenden Illiquidität, und zwar vom Quaestor-Chef persönlich. Dieser wiederum blieb auch nach der Pleite wochenlang auf freiem Fuss. Und die Regierung beschloss, dass die Quaestor-Anleger für ihre Verluste weitgehend entschädigt werden sollen, über einen Fonds, den alle ungarischen Banken äufnen. Das entsprechende Gesetz wurde vom Verfassungsgericht jedoch kürzlich zurückgewiesen. Begründung: Kunden von Quaestor dürften nicht besser behandelt werden als die zweier anderer, kleinerer (und der Opposition nahestehender) Broker-Häuser, die kurz davor pleite gingen.
Das sagt die Regierung
Orban weist den Vorwurf des Insiderhandels von sich. Er habe den Abzug der Staatsgelder bei Quaestor angeordnet, nachdem zuvor schon zwei andere Broker pleite gegangen seien – und bevor er den Brief des Quaestor-Chefs erhalten habe. Und man müsse die Kleinanleger schützen, wenn Finanzhäuser und die Finanzaufsicht versagten.
Das sagen Kritiker
Die vermuten Insidergeschäfte im grossen Stil. Nicht nur die Ministerien, auch Fidesz-Mitglieder hätten einen Tipp bekommen und ihr Geld kurz vor der Pleite in Sicherheit gebracht. Sie kritisieren, dass Ministerien ihr Geld spekulativ anlegten. Sie stören sich daran, dass die Chefs der anderen Pleitehäuser sofort verhaftet worden seien, während man dem Quaestor-Chef Zeit gelassen habe, um Vermögen ins Trockene zu bringen und Spuren zu verwischen. Und sie sagen, Quaestor-Kunden würden anders behandelt als die der anderen Broker, weil sich unter ihnen besonders viele wohlhabende Fidesz-Mitglieder befänden.

50 Rappen pro Gigabyte: Die Internetsteuer

Die Fakten
Im Oktober letzten Jahres wollte die Regierung eine Steuer auf Datenverkehr einführen: 150 Forint (50 Rappen) pro Gygabyte. Experten rechneten aus, dass die neue Steuer dem Staat Einnahmen von umgerechnet  einer halben Milliarde Franken eingebracht hätte.
Was die Regierung sagt
Die Steuer sei nötig, denn: je mehr die Leute übers Internet kommunizierten, desto kleiner die Einnahmen aus der ebenfalls relativ neu eingeführten und bereits erhöhten Telefonsteuer. Die geplante Internetsteuer wurde zunächst gedeckelt, dann verschoben. Schliesslich wurde sie zum Thema einer nationalen Befragung, die ergab, dass die Ungarinnen und Ungaren das Internet am liebsten umsonst hätten.
Was Kritiker sagen
Die Opposition warf der Regierung vor, sie erschwere dem Land den Anschluss an die digitale Zukunft. Vor allem aber protestierte die
Bevölkerung: Zehntausende demonstrierten mit leuchtenden Handydisplays gegen die Steuer. Die Proteste schlugen um in Anti-Orban-Kundgebungen. Als die Steuer vom Tisch war, schliefen auch die Demonstrationen wieder ein.

Plakate, Plakate, Plakate: Wie man Politik verkauft

Die Fakten
Im Sommer dieses Jahres feierte die Regierung ihre fünf Jahre an der Macht mit einer Plakatkampagne unter dem Motto «Die ungarischen Reformen funktionieren.» Ein Mann verkündete: «Der Mindestlohn steigt noch einmal.» Eine Frau: «Ich habe viel gespart mit den tieferen Kosten für Strom und Gas.» Die umworbenen Bürger finanzierten die Werbekampagne mit Steuergeldern. Kostenpunkt: umgerechnet über 2 Millionen Franken. Es war nicht die einzige Kampagne dieses Jahres. Im Frühling schon griff die Regierung zu Plakaten. In grossen Lettern und reinstem Ungarisch ermahnte sie die Flüchtlinge: «Wenn Du nach Ungarn kommst, nimm den Ungarn nicht die Arbeit weg» und «Wenn Du nach Ungarn kommst, musst Du unsere Gesetze einhalten!»
Was die Regierung sagt
Man habe den Leuten zeigen wollen, dass das Land gut entschied, als es 2010 beschloss, seinen eigenen Weg zu gehen, sagte ein Regierungssprecher die Reformkampagne. Ein wichtiges Mitglied der Partei Fidesz sagte gegenüber Radio SRF, dass auch frühere Regierungen Werbekampagnen mit Steuergeldern finanziert hätten. Und Premierminister Orban erklärte, die Benimmplakate hätten sich an Schlepper gerichtet, die Flüchtlingen die Botschaft übersetzen könnten.
Was Kritiker sagen
Die Oppositionsparteien sprachen von Staatspropaganda und von einer obrigkeitlich geführten Kampagne zur Förderung der Fremdenfeindlichkeit. Und Regierungskritiker druckten Plakate im selben Layout, aber mit anderen Botschaften: «Wenn Du nach Ungarn kommst, darfst Du nicht stehlen. Unsere Regierung duldet keine Konkurrenz.» Oder: «Komm nach Ungarn, wir arbeiten schon in London.» Und schlicht: «Sorry about our Prime Minister.»
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