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Piraterie als lukratives Geschäftsmodell
Aus Echo der Zeit vom 21.08.2018. Bild: Reuters
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Geschäftsmodell «Überfall» Piraten – gut organisiert und sehr flexibel

Kaum ist das Problem in einer Weltgegend unter Kontrolle, verschärft es sich anderswo. Es ist ein lukratives Geschäft.

Noch vor wenigen Jahren sorgten die Seepiraten am Horn von Afrika weltweit für Schlagzeilen. Vor den Küsten Somalias sind sie zwar verschwunden – doch längst konzentrieren sie sich auf andere Gebiete, zum Beispiel Westafrika, aber auch Venezuela oder die Philippinen und Indonesien. Die Seeräuber sind definitiv kein Phänomen früherer Jahrhunderte, sondern Teil unserer Zeit.

Zwischen 2008 und 2012 lag der Brennpunkt der Piraterie vor der Küste Somalias. «Alle fünf bis sechs Tage wurde dort damals ein Schiff gekapert», sagt Pottengal Mukundan, der Direktor des Schifffahrtsamtes der Internationalen Handelskammer in London. Seine Organisation registriert seit bald 30 Jahren jeden Angriff auf Schiffe in den Weltmeeren.

Milliarden-Aufwand zahlte sich aus

Damals sei die Lage praktisch ausser Kontrolle gewesen, sagt Mukundan. Weil die Anrainerstaaten Somalia und Jemen ausserstande waren, dagegen vorzugehen, entsandten die Nato und die EU – unterstützt von China, Indien und anderen – eine regelrechte Kriegsflotte zur Piraterie-Bekämpfung. Zu enormen Kosten, Milliarden insgesamt, aber letztlich mit Erfolg. Zwar gibt es auch seither gelegentlich Attacken. Doch der letzte erfolgreiche Angriff auf ein grosses Schiff liegt sechs Jahre zurück.

Zerstörer aus den USA, Grossbritannien und Südkorea 2017 bei Anti-Piraterie-Training im Golf von Aden.
Legende: Zerstörer aus den USA, Grossbritannien und Südkorea 2017 bei Anti-Piraterie-Training im Golf von Aden. Keystone/Archiv

Keine Zeit zum Ausruhen

«Das bedeutet aber nicht, dass die Kriegsschiffe nun abgezogen werden können», warnt Mukundan. Erst recht nicht, weil es sich um eine der wichtigsten Handelsrouten der Welt handle. Denn sonst seien die Piraten rasch wieder zurück. Piraten seien Geschäftsleute, die sich rational und opportunistisch verhielten: Wo das Aufwand-Ertrag-Verhältnis nicht mehr stimmt, ziehen sie sich vorübergehend zurück. Wo der grosse Reibach lockt, werden sie aktiv.

Die modernen Freibeuter

Anders als gelegentlich behauptet wird, bilden nicht arbeits- und zukunftslose junge Männer das Rückgrat der Freibeuterei. Sie sind allenfalls die Handlanger, die ihr Leben riskieren. Hinter ihnen stehen, wie inzwischen dokumentiert ist, oft professionelle kriminelle Organisationen. Diese sind international vernetzt und verfügen über beträchtliche finanzielle Mittel.

Frachtschiffe auf hoher See, oft Dutzende, ja über 100 Kilometer von der Küste entfernt, lassen sich nicht mit Schlauchbooten kapern. Es braucht Investitionen in schnelle Schiffe, in Waffen und in Absatzkanäle für die erbeutete Fracht. Die Drahtzieher sitzen meist gar nicht in Problemländern wie Somalia, sondern in Asien oder Europa.

Nicht nur Güter, sondern vermehrt auch Geiseln

Im Golf von Aden wurde es für die Piraten schwierig. Ihr Geschäftsmodell funktioniert hingegen zurzeit vor allem an der afrikanischen Westküste bestens, im Golf von Guinea. Dort nimmt die Zahl der Schiffsüberfälle rasant zu. Es geht um wertvolle Fracht, vor allem Öl, aber auch um den Inhalt von Kühlschiffen oder jenen von schwimmenden Fischfabriken.

Um die Beute loszuschlagen, braucht es laut Mukundan ein gutes Vertriebssystem. Dazu kommen neuerdings Angriffe zwecks Geiselnahmen. Sie bringen oft Lösegelder in vielfacher Millionenhöhe ein.

Überforderte Länder und Mangel an Kooperation

Westafrikanische Länder wie die Elfenbeinküste, Benin, Togo, Ghana, Nigeria oder Kamerun sind zwar keine «gescheiterten Staaten» wie Somalia oder Jemen. Doch die meisten verfügen über keine schlagkräftige Marine oder Küstenwache und können so auf See das Recht nicht durchsetzen.

Auch mangelt es nach den Worten von Mukundan im Golf von Guinea gravierend an grenzüberschreitender Zusammenarbeit von Polizei-, Militär- und Justizbehörden, während die Piraten international unterwegs sind. Schon im vorigen Jahrhundert konnte die damals grassierende Piraterie in Südasien, rund um die Strasse von Malakka, erst unterbunden werden, als die Anrainerstaaten begannen, systematisch zu kooperieren.

Schiffe sind, sofern sie nicht durch technische Vorkehren oder Söldner an Bord geschützt werden, eine leichte, aber einträgliche Beute. Solche Schutzmassnahmen sind auf Dauer enorm teuer. Ebenso Antipiraterie-Flotten. Das Geschäftsmodell Seepiraterie dürfte also auch künftig nur punktuell ausgedient haben und immer irgendwo neue Tätigkeitsfelder finden.

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