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Rumänien: Ein Dorf wehrt sich gegen einen Bergbaukonzern
Aus Echo der Zeit vom 22.11.2022. Bild: EPA/ROBERT GHEMENT
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Goldrausch in Rumänien Das Goldgräber-Dorf ist gerettet – aber ausgelaugt

Eine Schweizerin hat sich dem Kampf verschrieben, die Gegend rund ums rumänische Bergdorf Rosia Montana zu erhalten. Dort wollte ein kanadischer Konzern Gold abbauen – das Leben wäre unmöglich geworden. Nun ist das Dorf zwar Weltkulturerbe, der Konzern hat Rumänien aber auf Schadenersatz verklagt.

Schweigen wäre Gold gewesen. Hätten die Menschen in Rosia Montana geschwiegen, dann würde der kanadische Bergbaukonzern Gabriel jetzt Gold aus den rumänischen Bergen holen – die Landschaft wäre eine Grube, das Dorf weg. Hätten die Menschen hier geschwiegen, dann gäbe es die weiss getünchten Häuser nicht mehr, es würden keine Stuckatur-Engel von den Fassaden lächeln.  

Früher hat das Dorf gelebt, dann kamen die Goldgräber und bluteten es aus wie Dracula.
Autor: Stephanie Roth Schweizer Aktivistin

Aber dann kam Stephanie Roth – mit der Wucht dieser Aktivistin hatten die Goldgräber nicht gerechnet. Stephanie Roth ist Schweizerin, zog als Kind nach Österreich. Schrieb später als Journalistin über Rumänien, hörte vom Goldrausch in Rosia Montana, empörte sich, fuhr hin, wurde Aktivistin. 

Eine Frau steht vor alten Grubenwaggons.
Legende: Die Schweizerin Stephanie Roth hat geholfen, das Dorf zu retten. SRF / Sarah Nowotny

Sie sagt: «Früher hat das Dorf gelebt, dann kamen die Goldgräber und bluteten es aus wie Dracula.» Der kanadische Gabriel-Konzern kam nach der Jahrtausendwende, gab eine halbe Milliarde Franken aus in der Gegend, um das Gold holen zu dürfen. Stephanie Roth erzählt, wie der Konzern die Bäckerei und die Apotheke kaufte – um sie zu schliessen, damit die Menschen wegzögen. Wer nicht ging, bekam Geld geboten fürs Haus.  

Goldgräber seit 2000 Jahren

Ein Jeep bringt uns in die Berge, aus denen die Menschen schon seit über 2000 Jahren Gold herauspressen. Stephanie Roth sagt, er sei wie ein Schweizer Käse, voller Löcher. Auch für Archäologie gab der kanadische Bergbaukonzern Geld aus, das war eine Bedingung des rumänischen Staats. Archäologinnen, bezahlt von Gabriel, sollten das Innere des Berges erfassen, für die Nachwelt vermessen. 

Lange römische Stollen gibt es im Berg, mit dem Hammer schlugen die Römer das Gold aus dem Stein. Viel später hatte hier jede Familie eine eigene kleine Goldmine, deshalb die üppigen Fassaden im Dorf. Dann gruben die rumänischen Kommunisten nach Gold, der grosse Krater ist noch da. 

Ein Tal voller Gift

Der kanadische Bergbaukonzern aber wollte mehr, wollte vier Berggipfel sprengen, ein Nebental fluten mit giftigem Cyanid, das Gold mit dem Cyanid aus dem Stein waschen.  

Kein Platz mehr für Menschen – aber ein Ort, an dem viele die Gelegenheit zum Geldverdienen packen wollten und ihr Grundstück, ihr Haus verkauften. Kein Wunder, wurden Stephanie Roth und alle aus Rosia Montana, die die Mine verhindern wollten, angefeindet. «Ich habe Anrufe bekommen, man werde mir den Kopf abschneiden», sagt die Schweizer Aktivistin.

Ein Plakat über einer Häuserfassade
Legende: Der Bergbaukonzern Gabriel hat viele Häuser in Rosia Montana gekauft. SRF / Sarah Nowotny

Dem Bergbaukonzern nützte das Aufkaufen von Häusern aber nichts. Stephanie Roth und einige aus dem Dorf klagten immer wieder gegen Gabriel; irgendwann kam heraus, dass der Konzern bald anfangen würde zu graben, obwohl er gar nicht alle gültigen Bewilligungen hatte – die rumänische Regierung hatte ihre eigenen Gesetze missachtet, es roch nach Korruption. Jetzt demonstrierten zehntausende Menschen in ganz Rumänien gegen die Goldgräber. Schliesslich stoppen rumänische Gerichte den Konzern – und auch die Regierung wollte die Mineure nicht mehr im Land.

Eine neue Art von Goldgrube

Rosia Montana möchte heute eine andere Art Goldgrube werden: Seit letztem Jahr gehört die Gegend zum Weltkulturerbe der Vereinten Nationen, Touristen sollen kommen. Aber viele Häuser zerfallen; mehr Menschen sind weggezogen, als geblieben sind. Daniela Sicoe ist noch da, arbeitet im Dorf in einer Näherei. Wolle aus der Gegend wird hier zu schicken Pullovern – und übers Internet auf der ganzen Welt verkauft. Eine Idee, damit die Menschen bleiben. «Leider lebt das Dorf nicht mehr», sagt Daniela Sicoe, «Freundschaften und Familien sind zerbrochen.» 

Eine Frau an der Nähmaschine.
Legende: Näherin Daniela Sicoe will im Dorf bleiben. SRF / Sarah Nowotny

Auch ihre eigene. Sie und ihr Mann lebten im Haus der Schwiegermutter, wollten bleiben, die Schwiegermutter aber wollte ihr Haus verkaufen. Das Paar musste umziehen, die Familie verkrachte sich. «Ich bleibe», sagt die Näherin, «auch wenn ich 15 Kilometer weit fahren muss zur Apotheke.» 

Einen Lebensmittelladen gibt es noch in Rosia Montana, er gehört Sorin Jurcas Familie. Auch Sorin Jurca versuchte jahrelang, die Mineure loszuwerden, sagte vor Gericht aus, rieb sich auf. Er sagt, das Dorf sei müde. Aber wenigstens könne er jetzt wieder ruhig schlafen, das Etikett «Weltkulturerbe» schütze gegen Goldgräber.

Zwei Männer in einem kleinen Laden.
Legende: Sorin Jurca ist Eigentümer des Dorfladens und hat ebenfalls gegen die Goldgräber gekämpft. SRF / Sarah Nowotny

Das Etikett reicht aber nicht für viel mehr Gäste, das Dorf muss etwas daraus machen, restaurieren, Werbung schalten. Die Schweizerin Stephanie Roth will dafür Geld besorgen, auch sie bleibt in Rosia Montana. Der kanadische Bergbaukonzern Gabriel ist derweil zwar weg, schweigt aber nicht: Er hat den rumänischen Staat auf über fünf Milliarden Franken Schadenersatz verklagt. Das Urteil wird noch dieses Jahr erwartet. 

Echo der Zeit, 22.11.2022, 18 Uhr

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