Den deutschen Entwicklungsminister Gerd Müller hat die Katastrophe in Bangladesch aufgerüttelt, wo vor eineinhalb Jahren eine Textilfabrik einstürzte und mehr als 1000 Arbeiterinnen und Arbeiter zu Tode kamen. Es müsse endlich etwas geschehen im Textil-Business, verlangt er nun – der bayrische CSU-Politiker klingt dabei wie ein Drittwelt-Aktivist.
«Kinderarbeit, Zwangsarbeit, Tod durch Chemikalien: Das muss aufhören, ist nicht verhandelbar», sagt er. Mit nur einem Euro mehr für eine Jeans-Hose könnte die Näherin in Bangladesch ihrem Kind die Schule zahlen und die Kosten im Fall einer Krankheit bestreiten, so Müller.
Geiz ist nicht geil. Geiz ist dumm!
Der Entwicklungsminister hat deswegen das «Bündnis für nachhaltige Textilien» auf den Weg gebracht. Firmen sollten sich dabei freiwillig verpflichten, Textilien nur von Lieferanten zu beziehen, die sichere Arbeitsplätze, angemessene Löhne und giftfreie Rohmaterialien garantierten.
Rückzug der grossen Textilverkäufer
Das Konzept wurde mit Nichtregierungsorganisationen und Gewerkschaften aber auch mit Firmen wie C&A, Aldi, Kik, Adidas und Puma ausgearbeitet. Nur traten diese grossen Textilverkäufer dem Bündnis am Schluss dann doch nicht bei. Genauso wenig wie die Branchenverbände der Textilindustrie.
Das Geschäft mit Textilien sei enorm komplex, hiess es als Begründung. Es sei ihnen als Käufer von Fertigware gar nicht möglich, die Entstehung ihrer Produkte bis zum Beginn zurückzuverfolgen. Sie hätten keinen Einfluss auf die frühen Produktionsphasen. Hinzu kommt die Befürchtung, dass sich die Ware im Vergleich zur Konkurrenz, die da nicht mitmache, zu sehr verteuere: Wettbewerbsnachteil.
Müller droht mit Gesetz
«Unsinn!», sagt dazu der Chef des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Rainer Hoffmann, der die Initiative unterstützt. Wer, wenn nicht diese Grossunternehmen habe denn die Möglichkeit und die Macht, hier für Abhilfe zu sorgen.
Letztlich laufe es auf eine ganz einfache Formel hinaus, so der oberste deutsche Gewerkschafter: «Geiz ist nicht geil. Geiz ist dumm!» Er ist sich einig mit dem Entwicklungsminister, der nicht aufgeben will. Das Projekt stehe allen offen, so Müller. Er hoffe, dass neben einigen mittelständischen Unternehmen, die bereits mitmachen, auch die Grossen noch nachziehen werden. Wenn nicht, erwäge er allenfalls gesetzgeberische Massnahmen.