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Bilanz: Acht Jahre Obama Hope and Change?

Am 20. Januar übergibt Barack Obama die Schlüssel zum Weissen Haus seinem Nachfolger Donald Trump. Als Obama vor acht Jahren angetreten ist, waren die Erwartungen riesig – vielleicht zu gross. Denn nicht alle Versprechen vermochte der einstige Hoffnungsträger einzulösen. Die Bilanz.

  • Krankenversicherungssystem Obamacare

Eine Person studiert einen Obamacare-Flyer.
Legende: Vermutlich der grösste Erfolg von Obama: Die Einführung einer staatlichen Krankenkasse. Reuters / Archiv

Es ist vermutlich die grösste Errungenschaft Obamas. Er schaffte, was die Demokraten seit mehr als 60 Jahren versuchten: Ein Krankenkassensystem einzuführen, das fast allen Amerikanerinnen und Amerikanern ermöglicht, einen Arzt oder ein Spital zu besuchen und Medikamente gegen Krankheiten zu erhalten.

Heute sind 22 Millionen Menschen versichert, die es vorher nicht waren. Obamacare ist mehr als eine Krankenkasse. Das System hat das Gesundheitswesen auf den Kopf gestellt und weitreichende Folgen für die Gesundheitsbranche. Die Gesetzesvorlage wurde 2010 von keinem einzigen Republikaner im Kongress unterstützt. Auch in einem Teil der Bevölkerung gab und gibt es grossen Widerstand gegen das Gesetz. Es wird als staatlicher Übergriff kritisiert.

Die Tea-Party hat ihren Ursprung im Kampf gegen Obamacare. Und Obamas Nachfolger Donald Trump will das Gesetz abschaffen und mit etwas «Besserem» ersetzen – derzeit ist selbst den Republikanern im Kongress noch nicht klar, was damit gemeint ist.

  • Überwindung der Wirtschaftskrise

Als Obama sein Amt antrat, schlitterte die US-Wirtschaft in ihre grösste Krise seit der Grossen Depression in den 1930er-Jahren. Millionen von Stellen wurden gestrichen, Chaos an den Börsen, ein Häusermarkt im Elend. Gleich zu Beginn seiner Zeit lancierte er ein Wirtschaftsankurbelungsprogramm. Die meisten Republikaner fanden, es setze die falschen Prioritäten und es sei zu teuer. Es kostete 831 Milliarden Dollar.

Die Demokraten waren vom keynesianischen Programm aber überzeugt, und die meisten Experten attestieren dem Programm, dass es dazu beitrug, die Krise schneller zu beenden und die Wirtschaft und den Arbeitsmarkt wieder auf Kurs zu bringen. Auch die Rettung der Autobranche wurde mit diesem Programm finanziert. Alles in allem hat die Wirtschaft unter Obama rund elf Millionen Stellen geschaffen.

  • Einwanderungsreform

Obama hat schon in seiner ersten Amtszeit versprochen, das Einwanderungsrecht zu reformieren. In den USA hat es geschätzte elf Millionen illegal Eingewanderte. Doch wirklich angepackt hat er das Projekt erst nach seiner Wiederwahl. Im Kongress kam die Reform aber nie zum Fliegen. Deshalb entschied sich Obama dazu, Anpassungen mit Hilfe von einseitigen Anordnungen im Rahmen des bestehenden Gesetzes zu machen. Mit mässigem Erfolg.

Der oberste Gerichtshof pfiff Obama zurück und erklärte Massnahmen, die rund fünf Millionen Illegalen eine Aufenthalts- und Arbeitsbewilligung gegeben hätten, für verfassungswidrig. Interessanterweise hat Obama in seiner Amtszeit auch rund 3 Millionen Menschen, die illegal im Land waren, ausschaffen lassen, mehr als jeder Präsident vor ihm.

  • Kriege in Irak und Afghanistan

Obama trat sein Amt mit dem Versprechen an, die Kriege in Irak und in Afghanistan zu beenden. Die Amerikaner waren während seiner Präsidentschaft jedoch länger im Krieg als alle seine Vorgänger, inklusive Franklin D. Roosevelt oder Abraham Lincoln.

Zum einen hat die Art und Weise, wie Krieg geführt wird, geändert (mehr Drohnen, weniger Fusssoldaten). Der Kampf gegen den Terrorismus hat zum anderen dazu geführt, dass die USA heute in mehr Ländern militärisch aktiv sind als vor Obamas Amtsantritt.

Im Irak zog Obama die Truppen zwar bis Ende 2012 ab, doch zu früh und überhastet, sagen seine Kritiker. Das Machtvakuum habe die Terror-Organisation IS gross werden lassen. In Afghanistan ist auch heute noch eine Resttruppe von US-Soldaten stationiert.

  • Kampf gegen den Terrorismus

Obama führte den Kampf gegen den Terrorismus weiter, den Präsident George W. Bush nach den Anschlägen von 9/11 begonnen hatte. Er setzte dabei auf Geheimoperationen, gezielte Tötungen und auf Drohnen. Ein Highlight für die Amerikaner: die Ermordung von Osama-bin-Laden, dem Drahtzieher der Anschläge auf das World Trade Center.

Unter Obama konnten Anschläge im Gebiet der USA nicht ganz verhindert werden. Vor allem in der zweiten Amtszeit kam es zu zahlreichen Terrorattacken durch Einzeltäter, die sich vom IS und anderen Organisationen inspirieren liessen und an Orten wie San Bernardino oder Orlando Attacken gegen US-Bürgerinnen und Bürger ausführten.

  • Politik im Nahen Osten

Barack Obama und vor allem sein Aussenminister John Kerry bemühten sich um einen Frieden zwischen den Palästinensern und den Israeli. Wie schon andere davor scheiterten sie allerdings. Gegen heftigen Widerstand der Republikaner und mit heftigem Protest von Israels Premier Bibi Netanjahu brachte Obama ein Atom-Abkommen mit dem Iran unter Dach und Fach. Dessen Zukunft ist ungewiss – Donald Trump will es in den Schredder werfen.

Obama schaffte es nicht, Frieden für Syrien zu finden. Er suchte jahrelang nach Wegen, nicht in den Konflikt hineingezogen zu werden. Dieses Machtvakuum nutzen andere zu ihren Gunsten, insbesondere Russland.

  • Schliessen des Gefängnisses von Guantanamo

Ein weiteres Wahlversprechen Obamas. Doch der US-Kongress machte ihm einen Strich durch die Rechnung, indem er per Gesetz verbot, dass Guantanamo-Häftlinge aufs US-Festland transferiert werden. Obama sorgte dafür, dass möglichst viele der noch verbliebenen Gefangenen an Drittstaaten überwiesen wurden.

Die Population des Gefängnisses ist mit 55 Insassen auf einem Tiefstand. Experten rechnen mit weiteren Überführungen und gehen davon aus, dass am Ende von Obamas Amtszeit noch rund 40 Insassen übrig sein werden. Trump will das Gefängnis weiterführen und hat im Wahlkampf angetönt, «es mit ein paar zusätzlichen Kriminellen (bad dudes) zu füllen.»

  • Überborden der Geheimdienste

Die Welt rieb sich erstaunt die Augen, als der Whistleblower Edward Snowden die weitreichenden Schnüffelaktivitäten der US-Geheimdienste in den USA und rund um die Erde enthüllte. Barack Obama stellte sich auf die Seite der Geheimdienste, verlangte aber einen Bericht mit Massnahmen zur Verbesserung der Transparenz.

Der Kongress schränkte in der Folge die Arbeit der Geheimdienste in den USA etwas ein, was die Inland-Telefonbespitzelung angeht. Auslandspionage bleibt so wie vorher. Die E-Mail-Überwachung wurde nicht eingeschränkt. Die USA verlangen nach wie vor, dass Edward Snowden, der im Russland im Exil lebt, vor Gericht gestellt wird.

  • Verschärfung des Waffenrechts

Am 14. Dezember 2012 erschoss ein junger Mann in der Kleinstadt Newtown, Connecticut, 20 Schülerinnen und Schüler im Alter von sechs bis sieben Jahren sowie sechs Lehrpersonen. Obama nahm an der Beerdigungsfeier teil und weinte. Er lancierte den bisher grössten Effort, das Waffenrecht einzuschränken.

Rund 30‘000 Menschen kommen in den USA durch Waffengewalt jedes Jahr ums Leben (zwei Drittel davon sind Suizide). Der Kongress machte nicht mit, die Waffenlobby würgte alle weiteren Versuche erfolgreich ab. In zahlreichen Bundesstaaten wurden in den letzten Jahren die Waffenregulierungen verschärft, in anderen gelockert.

  • Gleichstellung

Unter Obamas Präsidentschaft wurden Fortschritte bei der Lohngleichheit von Mann und Frau erzielt. Vor allem aber erhielten Schwule und Lesben durch einen Entscheid des obersten Gerichtshofs das Recht zu heiraten. Ein Entscheid, der vor allem in konservativeren Regionen des Landes auf Unverständnis stiess. Noch ungeklärt sind die Rechte von Transsexuellen. Die Gerichte werden das letzte Wort haben.

  • Bekämpfung des Rassismus

Obama war der erste schwarze Präsident der USA. Ein Meilenstein auf dem Weg zu einer gleichberechtigten Gesellschaft. Den Rassismus konnte er aber nicht ausmerzen. In seiner Amtszeit kam es immer wieder zu tödlichen Attacken auf Afroamerikaner oder zu Zusammenstössen zwischen der Polizei und Afroamerikanern.

Obamas Kritiker sagen, er hätte den Rassismus und die ihm unterliegenden Probleme stärker thematisieren und angehen sollen – und nicht nur reagieren, wenn in Ferguson oder in Baltimore die schwarze Bevölkerung auf die Strasse ging und demonstrierte.

  • Klimaschutz

Unter Barack Obama machten die USA eine Kehrtwende in der Klimapolitik. Ein CO2-Emissionshandelssystem scheiterte in den ersten Jahren im Kongress, auch am Widerstand der Demokraten. In der zweiten Amtszeit betrieb Obama Klimapolitik per Dekret. Er erliess schärfere Abgasnormen für Fahrzeuge, förderte erneuerbare Energie mit Steuererleichterungen und Darlehen und legte einseitig Emissions-Höchstwerte für Kohlekraftwerke fest, was diese praktisch unrentabel macht. Sein Kohleeenergieplan ist jetzt vor den Gerichten hängig, da republikanische US-Bundesstaaten dagegen geklagt haben.

Donald Trump hat versprochen, die Kohleindustrie wiederzubeleben. Obama war ein Befürworter der umstrittenen Fracking-Technologie, mit der die USA wieder mehr Öl und Gas fördern, was ihm von Umweltschutzverbänden Kritik einbrachte.

  • Reparieren des Politsystems «Washington»

Es war die Rede seines Lebens. Am Parteitag der Demokraten 2004 in Boston redete ein junger Staats-Senator aus Illinois über die USA – und was dieses grossartige Land verbindet. Es gebe keine demokratische USA und keine republikanische USA, sondern nur eine vereinigte USA, sagte er. Als Präsident brachte er das Land aber nicht näher zusammen, eher das Gegenteil trat ein. Der Alltag im politischen Washington war durch Blockaden und Bremsmanöver geprägt, nicht durch Kompromiss. Die Demokraten sagen, die Republikaner wollten die progressive Politik Obamas von Beginn an stoppen. Tatsächlich gibt es entsprechende Aussagen. Doch Obama ging auch nie wirklich auf die Republikaner zu. Er ist kein Bill Clinton, der es verstand, mit Argumenten und Kompromissen den politischen Gegner an Bord zu holen. Obama erachtet es als sein grösstes Versagen seiner Amtszeit, dass er das Land nicht hat einen können.

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