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Das verlorene kleine Volk Ist der WWF schuld an der Misere der Baka-Pygmäen?

Der Urwald war Tausende Jahre ihr zu Hause. Jetzt leben die Baka in Elendsvierteln am Waldrand. Wie es dazu gekommen ist, weiss Johannes Dieterich, der das Pygmäen-Volk besucht hat.

SRF News: Sie haben die Baka in Kamerun vor kurzem besucht. Wie geht es dem Urwaldvolk?

Johannes Dieterich, Afrika-Korrespondent: Es ist sehr traurig zu sehen, unter welchen Bedingungen die Baka heute leben – in kleinen Lehmhütten, in denen es meistens nichts anderes als eine Strohmatte oder einen Kochtopf gibt. Viele Kinder haben aufgeblähte Bäuche und ausgebleichte Haare, alles Zeichen von Mangelernährung. Unter Jugendlichen kursiert billiges Schmerzmittel als Droge.

Es ist ein Skandal, dass die Pygmäen, die über Tausende von Jahren mit ihrer natürlichen Umwelt äusserst schonend umgegangen sind, jetzt aus ihrem Wald vertrieben werden.

Die Männer arbeiten in der Regel für die sogenannten Bilo. Das sind die Bantu-stämmigen Afrikaner, die die Baka wie Sklaven halten. Manchmal geben sie ihnen für ihre Arbeit vielleicht einen Euro am Tag, manchmal auch nur etwas zum Essen.

An den schlimmen Lebensumständen der Baka sei der WWF schuld, sagt jetzt Survival International, eine Hilfsorganisation in London. Was wirft sie ihm konkret vor?

Sie kritisiert vor allem, dass der WWF bei der Schaffung eines Nationalparks vor 25 Jahren die Baka nicht um ihre Meinung gefragt habe. Zudem würden sie immer wieder Opfer von Übergriffen der Nationalpark-Wildhüter.

Survival International wirft dem WWF vor, es gehe ihm nur um den Schutz der Tiere, und nicht um die Interessen der ursprünglichen Bevölkerung.

Survival International wirft dem WWF vor, es gehe ihm nur um den Schutz der Tiere, und nicht um die Interessen der ursprünglichen Bevölkerung. Laut der Londoner Hilfsorganisation hätte der Nationalpark gar nie eingerichtet werden dürfen.

Wie wirkt sich der Park auf die Baka aus?

Sie dürfen im Gelände zwar immer noch ihre Rituale feiern oder Kräuter sammeln, aber jagen dürfen sie dort nicht mehr. Das ist ihnen nur noch in der so genannten Pufferzone erlaubt. Die ist zwar viel grösser als der Nationalpark, aber es gibt dort kaum noch Tiere.

Vom Jagen können die Baka heute also nicht mehr leben, und das hat ihre Lebensweise radikal verändert. Sie ziehen jetzt nicht mehr als Halbnomaden durch den Wald, sondern sitzen in den trostlosen Dörfern.

Hat der WWF die Misere des kleinen Volks tatsächlich zu verantworten?

So stellt es Survival International zwar dar, aber meiner Meinung nach stimmt das nicht. Nicht der WWF hat das Problem der Baka geschaffen, sondern ausländische Holzfirmen. Sie kamen Anfang der 1970er-Jahre in die Region und bauten Wege, um Bäume fällen zu können. Sobald Wege in den Urwald führen, wird er für alle möglichen Leute zugänglich, also auch für Wilderer. Und diese jagen dort sowohl Tiere zum Essen als auch für Trophäen, wie etwa für Stosszähne.

Vom Jagen können die Baka heute nicht mehr leben, und das hat ihre Lebensweise radikal verändert.

Ist der Urwald mal erschlossen, nimmt die Wilderei meistens verheerende Ausmasse an. Die Jäger verkaufen das Fleisch im ganzen Land und der Wald wird praktisch leer geschossen. Um wenigstens noch den Rest der Tiere zu schützen, hat der WWF den Nationalpark vorgeschlagen.

Der WWF war 1992 also in einer Notlage eingeschritten?

Ja. Und so sehen es auch die meisten Baka. Sie werfen dem WWF nicht vor, dass er den Nationalpark einrichten liess, sondern dass zu wenige von ihnen Jobs bekommen. Manche werden von der Parkbehörde eingestellt, etwa als Touristenführer oder Spurensucher. Vor allem für den Umgang mit Gorillas sind sie wichtig. Diese müssen nämlich von Tag zu Tag von Menschen begleitet werden, damit sie sich an uns gewöhnen und von Forschern oder Touristen aus nächster Nähe beobachtet werden können.

Trifft den WWF also keine Schuld?

Es ist schon klar: Er müsste mehr tun, um die Baka einzubinden. Es ist ein Skandal, dass die Pygmäen über Tausende von Jahren mit ihrer natürlichen Umwelt äusserst schonend umgegangen sind und jetzt aus Teilen ihres Waldes vertrieben werden, um diesen vor anderen Leuten zu schützen.

Alle Bakas sagen, sie könnten eigentlich nur im Wald glücklich sein.

Dabei waren es die Baka, die dafür gesorgt haben, dass in ihren Wäldern heute noch Elefanten, Schimpansen und Gorillas leben. Und mit diesen Schätzen kann man jetzt auch Geld verdienen. Touristen müssen bis zu 400 Dollar zahlen, um eine Stunde mit den Gorillas zu verbringen. Und von diesen Einnahmen müssten die Pygmäen eindeutig mehr profitieren können.

Ist das alte Wissen der Baka in Vergessenheit geraten?

Die Alten wissen noch, wie das Volk früher lebte. Der WWF hat jetzt die Organisation Originations in die Region gebracht, die das Volk dabei unterstützt, seine Traditionen aufrechtzuerhalten, stolz darauf zu sein und sich nicht nur als Opfer zu sehen, deren Lebensweise durch die Moderne einfach ausradiert wird, sondern stolz auf ihre Traditionen zu sein.

So wie früher werden die Baka aber nie mehr leben können. Und das ist sehr traurig. Alle von ihnen sagen, sie könnten eigentlich nur im Wald glücklich sein.

Das Gespräch führte Hanna Jordi.

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