Die verbreiterte Wasserstrasse zwischen Atlantik und Pazifik soll eine neue Ära im maritimen Welthandel einläuten: Künftig können auch Frachter der sogenannten Postpanamax-Klasse mit bis zu 14'000 Containern den Panamakanal befahren. Bislang wurden nur Schiffe mit maximal 4400 Containern geschleust.
Im Gespräch erklärt Jan Hoffmann die Hintergründe und Folgen des Ausbaus. Hoffmann ist Chef der Sektion für Handelsförderung der Unctad und schreibt am Jahresbericht zum weltweiten Seetransport der UNO mit.
SRF News: Mit einem riesigen Aufwand wurde während neun Jahren am Panamakanal gebaut, nun ist er bereit für grössere Transportschiffe. War Panama quasi gezwungen, den Kanal zu vergrössern?
Jan Hoffmann: Die Erweiterung war nötig, vor allem weil die Containerschiffe in den letzten Jahren immer grösser wurden und nur noch ein kleiner Teil der neuen Schiffe durch den alten Kanal passte. Inzwischen werden für den Handel zwischen Asien und der US-Ostküste fast nur noch die grösseren Schiffe benutzt. Zwar fassen die allergrössten Schiffe der Welt bis zu 20'000 Container, doch diese fahren die US-Ostküste derzeit nicht an. Der erweiterte Panamakanal kommt also zur rechten Zeit, um auch die heute weit verbreiteten 14'000-Containerschiffe bedienen zu können.
Der Erweiterungsbau hat doppelt so viel gekostet, wie ursprünglich geplant war. Kann Panama dieses Geld mit dem Kanal überhaupt wieder hereinholen?
Da bin ich sehr zuversichtlich. Panama erhält ja nicht nur Geld für den Transit der Schiffe. Die allermeisten Schiffe legen auch an einem der panamaischen Häfen an und be- oder entladen Container, was dort Arbeitsplätze schafft. Auch die Importeure und Exporteure des Landes können sich künftig auf ein erweitertes Transportangebot stützen. Panama hat den Kanal ja nicht aus altruistischen Gründen für den Welthandel erweitert, oder damit China günstiger nach New York exportieren kann. Panama hat das gemacht, weil es etwas davon haben will.
Wie werden die Transitgebühren für den Kanal erhoben?
Die Durchfahrtsgebühren sind nach Art und Grösse des Schiffes sowie nach dem in Anspruch genommenen Dienst gestaffelt. Am meisten müssen Schiffe mit festen Fahrplänen bezahlen, die beispielsweise verderbliche Waren transportieren und mit der Durchfahrt nicht warten können. Weniger bezahlen jene, die auch mal warten können, wenn Andrang herrscht, weil sie etwa Eisenerz oder Erdöl geladen haben.
Die Containerschiffe werden mit Erdölprodukten betrieben – hat der derzeit tiefe Ölpreis einen Einfluss auf die Wirtschaftlichkeit des Panamakanals?
Grundsätzlich freut sich die Schifffahrtsindustrie über günstige Ölpreise. Für den Panamakanal wäre es aber besser, wenn der Erdölpreis höher wäre, weil sich dann der Umweg übers Kap Horn an der Südspitze Chiles noch weniger lohnen würde. Hinzu kommt, dass kürzlich auch der Suezkanal in Ägypten erweitert wurde. Er ist der direkte Konkurrent des Panamakanals bei den weltweiten Schiffstransporten. Am Suezkanal gibt es keine Grössenbeschränkung der Schiffe, auch 20'000-Container-Schiffe können dort durchfahren. Wenn nun das Erdöl billig ist, so ist auch die etwas längere Strecke von China an die US-Ostküste via Suezkanal nicht viel teurer. Wenn der Ölpreis höher ist, hat der Panamakanal gegenüber dem Suezkanal deshalb einen Wettbewerbsvorteil. Ich gehe davon aus, dass der Erdölpreis in den nächsten Jahren eher wieder anziehen wird.
Auch Nicaragua plant einen Kanal durch Mittelamerika. Wie ernst muss Panama diese mögliche Konkurrenz nehmen?
Auch der Bau eines Kanals durch Nicaragua dürfte – so es denn überhaupt dazu kommt – erheblich teurer werden als ursprünglich geplant. Ausserdem hätte ein solcher Kanal wegen einfliessenden Salzwassers ins Landesinnere enorme Auswirkungen auf die Urwälder und die Menschen, weshalb es grosse Widerstände dagegen gibt. Bei der Behörde des Panamakanals schmunzelt man ob der nicaraguanischen Pläne: Man könne alle Schiffe 30 Jahre lang gratis durch den Panamakanal lassen und habe dann erst so grosse Schulden, wie der Nicaragua-Kanal bei seiner Fertigstellung, heisst es dort. Tatsächlich glaube auch ich nicht, dass es sich rechnen würde, den Nicaragua-Kanal tatsächlich zu bauen.
Das Interview führte Nadine Felber.