Zum Inhalt springen

Header

Audio
Russland: Umdenken aufgrund der westlichen Sanktionen?
Aus Echo der Zeit vom 04.03.2022. Bild: Keystone
abspielen. Laufzeit 6 Minuten 6 Sekunden.
Inhalt

Krieg in der Ukraine «Viele Russinnen und Russen glauben die Propaganda des Kremls»

Die harten Sanktionen sollen in Russland ein Umdenken bewirken und Präsident Putin unter Druck setzen. Tun sie das?

In der Ukraine wütet der Krieg. In Russland zeigen derweil langsam, aber sicher die Sanktionen, die der Westen verhängt hat, Wirkung. Sie sollen die russische Gesellschaft an ihrer Führung und die Führung an ihren Entscheiden zweifeln lassen.

Die russische Bevölkerung zum Umdenken bewegen konnten die gesprochenen Sanktionen bisher wohl nur bedingt, schätzt David Nauer, Ukraine- und Russlandkenner sowie ehemaliger SRF-Russlandkorrespondent.

Natürlich gebe es unterschiedliche Meinungen. Gerade liberale Kreise aus Moskau stünden zum Teil immer noch unter Schock. Manche würden sich dafür schämen, dass Russland die Ukraine überfallen hat. «Das ist aber nach meinem Eindruck eine Minderheit, vielleicht sogar eine kleine Minderheit.»

Viele Russinnen und Russen würden den Krieg rechtfertigen. «Sie sagen, Russland müsse sich wehren, weil der Westen die Ukraine gegen Russland aufgehetzt habe. Nun schlage man eben zurück.» 

Viele Russinnen und Russen glauben die Propaganda des Kremls, dass es sich hier um einen Verteidigungskrieg handelt und nicht um einen Angriff.
Autor: David Nauer SRF-Auslandredaktor

Verbreitet sei auch eine weitere Überzeugung: «Dass die russischen Truppen als Befreier in der Ukraine auftreten – und dass die ukrainische Bevölkerung geschont werde, und nur böse Extremisten bekämpft würden. Viele Russinnen und Russen glauben die Propaganda des Kremls, dass es sich hier um einen Verteidigungskrieg handelt und nicht um einen Angriff», sagt Nauer.

Das russische unkritische Geschichtsverständnis

Box aufklappen Box zuklappen

Laut David Nauer lautet die verbreitete Meinung, dass Russland noch nie jemanden angegriffen hat. Bevor Nauer Russland verlassen hat, war er in einem Militärmuseum in einer mittelgrossen Provinzstadt. Da sei auch die Niederschlagung des Prager Frühlings von 1968 dargestellt worden.

«Da hiess es, der Westen habe damals in der Tschechoslowakei die Menschen gegen die rechtmässige Regierung und auch gegen die Sowjetunion aufgehetzt. Da seien Extremisten am Werk gewesen. Weiter hiess es, ‹unser Militär› hat dann das Volk der Tschechoslowakei vom Terror dieser westlichen Extremisten befreit.»

Jetzt finde er genau solche Argumentationen in Bezug auf die Ukraine wieder. «Das Geschichtsbild wird eins zu eins tradiert in die Gegenwart.»

Der russische Präsident Putin pflegt in diesen Tagen das Bild von einem Nazi-Regime in der Ukraine, das sein Volk unterdrücke und das es deshalb zu befreien gebe. Ein Bild, das sich mit der Realität kaum vereinen lässt. Und dennoch seien viele Russinnen und Russen resistent gegen Fakten.

So würden einige Eltern in Russland nicht einmal ihren erwachsenen Kindern glauben, wenn diese sagen, sie sitzen in Kiew im Bombenkeller. «Die Eltern sagen, es gebe keine Bomben, die auf Kiew fallen.»

Auch zu Friedenszeiten habe der ehemalige Russlandkorrespondent Ähnliches erlebt. Russen hätten ihm damals erklärt, dass es keine Ukrainer gäbe – sie seien eigentlich Russen. In der Ukraine gewesen seien sie selbst aber zuletzt vor 30 Jahren.

Propaganda, die funktioniert

«Man hat oft keine Chance mit der Realität. Die Erzählungen des Staatsfernsehens, diese Propagandadiskurse sind sehr gut gemacht. Sie knüpfen an alten Vorstellungen aus der Sowjetzeit an. Das wirkt bis heute nach», erklärt Nauer.

Die Propaganda greift. Andere Länder reagieren. Immer mehr internationale Konzerne ziehen sich wegen der Sanktionen aus Russland zurück. Der Schweizer Uhrenkonzern Swatch hat angekündigt, man werde nicht mehr nach Russland exportieren. Ähnliche Massnahmen haben Apple, Mercedes Benz oder Ikea angekündigt. 

Auf das Land kommen riesige wirtschaftliche Probleme zu.
Autor: David Nauer SRF-Auslandredaktor

Einige russische Menschen machen sich Sorgen um die Wirtschaft. Dennoch hat David Nauer den Eindruck, dass die meisten Menschen in Russland noch nicht realisiert haben, wie krass die Folgen der Sanktionen für Russland sein werden. «Es werden wahrscheinlich Millionen von Menschen ihre Jobs verlieren. Sehr viele Produkte wird es dort nicht mehr geben. Auf das Land kommen riesige wirtschaftliche Probleme zu.» 

Audio
Aus dem Archiv: Bricht der Rubel-Kurs unter westlichem Druck ein?
aus Rendez-vous vom 28.02.2022. Bild: Keystone
abspielen. Laufzeit 2 Minuten 46 Sekunden.

Ob das auch politisch etwas auslöst? «Das bezweifle ich eher», so Nauer. «Es gibt nämlich bereits jetzt eine verbreitete Ansicht, dass der Westen sowieso Sanktionen gegen Russland erlassen hätte – unabhängig davon, ob Russland Krieg macht oder nicht. Weil er Russland klein halten will.»

Putin kennt seine Russen. Er weiss, was er ihnen erzählen muss, damit sie es glauben.
Autor: David Nauer SRF-Auslandredaktor

Laut einem Soziologen sei diese Meinung tatsächlich verbreitet in Russland. «Putin kennt seine Russen, muss man sagen. Er weiss, was er ihnen erzählen muss, damit sie es glauben», sagt David Nauer.

Echo der Zeit, 04.03.2022, 18:00 Uhr;

Jederzeit top informiert!
Erhalten Sie alle News-Highlights direkt per Browser-Push und bleiben Sie immer auf dem Laufenden.
Schliessen

Jederzeit top informiert!

Erhalten Sie alle News-Highlights direkt per Browser-Push und bleiben Sie immer auf dem Laufenden. Mehr

Push-Benachrichtigungen sind kurze Hinweise auf Ihrem Bildschirm mit den wichtigsten Nachrichten - unabhängig davon, ob srf.ch gerade geöffnet ist oder nicht. Klicken Sie auf einen der Hinweise, so gelangen Sie zum entsprechenden Artikel. Sie können diese Mitteilungen jederzeit wieder deaktivieren. Weniger

Sie haben diesen Hinweis zur Aktivierung von Browser-Push-Mitteilungen bereits mehrfach ausgeblendet. Wollen Sie diesen Hinweis permanent ausblenden oder in einigen Wochen nochmals daran erinnert werden?

Meistgelesene Artikel