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«Die USA haben keine politische Strategie in Syrien»
Aus Echo der Zeit vom 09.02.2018. Bild: Keystone
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Krieg in Syrien «Die USA haben keine politische Strategie»

Die Vereinigten Staaten haben im Osten von Syrien Milizen bombardiert, die das Assad-Regime unterstützen. Dabei wurden mindestens 100 Menschen getötet. Fragen dazu an den Journalisten Daniel Gerlach.

SRF News: Was sind die Gründe für den amerikanischen Angriff?

Daniel Gerlach: Laut den amerikanischen Streitkräften ging es um einen Akt der Selbstverteidigung. Es spricht tatsächlich einiges dafür, dass das Feuer von Milizen eröffnet wurde, die auf der Seite des syrischen Regimes gegen die sogenannten Syrischen Demokratischen Kräfte kämpfen, die von den Amerikanern unterstützt werden.

Die Milizen könnten amerikanische Basen nutzlos machen, wenn sie sie umzingeln und die Amerikaner damit aus dem Spiel nehmen.

Es scheint so zu sein, dass sich amerikanisches Personal dort befunden hat, sonst hätten die USA nicht mit dieser Heftigkeit reagiert. Die Amerikaner wollen ihre Präsenz dort halten und jeder Miliz austreiben, sich dort aufzuhalten. Die Milizen könnten amerikanische Basen nutzlos machen, wenn sie sie umzingeln und die Amerikaner damit aus dem Spiel nehmen.

Daniel Gerlach

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Daniel Gerlach ist Nahost-Experte und Chefredakteur des Magazins «Zenith», das sich mit der arabisch-islamische Welt befasst.

Warum ist die Region so wichtig für die USA?

Der Angriff fand an der Euphrat-Schiene statt. Dort liegen umfangreiche Ölvorkommen. Die Interessen des syrischen Regimes, der Kurden und der Syrischen Demokratischen Kräfte laufen dort zusammen. Es ist zudem die Grenzregion zwischen Syrien und Irak. Dort spielen sich zwei Konflikte ab: Nach amerikanischer Leseart versuchen die Iraner mit ihren Verbündeten im Irak und dem syrischen Regime eine Landbrücke von Iran ans Mittelmeer zu bauen. Zudem gibt es in diesem Gebiet Stämme, die unter dem sogenannten Islamischen Staat lebten und teilweise mit ihm kooperierten. Man muss befürchten, dass diese Organisation wieder zurückkehrt.

Die USA stehen auch im Norden von Syrien in einem Konflikt – und zwar mit der Türkei. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan hat sie widerholt dazu aufgerufen, aus der Region abzuziehen. Die USA ihrerseits haben gesagt, man werde sich verteidigen, wenn es nötig ist. Um was geht es da eigentlich?

In erster Linie darum, dass die YPG, der taktische Verbündete der USA in der Region, mit der PKK, der kurdischen Arbeiterpartei verbündet ist. Die PKK wird von der Türkei als terroristische Organisation betrachtet und bekämpft. Diese Organisation hat sich im kurdischen Gebiet von Afrin festgesetzt und immer wieder versucht, die verschiedenen eroberten Gebiete der Kurden miteinander zu verbinden. Die Türkei versucht das um jeden Preis zu verhindern. Sie sagt, dass sich dort eine Terrororganisation festsetzt, die Angriffe auf türkisches Territorium vorbereiten könnte. Dem wolle man präventiv entgegenwirken.

Dass die Türkei sich auf eine direkte Konfrontation mit amerikanischen Truppen einlassen würde, denke ich nicht. Auch auf amerikanischer Seite ist es wahrscheinlich nicht erwünscht.

Ich denke allerdings nicht, dass die Türken in der Lage sind, die PKK-nahen Kräfte aus der Region zu vertreiben. Sie möchten letztendlich nur einen Korridor schaffen, den sie selbst kontrollieren und in dem sie eigene Truppen und verbündete Milizen von der einen Seite auf die andere bringen können. Dabei geraten sie mit den USA in den Konflikt. Ich denke aber, dass hinter den Kulissen Kommunikationswege offen sind und die beiden Nato-Partner USA und Türkei miteinander kommunizieren.

Dass die Türkei sich auf eine direkte Konfrontation mit amerikanischen Truppen einlassen würde, denke ich nicht. Auch auf amerikanischer Seite ist es wahrscheinlich nicht erwünscht. Man muss sich aber über eins im Klaren sein: Die Türkei hat immer wieder gewarnt, dass sie dort einrücken werde. Es war ein Einmarsch mit Ansage. Man hat gefordert, dass die kurdischen Kräfte sich zurückziehen, anderenfalls werde man angreifen. Das hat die Türkei auch im vergangenen Jahr schon gemacht, allerdings nicht so heftig wie dieses Mal.

Die Türkei und die USA sind zwei Nato-Staaten, die sich auf Konfrontationskurs zueinander begeben.

Wir haben das in der Geschichte der Nato durchaus schon erlebt – dass ein Nato-Staat aber die Amerikaner derart provoziert noch nicht. Die USA befinden jetzt sich in der Situation, dass sie überlegen müssen, ob sie mit entsprechender Härte und Gegendrohungen reagieren und damit das Bündnis mit der Türkei weiter auseinanderdriften lassen. Das würde Russland entgegenkommen und das syrische Regime zum lachenden Vierten machen.

Ohne politische Strategie läuft man in Gefahr, dass Organisationen wieder auferstehen, die ähnliche Ziele wie der sogenannte Islamische Staat verfolgen.

US-Präsident Donald Trump wollte sich eigentlich aus Syrien zurückziehen, nun startet er neue Fronten. Was steckt da dahinter?

Letztendlich hat man dem Kampf gegen den sogenannten Islamischen Staat alles geopfert. Man hat ihn als einziges Problem identifiziert. Das war ein Wahlkampfversprechen von Trump und er hat es erfüllt, auch wenn die Organisation noch nicht ganz besiegt ist. Ohne politische Strategie läuft man aber in Gefahr, dass diese oder andere Organisationen wieder auferstehen, die sich anders nennen aber ähnliche Ziele verfolgen.

Sehen Sie eine politische Strategie von Trump?

Im Moment noch nicht. Im Gegenteil: Ich sehe verschiedene Taktiken, die man anzuwenden versucht, aber überhaupt keine Strategie. Die Amerikaner haben sich vielleicht nicht politisch aber militärisch weitgehend zurückgezogen. Wenn man mit türkischen Experten spricht – auch solchen, die Erdoğan nicht verteidigen – sagen sie, wir kämpfen hier gerade ums Überleben und wir lassen uns mit jedem ein, der uns im Zweifelsfall Schaden zufügen kann. Deshalb nähern wir uns Russland an, anstatt den USA, von der man keine klare Strategie erkennen kann.

Das Gespräch führte Nicoletta Cimmino.

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