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Lärm um Friedensnobelpreis Ein heikles Signal der westlichen Atommächte

Zählen die westlichen Werte nur, solange sie den eigenen Interessen dienen? Antworten von Fredy Gsteiger, diplomatischer Korrespondent von SRF.

SRF News: Was stört die Atommächte USA, Frankreich und Grossbritannien daran, dass Ican den Friedensnobelpreis erhält?

Fredy Gsteiger: Sie stört vor allem, dass mit Ican – direkt oder indirekt – das neue UNO-Atomverbot gewürdigt wird. Es wurde dieses Jahr beschlossen und Ican war die treibende Kraft dahinter, wie übrigens auch das Internationale Komitee vom Rote Kreuz (IKRK). Schon als vor zwei Monaten bekanntgegeben wurde, dass der diesjährige Friedensnobelpreis an Ican geht, war auffallend, wie zurückhaltend die westlichen Reaktionen waren.

Normalerweise wird nach der Bekanntgabe der Auszeichnung in den meisten Hauptstädten gejubelt und gratuliert. Diesmal gab es bestenfalls schmallippige Gratulationen. Aus manchen Hauptstädten sogar demonstratives Schweigen. Es wurde kritisiert, die Preisverleihung sei naiv, denn das UNO-Abkommen weise Mängel auf – es sei utopisch. Das mag alles stimmen.

Trotzdem muss man sagen: Das Abkommen geht in die richtige Richtung. Warum sollen Atombomben legal sein, während es andere Massenvernichtungswaffen wie chemische oder biologische Waffen nicht sind? Bei Atomwaffen gilt ganz besonders: Man kann bei deren Einsatz keinen Unterschied zwischen Soldaten und Zivilisten machen. Es werden immer auch, und zwar mehrheitlich, Zivilisten getötet. Eine solche Waffe ist nach Völkerrecht illegal.

Trotzdem protestieren Frankreich, Grossbritannien und die USA. Was wollen sie damit bewirken?

Es ist ein Stück weit eine Trotzreaktion. Und zwar darauf, dass es die nicht atomar bewaffneten UNO-Mitgliedsländer gewagt haben, mehrheitlich ein Abkommen auszuhandeln und zu beschliessen, ohne dass die Atommächte dabei waren. Denn diese haben schon die Verhandlungen boykottiert. Das möchten sich die Atommächte nicht gefallen lassen. Sie haben den Anspruch, dass sie zwingend am Tisch sitzen müssen, wenn darüber diskutiert wird, Atomwaffen für illegal zu erklären.

In vielen Ländern der Welt entsteht der Eindruck, dass der Westen opportunistisch ist und auf seine eigenen Werte wie Frieden oder Abrüstung pfeift, wenn es unmittelbaren Interessen zuwiderläuft.

Sie haben sich aber natürlich selber ausgeschlossen, indem sie gar nicht mitdiskutieren wollten. Die anderen Staaten haben sich über diese Verweigerungshaltung hinweggesetzt und das Abkommen trotzdem beschlossen. Dies, weil sie empört darüber sind, dass die Atommächte in Sachen atomarer Abrüstung sehr, sehr wenig getan haben. Manche gar überhaupt nichts. Seit 47 Jahren gilt der internationale Atomwaffensperrvertrag. Darin haben sich die Atommächte eigentlich dazu verpflichtet, atomar abzurüsten – in Richtung Null.

Protest bei der Verleihung eines Friedensnobelpreises ist an sich nichts Neues. Nur kennt man das bisher eher von autoritären Regimes, von China beispielsweise. Jetzt der Protest aus den USA, Frankreich und Grossbritannien: Ist das nicht heikel?

Das ist in der Tat heikel, vor allem für das Image dieser drei Länder. Sie bestreiten natürlich, dass sie nun sozusagen in einer Reihe mit Iran, China oder anderen autoritär regierten Ländern sind. In vielen Ländern der Welt entsteht aber genau dieser Eindruck: Nämlich, dass der Westen opportunistisch ist und auf seine eigenen Werte wie Frieden oder Abrüstung pfeift, wenn es unmittelbaren Interessen zuwiderläuft.

Statt der Botschafter gehen nun niederrangige Diplomaten an die Verleihung. Muss das das Nobelpreis-Komitee überhaupt kümmern?

Man kann es natürlich so sehen, dass eine Preisverleihung eine Sache zwischen dem Stifter, der Jury einerseits und dem Preisträger andererseits ist. Sind beide zufrieden, kann man sagen, es stimmt. Fast mit jedem Preis, erst recht mit dem Friedensnobelpreis, ist der Anspruch verbunden, etwas zu bewirken und anzuschieben. Eine Breitenwirkung ist erwünscht. Deswegen dürfte man beim norwegischen Stiftungskomitee schon enttäuscht, genauso wie bei Ican, wenn wichtige Länder nicht mitziehen. Länder, von denen man gemeint hat, dass man gemeinsae Werte teilt. Es wird sicher ein Stück Bitterkeit und Frustation herrschen.

Das Gespräch führte Christina Scheidegger.

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