«Deutschländisch deutsche Ausdrücke», wie es in Österreich heisst, verdrängen zunehmend den alten liebgewordenen Sprachschatz. Diesem Niedergang will die Bildungsministerin nicht tatenlos zusehen und lässt eine Broschüre drucken. Diese soll in Schulen das «österreichisches Deutsch» als gleichberechtigte Form der deutschen Standardsprache vermitteln.
Die Angst ums österreichische Deutsch ist nicht neu. So liess Österreich schon in den 90er Jahren bei den Beitrittsverhandlungen mit der Europäischen Union 23 Begriffe in einem Zusatzprotokoll unter Schutz stellen. Die «Erdäpfel» (Kartoffeln) etwa, die «Melanzani» (Auberginen) oder den «Obers» (Rahm).
Aber auch Zusatzprotokolle können den Sprachwandel nicht aufheben. Das weiss auch das Bildungsministerium. «Schliesslich hackeln dort nicht bloss depperte Bürokraten im zweifärbigen Sakko, die statt in der Tintenburg zu amten, vom Feber bis in den Jänner im Beisel ihre Zeit bei Ribisel-Liquör oder einem Achtel Schankwein vertrödeln.»
Österreichisch ist kein Dialekt
Nein. Mit einem 64 Seiten starken Heft wollen sie die Lehrer unterstützen, den Schülern österreichisches Deutsch als eigenständige Sprache zu vermitteln: Österreichisches Deutsch sei kein Dialekt, schon gar kein Gaudi-Dialekt, wie dies Journalisten oder Kabarettisten oft darstellten.
Für die Misere ortet das Bildungsministerium zwei Ursachen. Zum einen mangle es an Selbstbewusstsein. So ergab eine Untersuchung der Universität Wien, dass mehr als die Hälfte der Lehrer deutschländisches Deutsch dem österreichischen als überlegen bewerteten. Und zum zweiten sei halt vieles, das in Filmen, Fernsehsendungen oder per Internet zu hören sei, in Deutschland produziert oder synchronisiert worden. Und da würden halt die Buben zu Jungs und die Fisolen zu Bohnen.
Mit dem neuen Lehrmittel, so die Hoffnung des Ministeriums, soll die schleichende Verdrängung österreichischer Eigenheiten und Ausdrucksweisen zumindest etwas gebremst werden.
Wiener Zeitung lobt den Mut
Die Zeitungen, die der Österreicher in der «Trafik» (Kiosk) oder beim «Greissler» (Lebensmittelhändler) gekauft gehabt hat, kommentieren die Angelegenheit kontroversiell. Während die Kleine Zeitung eine obrigkeitliche Austrifizierung der Schuljugend mittels Kritik an der Piefke-TV-Sprache als vergebliche Liebesmüh ablehnt, lobt die Wiener Zeitung den Versuch als mutigen Schritt.
Die Aussendung der ministeriellen Amtsstube ist übrigens kein «Aviso» (Ankündigung), sondern eine Ermunterung, im Wissen, dass sich jede lebende Sprache verändert. Aber das Bewusstsein soll geweckt werden. Auch Sprache will gepflegt sein. Schliesslich weiss jeder Kaffeehaus-Gast: Wenn die «Powidltascherln» (Pflaumenmus-Teigtaschen) schmecken, liegt es weniger am «Kaffeesieder» (Kaffeekocher), sondern an den «Zwetschken» (Pflaumen).
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