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«Missbrauch gab es schon im Frühmittelalter»
Aus Echo der Zeit vom 11.03.2019. Bild: Reuters
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Missbrauch in der Kirche «Der Beichtstuhl sollte den Missbrauch vorbeugen»

Die katholische Kirche steht wegen Missbrauchsvorwürfen in zahlreichen Ländern unter Druck. Doch das Problem, mit dem sie konfrontiert ist, ist nicht neu. Hinweise auf Kindesmissbrauch durchziehen die gesamte Geschichte der katholischen Kirche, wie der katholische Theologe und Kirchenhistoriker Claus Arnold erklärt.

Claus Arnold

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Der Deutsche Claus Arnold ist Theologe und Kirchenhistoriker. Seit 2014 ist er Professor an der Theologischen Fakultät der Johannes Gutenberg-Universität Mainz.

SRF News: Wie meinen Sie das, wenn Sie sagen, Kindesmissbrauch sei in der katholischen Kirche seit Jahrhunderten vorgekommen?

Claus Arnold: Der Begriff Kindesmissbrauch ist ein moderner Begriff. Doch in der Sache stand die Kirche schon seit dem Frühmittelalter vor dem Phänomen, dass Fälle von Missbrauch durch Geistliche vorgekommen sind – an Kindern, an Jugendlichen und an Frauen. Deshalb hat man schon in jener Zeit entsprechende Schutzmassnahmen ergriffen.

So durften im Frühmittelalter etwa nur ältere Mönche den Schlafsaal überwachen, in dem die dem Kloster übergebenen Knaben – die angehenden Mönche – schliefen. Auch tauchen in den Bussbüchern Strafen für Mönche auf, die «ihre Reinheit befleckt» hatten. Man weiss also mit Sicherheit, dass es zu solchen Übergriffen gekommen ist. Das Ausmass ist allerdings unklar.

Für Missbrauchsfälle im Zusammenhang mit der Beichte hat sich auch die Inquisition interessiert.

Lässt sich auch aus der Ausgestaltung der Beichtstühle etwas ableiten?

Der Beichtstuhl ist im 16. Jahrhundert wichtig geworden. Er sollte dem Missbrauch von Frauen während der Beichte vorbeugen. Nach dem Konzil von Trient hatte es immer wieder Fälle gegeben, in denen nach Fragen zum 6. Gebot – bei der Frage nach sexuellen Verfehlungen – eine sexuelle Spannung aufgebaut wurde. Damit es da nicht mehr zu Berührungen kommen konnte, wurde der Beichtstuhl konzipiert. So sollten auch Vorwürfen seitens Ehemänner begegnet werden, wenn die Frau zu oft zur Beichte ging.

Es kam aber trotzdem zu Missbrauchsfällen, die in der Situation der Beichte eingeleitet wurden. Dafür hat sich dann auch die Inquisition interessiert.

Beichtstuhl.
Legende: Der Beichtstuhl sollte mithelfen, sexuellen Übergriffen durch Priester vorzubeugen. Reuters

Die Inquisition hat also nicht nur Ketzer entlarvt?

Es geht ja hier auch um ein Sakrament, respektive um den Missbrauch des Sakraments der Beichte. Deshalb war die Inquisition auch hier zuständig. Insofern übte sie auch eine Kontrollfunktion über den Klerus aus. Die Inquisition interessierte sich aber vor allem auch für die religiöse Überhöhung von sexuellen Übergriffen – damit meine ich Fälle, wie man sie auch aus dem 20. Jahrhundert bei Sektenführern kennt.

Die Geheimhaltung von Missbrauchsfällen ist quasi eine historische Hypothek.

Das Problembewusstsein, was den Missbrauch angeht, war in der katholischen Kirche also schon früh vorhanden?

In der Tat hat man durchaus damit gerechnet, dass gewisse Ordensleute an ihrem Gelübde scheitern, dass es im sexuellen Bereich zu Übergriffen kommen kann. Entsprechend hat man versucht, dem entgegenzuwirken. Allerdings tat das die Inquisition jeweils unter strikter Geheimhaltung. Auch ihre Nachfolgebehörde, die Glaubenskongregation, hielt die Fälle geheim. Diese Praxis ist in gewisser Weise eine historische Hypothek. Erst in jüngster Zeit wurde von Kirchenvertretern dafür plädiert, dass diese Geheimhaltung aufgegeben wird.

Das Gespräch führte Simone Hulliger.

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