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«Hoffentlich nehmen sie mich»
Aus Echo der Zeit vom 04.06.2018. Bild: Veronika Meier
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Mission für echte Flüchtlinge «Hoffentlich nehmen sie mich»

Die Somalierin Nassima ist auf ihrer Odyssee in Niger gestrandet. Genügt ihre Geschichte für einen Platz in der Schweiz?

Seit Ende 2017 hat das UNO-Flüchtlingshochkommissariat (UNHCR) gegen 1200 Menschen aus Libyen ins Nachbarland Niger evakuiert. Sie gelten als besonders schutzwürdig und wurden als echte Flüchtlinge anerkannt. Die Schweiz nimmt rund 80 dieser Flüchtlinge auf. Einige sind im Rahmen dieser Umsiedlung – auch Resettlement genannt – bereits in der Schweiz.

Chance auf ein neues Leben in der Schweiz

Auf einer Auswahlmission in die Hauptstadt Niamey hat ein Team des Staatssekretariats für Migration (SEM) weitere 26 Menschen aus Eritrea und Somalia befragt. Allesamt waren sie in Libyen gestrandet, wurden ausgebeutet, misshandelt oder auch vergewaltigt. Sie sollen nun allenfalls eine Chance erhalten, sagt Meinrad Lindt, Chef der SEM-Mission und erinnert zugleich an die Dramen auf der Mittelmeerroute in Richtung Italien.

Die von der UNO anerkannten Flüchtlinge werden von den SEM-Experten erneut ausführlich befragt.
Legende: Die von der UNO anerkannten Flüchtlinge werden von den SEM-Experten ausführlich befragt. SRF/Veronika Meier

Unter den Flüchtlingen, die von der Schweizer Auswahlmission in Niamey aufgeboten wurden, ist auch die 25-jährige Nassima. Der Schweizer Nachrichtendienst hat ihr Dossier bereits geprüft, genauso wie jene der anderen 25 Kandidaten. Nassima ist seit dem frühen Morgen auf den Beinen und nervös, als sie mit ihrer Geschichte beginnt: Zweimal sei sie von ihrem ältesten Bruder zwangsverheiratet worden.

Ich mag den Namen. Schweiz.
Autor: Nassima

Ihr zweiter Mann habe sie geschlagen, mit einem Messer auf sie eingestochen, auch an intimen Stellen. Dann sei ihr jüngerer Bruder erschossen worden, der sich vor dem gewalttätigen Ehemann schützen wollte. Nassima fürchtete um ihr Leben und floh aus Somalia nach Jemen. Dort wollte sie Arbeit finden, um ihre Kinder zu Hause zu unterstützen. Aber dort sei sie entführt worden, von Schlepper zu Schlepper gereicht, durch den Sudan, den Tschad. Bis nach Libyen. Nassima ist nie zur Schule gegangen. Lesen und schreiben hat sie nicht gelernt. Von der Schweiz weiss sie nichts. Aber, so sagt sie: «Ich mag den Namen. Schweiz.»

Wie plausibel ist die Fluchtgeschichte?

Während der Befragung durch die SEM-Expertin mit Hilfe einer Dolmetscherin erzählt Nassima ihre Geschichte noch einmal, und viel ausführlicher. Wo sie geboren sei, wo und wann sie mit wem gelebt habe, wird sie gefragt, ebenso nach den Sehenswürdigkeiten ihrer Heimat. Denn auch wenn Nassimas Flüchtlingsstatus durch das SEM nicht mehr grundsätzlich in Frage gestellt wird, muss doch geklärt werden, ob sie tatsächlich aus Somalia stammt. Und ob ihre Fluchtgeschichte plausibel ist.

Nassima senkt immer wieder den Blick, erzählt vom Tod ihres Bruders, beschreibt ihre Flucht. Von Zeit zu Zeit wischt sie sich mit ihrem bunten Kopftuch Tränen aus dem Gesicht. Die Mitarbeiterin des SEM schreibt Wort für Wort auf, fragt nach, fragt nach Namen von Schleppern, von Orten, an die sie gebracht wurde. Präzise und detaillierte Fragen. Auch Nassimas Antworten sind fokussiert und präzise. Fast zu präzise?

Niger.
Legende: Ort der Hoffnung: Auf diesem Gelände des UNHCR in Niamey werden die Flüchtlinge aus Libyen befragt. SRF/Veronika Meier

«Diese Frage hat sich mir auch gestellt. Aber ich weiss nicht, wie legitim es ist, einer Person vorzuwerfen, sie wisse zuviel, sagt die Fachspezialistin des SEM später. Aber natürlich: Zweifel kann es immer geben. Und dann? «Bei gewissen Themen ist es gravierender, wenn es Diskrepanzen gibt», betont die SEM-Expertin. Bei zu offensichtlichen Ungereimtheiten werden die Fälle abgelehnt, auch im Resettlement-Verfahren.

Wichtige Informationen zur Schweiz

Die SEM-Mitarbeiterin erklärt Nassima, was sie in der Schweiz erwarten würde. Dass sie am Anfang in einem Empfangszentrum wohnen wird, in Mehrbettzimmern, ohne viel Privatsphäre. Sie erzählt, wie man in der Schweiz wohnt, dass man etwa die Waschküche teilt. «Kein Problem», sagt dazu die Somalierin.

Und sie erfährt, dass sie die Sprache lernen muss, dass Frauen in der Schweiz auch arbeiten, auch zusammen mit Männern. Es geht um Information. Und darum, ob jemand bereit ist, sich in der Schweiz zu integrieren. Nassima zeigt sich offen. Kein Problem. Sie wolle zur Schule gehen. Wer keinen Integrationswillen zeigt, kann abgelehnt werden. Nur ihr Kopftuch möchte Nassima nicht ablegen müssen.

Nach drei Stunden ist die Befragung zu Ende. Eine Frage noch. Will Nassima immer noch in die Schweiz? Ja, sagt sie: «Und ich hoffe, die Schweiz wählt mich aus.» In diesen Tagen wird sie es erfahren.

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