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International «Moderne Sklaverei ist in Indien weit verbreitet»

Kinder, Frauen und Männer werden verkauft, ausgebeutet, missbraucht. Weltweit leben fast 46 Millionen Menschen als Sklaven. Warum ein grosser Teil davon in Indien vorkommt, erklärt die ehemalige Südasien-Korrespondentin Karin Wenger.

Mindestens 45,8 Millionen Menschen leben zurzeit weltweit in modernen Formen der Sklaverei. Die Zahl liegt deutlich höher als die 2014 gezählten 35,8 Millionen, wie der «Global Slavery Index» der australischen Stiftung «Walk Free» ausweist. Mehr als ein Drittel der betroffenen Menschen leben gemäss der Studie in Indien. 18,3 Millionen Menschen wird demnach dort die Kontrolle darüber entzogen, was mit ihrem Körper passiert oder welche Art der Arbeit sie ausüben, ohne dass sie sich aus dieser Situation befreien können.

SRF News: Warum sind gerade in Indien überdurchschnittlich viele Leute gezwungen, ein Leben als moderne Sklaven zu fristen?

Karin Wenger: Einerseits ist dies, weil in Indien mehr als 1,2 Milliarden Menschen leben. Das heisst, alles hat eine gigantische Dimension, auch die Sklaverei und die Armut. Armut ist in Indien noch weit verbreitet. Wir sprechen von 270 Millionen Menschen, das ist fast ein Drittel der ganzen Bevölkerung Indiens, die unter der Armutsgrenze leben. Viele von ihnen sind sehr gefährdet, in sklavenähnlichen Verhältnissen zu arbeiten und zu leben.

Fast ein Drittel der Menschen in Indien lebt unter der Armutsgrenze

Wie und wo tritt Sklaverei häufig auf?

Karin Wenger

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Karin Wenger ist seit Frühling 2016 Südostasien-Korrespondentin von SRF in Bangkok. Sie berichtet über Indonesien, Malaysia, Philippinen, Thailand, Burma, Vietnam und weitere südostasiatische Länder. Wenger lebte zuvor sechs Jahre lang in der indischen Hauptstadt Neu Delhi. Früher berichtete sie als freie Journalistin aus dem Nahen Osten.

Da gibt es unterschiedliche Sektoren. Es gibt beispielsweise die Mädchen, die als Hausangestellte arbeiten, die sieben Tage pro Woche, rund um die Uhr, für eine Familie da sein müssen. Das gilt als Sklaverei und ist sehr verbreitet in Indien. Andere verschulden sich, zum Beispiel, weil sie krank werden, nehmen Geld von einem Grossgrundbesitzer auf und landen dann in einem Teufelskreis von Verschuldung und Abhängigkeit. Andere arbeiten ganz normal als Fahrer, als Gärtner, als Abfallsammler oder als Hilfskraft auf einem Bauernhof. Sie haben alle gemeinsam, dass sie keine Versicherung und keine Verträge haben. Sie leben und arbeiten in diesem informellen Sektor wie die meisten Inder.

Mädchen und Frauen gelten in Indien wenig. Laufen vor allem sie Gefahr, versklavt zu werden?

Ja. Mädchen und Frauen sind sicher jene, die am meisten gefährdet sind, versklavt zu werden. Sie haben bis heute eine schwache Position, weil in Indien immer noch Knaben bevorzugt werden. Knaben kümmern sich im Alter um die Eltern. Mädchen werden oft weggegeben und gelten häufig immer noch als Bürde. Die Tradition der Mitgift ist immer noch stark verbreitet.

Indien ist eine Demokratie. Es gibt Gesetze gegen die Sklaverei. Warum ändert sich nichts?

Das Problem in Indien ist immer die Umsetzung. Das gilt auch für die Gesetze gegen die Sklaverei. Es gibt gute Gesetze, mit denen Sklaverei bekämpft werden könnte. Aber viele werden nicht umgesetzt. Das heisst auch, dass die Leute, die in Sklaven-ähnlichen Verhältnissen leben, sich nicht mal getrauen, zur Polizei zu gehen. Sie nehmen diese nicht als Beschützer wahr, sondern als Ausbeuter.

In Indien getrauen sich Menschen, die in sklavenartigen Umständen leben, nicht, zur Polizei zu gehen. Sie sehen die Polizei als Ausbeuter an.

Gibt es denn jemanden, der sich für sie einsetzt?

Audio
Fast 46 Millionen Menschen leben weltweit als Sklaven
aus Rendez-vous vom 31.05.2016. Bild: Keystone
abspielen. Laufzeit 3 Minuten 43 Sekunden.

Es gibt hunderte von NGOs in Indien, die sich für diese Menschen einsetzen. Zum Beispiel Kailash Satyarthi, ein Friedensnobelpreisträger, setzt sich seit Ende der 80er Jahre dafür ein, Kinder aus der Sklaverei zu befreien. Er schafft auch Ausbildungszentren. Aus der Ferne kann man einen Beitrag leisten, um solche Organisationen zu unterstützen.

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