Ein ehemaliger Wachmann des Konzentrationslagers Auschwitz muss sich seit Donnerstagmorgen vor Gericht verantworten. Dem heute 94-Jährigen wird Beihilfe zum Mord in mindestens 170'000 Fällen vorgeworfen.
Der Angeklagte hatte bereits zugegeben, dem SS-Totenkopfsturmbann Auschwitz angehört zu haben. Jedoch bestritt er immer seine Beteiligung an der Tötung von Menschen.
Maximal zwei Stunden Gerichtsverhandlung
Das Medieninteresse beim Prozessauftakt vor dem Landgericht Detmold in Nordrhein-Westfalen war enorm. Dutzende Journalisten und Auschwitz-Überlebende wie Angehörige fanden sich beim Gericht ein. Aus Rücksicht auf die Gesundheit des hochbetagten Mannes dauert die Verhandlung jeweils maximal zwei Stunden.
Laut Anklage soll der Ex-Nazi das sogenannte Stammlager 1 bewacht haben. Zudem soll er an der «Rampe» Selektionen der Juden bei den Deportationszügen überwacht haben – die Juden wurden im Lagerteil Birkenau meist sofort ermordet.
Der Beschuldigte habe gewusst, dass die Deportierten in Birkenau ständig «in grosser Zahl» vergast wurden, heisst es in der Anklage. Ebenso, dass im Stammlager Massenerschiessungen und Selektionen für die Gaskammern stattfanden.
Weitere Nazi-Prozesse in diesem Jahr
Nach heutiger Rechtsauffassung ist jeder, der im Lager Dienst tat, für das Funktionieren der damaligen Vernichtungsmaschinerie mitverantwortlich.
Das Landgericht Lüneburg in Niedersachsen hatte im Juli letzten Jahres den Ex-SS-Mann Oskar Grönig verurteilt, Link öffnet in einem neuen Fensterim Browser öffnen. Das damalige Urteil: Vier Jahre Haft wegen Beihilfe zum Mord in 300'000 Fällen in Auschwitz.
Für dieses Jahr sind in Deutschland noch mindestens zwei weitere Gerichtsverfahren angesetzt, bei denen es um die Verbrechen in Auschwitz geht.
Das Vernichtungslager Auschwitz
Das Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau gilt als bedeutendstes Symbol für den Holocaust der Nazis an den Juden während des Zweiten Weltkriegs. In dem westlich von Krakau (Polen) gelegenen Lager wurden über eine Million Menschen ermordet – zumeist Juden. Zudem starben dort etwa 70'000 Polen, 21'000 Sinti und Roma sowie 15'000 sowjetische Kriegsgefangene. SS-Reichsführer Heinrich Himmler hatte den Bau von Auschwitz 1940 befohlen. Nach der Wannsee-Konferenz vom 20. Januar 1942, bei der die Nationalsozialisten über die bereits beschlossene «Endlösung der Judenfrage» berieten, wurde Auschwitz-Birkenau zum zentralen Ort des Völkermordes. Am 27. Januar 1945 befreiten Soldaten der sowjetischen Roten Armee rund 7000 überlebende Gefangene. |