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«Neom» – Stadt der Zukunft Mehr als eine Fata Morgana?

Noch gibt es sie erst auf Papier. Doch die futuristische Stadt bedeutet für Saudi-Arabien die Zukunft, wie SRF-Korrespondent Fredy Gsteiger sagt.

SRF News: Was will der Kronprinz von Saudi-Arabien mit «Neom», seinem ehrgeizigen Projekt einer autonomen Stadt in der Wüste, erreichen?

Fredy Gsteiger: Er erhofft sich davon Zukunft. Saudi-Arabien braucht Alternativen zum Erdöl, in dem keine Zukunft mehr liegt. Seit gut zehn Jahren unternimmt das Land sehr viel, um vom Öl schrittweise wegzukommen. Dazu hat es fünf Wirtschaftsstädte geplant: Eine Finanzstadt wurde nördlich von Riad gebaut, am Roten Meer ist eine Touristenhochburg geplant, die sich über Dutzende kleiner Inseln hinstrecken soll, und eine Bildungsstadt wurde bereits gegründet.

Das grösste dieser Vorhaben ist «Neom». Wobei man sich darunter nicht eine Stadt, sondern eine riesige Zone vorstellen sollte. Das Projekt gehört sogenannten Vision 2030 des aktuellen Kronprinzen Mohammed bin Salman. Er will damit zweierlei. Er will neue wirtschaftliche Aktivitäten ins Land holen, und vor allem will er Arbeitsplätze für die rasch wachsende junge Bevölkerung schaffen.

Die Stadt soll 500 Milliarden Dollar kosten. Woher soll das Geld kommen?

Man würde annehmen, es käme aus Saudi-Arabien selber, denn das Land ist ja reich. Aber Saudi-Arabien zehrt schon seit Jahren an den Reserven. Daher braucht es für «Neom» sehr viel ausländisches Kapital. Ausländische Investoren lockt man an, indem man eine Art Hype kreiert – wie das Dubai bei seiner Luftfahrtdrehscheibe bereits durchaus erfolgreich geschafft hat. Das heisst, man rührt weltweit kräftig die Werbetrommel und preist das Projekt als einmalig, gigantisch und futuristisch an, um an die Mittel zu kommen, die man braucht.

Die Stadt soll ausserhalb der bestehenden Regierungsstrukturen funktionieren, ohne bürokratische Einmischung. Wie realistisch ist das?

Das wird eine grosse Herausforderung sein, denn bislang ist Saudi-Arabien sehr intransparent, umständlich – das fängt schon bei der umständlichen Visa-Vergabe an. Ob das Regime tatsächlich imstande ist, sich zu wandeln und moderner sowie flexibler zu werden, ist völlig offen, denn mehr Freiheiten bedeuten auch weniger Kontrolle. Momentan ist das dortige Regime ziemlich verunsichert, was die eigene Zukunft angeht. Doch ob man die Zügel wirklich lockern will, mit dem Risiko, dass vielleicht auch politische Opposition aufkommt, das ist derzeit noch völlig offen.

Das saudische Bildungssystem war während Jahrzehnten erbärmlich. Man hatte hauptsächlich auf Islamstudien fokussiert.

Der Grossteil der Arbeitsplätze soll mit Inländern besetzt werden. Gibt es genügend qualifizierte Arbeiter und Experten in Saudi-Arabien?

Nein, genau die gibt es nicht. Das ist eines der ganz grossen Probleme. Das saudische Bildungssystem war während Jahrzehnten erbärmlich. Man hatte hauptsächlich auf Islamstudien fokussiert. Erst vor wenigen Jahren hat man gemerkt, dass man die eigene Bevölkerung besser qualifizieren muss, um eigene Finanzexperten, Wirtschaftswissenschaftler oder Biotechnologen zu erhalten. Erste Schritte zur Verbesserung des Bildungssystems wurden bereits unternommen. Aber man muss vor allem auch die eigene Bevölkerung motivieren. Bisher waren sich viele Saudis gewohnt, dass Ausländer für sie arbeiteten, während sie es sich selbst bequem machen konnten.

Wie realistisch ist es, dass «Neom» dereinst wirklich gebaut wird?

Dafür spricht zum einen, dass es momentan in der Welt sehr viele Geldgeber gibt, die Anlagemöglichkeiten suchen. Möglicherweise können die Saudis davon profitieren. Dafür spricht auch, dass andere Grossprojekte wie jenes in Dubai gelungen sind. Dagegen sprechen aber andere Projekte in den Golfstaaten, die sich am Ende als Fata Morgana entpuppt haben: «Masdar City» in Abu Dhabi oder «The World» in Dubai, ein grosses Immobilienprojekt auf dem Meer. Entscheidend wird aber sein, ob sich Saudi-Arabien reformieren kann und so transparenter, moderner und attraktiver wird. Nur so hätte eine visionäre Stadt wie «Neom» dort überhaupt Platz und eine Chance.

Das Gespräch führte Isabelle Maissen.

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