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Kirchenstreit zwischen Serbien und Montenegro
Aus Rendez-vous vom 14.01.2020. Bild: Keystone
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Neues Religionsgesetz spaltet Die Wut der Serben auf Montenegro

Vordergründig geht es um den Besitz der serbischen Kirche in Montenegro. Wem nützt das raffiniert inszenierte Spektakel?

Angefangen hat es mit einem Religionsgesetz, das das Parlament Montenegros beschlossen hat. Dieses hat es in sich: Die Kirchen müssen nachweisen, dass sie ihre Gotteshäuser, Klöster und Ländereien rechtmässig erworben haben, sonst fallen sie an den Staat.

Die bedeutendste Religionsgemeinschaft in Montenegro, die serbisch-orthodoxe Kirche, läuft Sturm gegen das Gesetz. Angeführt von Bischof Amfilohije gingen sofort Tausende Gläubige, Mönche, Nonnen und Priester auf die Strasse. Immer wieder kommt es zu Demonstrationen. Die serbisch-orthodoxe Kirche fürchtet um ihren Besitz und damit um ihren Einfluss in Montenegro.

Die neue Unabhängigkeit seit 2006

Ihre Angst wurde ganz bewusst geschürt – nicht zuletzt von Staatspräsident Milo Ðukanović bei seinem Auftritt im Parlament. «Wissen Sie, wen dieses Gesetz stört? Es stört jene, die wissen, dass die Besitztümer nicht ihnen gehören», erklärte er und bezog sich auf die Ereignisse vor 100 Jahren.

Das Gesetz stört jene, die wissen, dass die Besitztümer nicht ihnen gehören.
Autor: Milo Ðukanović Präsident Montenegros

Bis dahin war Montenegro nämlich ein unabhängiger Staat, dann aber übernahm das serbische Königshaus die Macht. Parallel dazu schluckte die serbisch-orthodoxe Kirche die eigenständige montenegrinische orthodoxe Kirche. Jetzt ist Montenegro seit 14 Jahren wieder selbständig, und es ist wieder eine eigene montenegrinische Kirche entstanden, die Anspruch auf Kirchen und Klöster erhebt.

Die serbische Minderheit

Auch im Nachbarland Serbien hat das Religionsgesetz eine Protestwelle ausgelöst. In den Boulevard-Medien wird der Eindruck erweckt, dass die knapp 30 Prozent, die sich in Montengro als Serben betrachten, unterdrückt werden und dass die serbische Nation als Ganzes angegriffen wird.

Serbien und Montenegro. Kirchenstreit.
Legende: «Zeit für göttliche Gerechtigkeit»: Tausende demonstrierten am 8. Januar 2020 in Belgrad gegen das montenegrinische Religionsgesetz. Keystone/Archiv

In Belgrad demonstrierten Fussballfans vor der montenegrinischen Botschaft und versuchten, die Landesfahne am Gebäude in Brand zu setzen. Auch Serbiens Präsident Aleksandar Vučić wählte dramatische Worte. Es gehe um die Existenz des serbischen Volkes in Montenegro: «Die Serben in Montenegro stehen unter gewaltigem Assimilationsdruck. Es ist aber sehr wichtig, dass wir ernsthaft und verantwortungsvoll darauf reagieren.»

Es ist aber sehr wichtig, dass wir ernsthaft und verantwortungsvoll darauf reagieren.
Autor: Aleksandar Vučić Präsident Serbiens

Zwei Länder – ein Einflüsterer

Es ist typisch für Vučić, dass er mit drastischen Worten Angst verbreitet und sich dann als vernünftigen Staatsmann in Szene setzt, der den Frieden bewahren will. All dies sieht so aus, als ob die Präsidenten Serbiens und Montenegros einen ernsthaften Konflikt hätten.

Bemerkenswert ist aber, dass die beiden Staatschefs auf die Dienste des gleichen Spindoktors zurückgreifen: Vladimir Beba Popović berät sie seit Jahren. Er ist mit allen Wassern gewaschen und bekannt für raffiniert ausgeheckte Manipulationen der öffentlichen Meinung.

Bei Problemen die Nationalismus-Karte

Das alles sei ein künstlich provozierter Streit, der von den grossen Problemen der beiden Machthaber ablenken wolle, sagt der montenegrinische Oppositionspolitiker Dženan Kolić auf Youtube: «Jedes Mal, wenn ihnen die Macht zu entgleiten droht, sähen sie Zwietracht und Angst und schüren nationalistische Emotionen, damit sich die nationalen Gemeinschaften hinter ihnen versammeln.»

Jedes Mal, wenn ihnen die Macht zu entgleiten droht, sähen sie Zwietracht und schüren nationalistische Emotionen.
Autor: Dženan Kolić Oppositionspolitiker, Montenegro

Tatsächlich sahen sich sowohl Aleksandar Vučić als auch Milo Ðukanović im letzten Jahr mit Protesten gegen ihre autoritäre Herrschaft konfrontiert. Die Leute forderten ihren Rücktritt, freie Wahlen, faire Gerichte und Schluss mit der Korruption. Der Kirchenstreit kommt den beiden Machthabern also sehr gelegen.

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