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Polnisches Abtreibungsgesetz abgelehnt
Aus Tagesschau vom 06.10.2016.
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International Polen macht Kehrtwende bei geplantem Abtreibungsverbot

Polen hat eines der schärfsten Abtreibungsgesetze. Es hätte noch schärfer werden sollen. Doch dagegen hatten Frauen in vielen Städten protestiert. Mit Erfolg: Das Parlament, das von der konservativen Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit dominiert wird, hat das totale Abtreibungsverbot abgelehnt.

In Warschau gingen am Montag 30'000 schwarz gekleidete Frauen bei Wind und Wetter auf die Strasse. Im ganzen Land streikten Frauen. Sie gingen weder zur Arbeit, noch kochten sie. Viele, die zur Arbeit gingen, trugen schwarz. Und auf einmal war der Widerstand gegen das totale Abtreibungsverbot sehr sichtbar.

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Polen – Nein zu weiterer Verschärfung des Abtreibungsgesetzes
aus Rendez-vous vom 06.10.2016. Bild: Keystone
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«Die Proteste der Frauen liessen uns nachdenken und haben uns Bescheidenheit gelehrt», sagte der polnische Wissenschaftsminister. Denkstoff lieferten der regierenden Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) auch Umfragen. Über ein Viertel der Bevölkerung wünscht sich demnach keine Verschärfung, sondern eine Lockerung des Abtreibungsgesetzes.

Eine Mehrheit ist zufrieden mit dem bestehenden Gesetz, das Abtreibungen bei einer schweren Missbildung des Fötus oder nach einer Vergewaltigung erlaubt. Nur eine sehr kleine Minderheit ist dafür, eine Abtreibung auch in diesen Fällen nicht nur zu verbieten, sondern sogar für Frauen und Ärzte, die Abtreibungen vornehmen, mit bis zu fünf Jahren Gefängnis zu bestrafen. Am Mittwoch erklärten sogar polnische Bischöfe, sie seien dagegen, Frauen, die abgetrieben hätten, zu bestrafen.

Frauen mit Plakten wie "My Body - my Choice" und "No" protestieren in Brüssel (3. Oktober)
Legende: Der Protest wirkt: Auch in Brüssel demonstrierten am Montag die Menschen gegen das Abtreibungsverbot in Polen. Keystone

Kleine Gruppe ultrakonservativer Wähler

Die Partei stand also vor der Wahl, eine grosse Mehrheit der Bevölkerung vor den Kopf zu stossen, oder die eher kleine Schar ultrakatholischer und ultrakonservativer Leute zu enttäuschen, die zu ihren Stammwählern gehören.

Es war eine einfache Rechnung, zumal Parteichef Jaroslaw Kaczynskis Verhältnis zur Kirche vielleicht innig, auf jeden Fall aber taktisch ist. Und bis zu den nächsten Wahlen bleibt noch viel Zeit, den fundamentalistischen Pater Rydzyk und dessen einflussreiches Radio Maryja wieder milde zu stimmen.

Mit der Unterstützung des totalen Abtreibungsverbotes hätte sich die Regierungspartei in die Ecke der Ewiggestrigen gestellt. Stattdessen präsentiert sie sich jetzt als sensibel gegenüber gesellschaftlichen Stimmungen. In Wirklichkeit aber hat sie nur eine extreme Initiative abgelehnt. Und sie hat damit einen unangenehmen Stolperstein schnell aus dem Weg geräumt.

Kein Entgegenkommen bei Verfassungsgericht

Wenn die Partei tatsächlich Bescheidenheit lernen könnte, dann hätte sie auch längst im Streit um das von ihr gelähmte polnische Verfassungsgericht nachgegeben. Das ist ein Thema, das – obwohl weniger emotional – noch grössere Proteste ausgelöst hatte als das geplante Abtreibungsverbot. Doch da bewegt sich die Regierung nicht. Denn Verfassungsrichter könnten sie in die demokratischen Schranken verweisen, abtreibende Frauen können das nicht.

Der starke Mann Polens, Kaczynski, wird sein Land weiterhin mit aller Kraft umbauen. Sein Ziel bleibt eine weniger offene und viel nationalistischere Gesellschaft. Und seine Mittel bleiben aus rechtsstaatlicher Sicht bedenklich. Die erfreuliche Ablehnung eines radikalen Abtreibungsverbots ändert daran nichts.

Regierungspartei kündigt neuen Entwurf an

In einer eilig einberufenen Sitzung lehnte das polnische Parlament den Gesetzesentwurf einer Abtreibungsgegner-Bewegung nach zweiter Lesung ab. 352 Abgeordnete stimmten dafür, die heftig umstrittene Initiative zu verwerfen, 58 waren dagegen und 18 enthielten sich. Damit reagierte die mit absoluter Mehrheit regierende PiS-Partei, die den Entwurf zunächst unterstützt hatte, auf internationale Kritik und massive Proteste. Die Nationalkonservativen planen nun laut Medienberichten einen eigenen, weniger restriktiven Gesetzesentwurf.
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