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International Russland will sich aus der Isolation kämpfen

Russland greift auf der Seite des Assad-Regimes in den syrischen Bürgerkrieg ein. Das könnte zu einer Machtverschiebung im Nahen Osten führen, aber gemäss einem Experten kaum eine Wende im Konflikt bringen.

Fast zwei Wochen ist es her, seit Russland erstmals aktiv ins Kriegsgeschehen in Syrien eingegriffen hat. Hinter dem Einsatz stehen handfeste Interessen Moskaus, die weitreichende Auswirkungen auf die Lage im Nahen Osten haben könnten.

Gemäss dem Konfliktforscher Roland Popp der ETH-Zürich will Moskau als global bedeutende Grossmacht anerkannt werden und aus der Isolation ausbrechen, in die es in der Ukrainekrise geraten ist. Wenn sich Russland als veritable Macht in Syrien etablieren sollte, wären weitere Isolierungsversuche des Westens nicht mehr durchzuhalten, sagt Popp.

Roland Popp

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Legende: SRF

Roland Popp ist Nahost- und Sicherheitsexperte und arbeitet am Center for Security Studies (CSS) an der ETH.

Daneben bestehe das Interesse an der Zerstörung des IS als kleinster gemeinsamer Nenner mit dem Westen. Auf Seiten der Terrorgruppe würden auch Tschetschenen und andere russische Muslime kämpfen. «Moskau hat Angst vor einem Übergreifen der Radikalisierung auf seine eigenen Staatsbürger», sagt der ETH-Forscher.

Russland will aus der Isolation ausbrechen

Gemäss Wolfgang Richter, Sicherheitsexperte bei der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin, habe Russland ausserdem mit grossem Missfallen die Luftschläge der US-Militärkoalition beobachtet. Die Angriffe hätten dem IS als eigentlichem Ziel weniger geschadet als dem Assad-Regime, welches Moskau als «legale» Regierung betrachtet. Russland komme diesem nun zu Hilfe. Denn mit dem syrischen Regime hat es immer einen verlässlichen Partner, um seine politischen und wirtschaftlichen Interessen in Nahost auszubauen.

Der ETH-Forscher Popp zeigt sich überrascht über den Militäreinsatz Russlands und hält ihn für sehr gewagt. «Der jetzige Einsatz […] verfolgt tatsächliche strategische Ziele, insbesondere einen Wendepunkt im syrischen Bürgerkrieg zugunsten des Regimes.» Dessen Bodentruppen hätten bisher nur auf begrenzte Luftunterstützung zählen können, sagt Popp. Die russischen Luftstreitkräfte würden nun diese Lücke füllen – mit ungeahnten Folgen an den Fronten.

Eine Wende ist nicht wahrscheinlich

An eine grosse Wende im Krieg glaubt der Sicherheitsexperte Richter indes nicht. Mit 32 Kampfjets und dem Einsatz von Marschflugkörpern aus dem Kaspischen Meer könne Russland wenig gegen Zehntausende Oppositionskämpfer ausrichten. «Es geht eher darum, das Assad-Regime aus der Umklammerung der Rebellen zu lösen.»

Trotzdem pflegt Russland auch mit dem Iran eine enge Militär-Partnerschaft und neuerdings würden Rufe aus dem bisher westlich kontrollierten Irak nach Luftunterstützung immer lauter. «Wenn Russland auf Bitten der irakischen Regierung dort eingreifen würde, wäre eine Achse Russland-Syrien-Irak-Iran auch militärisch etabliert, welche die ohnehin schon spannungsgeladene geopolitische Spaltung des Mittleren Ostens weiter verschärfen würde.»

Der Sieg einer Partei kann nicht Ziel sein

Wolfgang Richter

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Wolfgang Richter ist Sicherheitsexperte bei der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin. Er ist ehemaliger Oberst der deutschen Bundeswehr und war langjähriger Vertreter Deutschlands in der OSZE und der UNO.

Die Konsequenzen einer solchen Entwicklung sind nur schwer abzusehen. Für Richter ist aber klar, dass es in Syrien nur zu einer Friedenslösung kommen kann, wenn sich alle beteiligten Länder auf eine Austrocknung des Konflikts einigen. Das hiesse, dass sowohl Russland als auch der Iran, die Türkei, Katar, Saudi Arabien und der Westen ihre finanzielle, materielle und militärische Unterstützung unterschiedlicher Gruppierungen stoppten. Denn: «So lange die Kriegsparteien auf Sieg setzen, weil der Konflikt von aussen befeuert wird, kann kein Frieden mit Aussicht auf Erfolg verhandelt werden», sagt Richter.

Ausserdem glaubt der Sicherheitsexperte, dass ein innersyrischer Waffenstillstand nur unter Teilnahme aller syrischer Kriegsparteien – also auch Vertretern des Assad-Regimes – erreicht werden könne. Über die künftige Struktur des Staates müssten dann die Syrer ohne Einmischung von aussen selbst entscheiden. Es sei im Interesse Moskaus, dass ein neues souveränes Syrien als wichtiger Partner bestehen bleibe. Ob Assad dann noch mit von der Partie wäre, sei allerdings fraglich. Die Opposition würde dies nie akzeptieren.

Ein Frieden werde aber nur erreichbar sein, wenn die Kriegsparteien zur Einsicht gelangten, dass der Konflikt nicht militärisch gelöst werden könne, sagt Richter. Stattdessen solle zumindest für eine Übergangsphase eine «nationale Koalition des Friedens» gebildet werden, die auf weitere Gewaltakte verzichte, allen zum Kompromiss bereiten Parteien politische Mitspracherechte erlaube und weitere Ausgrenzungen verhindere.

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