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Die Folgen der Scheinreferenden für die besetzten ukrainischen Gebiete
Aus SRF 4 News aktuell vom 28.09.2022. Bild: Keystone
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Scheinreferenden in Ukraine «Russland stürzt diese Gebiete in ein graues, tristes Loch»

Die russischen Besatzer in der Ukraine haben Zahlen zu den durchgeführten Scheinreferenden in den besetzten Gebieten veröffentlicht. Sie sprachen dabei von einer angeblich überwältigend hohen Zustimmung der Bevölkerung für eine Angliederung an Russland. SRF-Auslandredaktor David Nauer über die Folgen der Scheinreferenden – auf dem Schlachtfeld und für die Menschen in den betroffenen Gebieten.

SRF News: Wie fallen die Reaktionen in den betroffenen ukrainischen Gebieten auf die Zahlen aus Russland aus?

David Nauer: Aus den Gebieten selber hat man zunächst relativ wenig gehört, bis auf einige Verlautbarungen von Russland eingesetzter Apparatschiks. Die Gebiete sind in einer Art Informationsvakuum. Moskau kontrolliert dort das Internet. Informationen gibt es aber einerseits aus Russland. Der ehemalige Präsident Dmitri Medwedew hat sich triumphierend an die betroffenen Gebiete in der Ukraine gewandt: «Willkommen zu Hause, willkommen in Russland!»

Langfristig werden die Gebiete wohl zu einer Art Niemandsland.

Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski bezeichnete das Ganze als Versuch, Land eines fremden Staates zu stehlen. Auf dem Schlachtfeld ist zu erkennen, dass die Ukrainer versuchen, diese Gebiete militärisch zurückzuerobern. Eine entsprechende Offensive läuft.

Polizist des russischen Innenministerium vor einem Abstimmungslokal in Luhansk, 27.9.2022.
Legende: Zwischen 87 und 99 Prozent in den besetzten ukrainischen Gebieten seien angeblich für einen Anschluss, vermelden die russischen Besatzer. Keystone

Russland hat die Zahlen zum Ausgang der Scheinreferenden vermutlich schlicht und einfach erfunden. Nun erachtet es die Regionen als russisches Gebiet. Was hat das für Konsequenzen für die dortige Bevölkerung?

Kurzfristig werden diese Gebiete weiter Kriegsschauplatz sein. Die Ukraine versucht sie zurückzuerobern, Russland wird sie mit allen Mitteln verteidigen, da sie künftig russisches «Staatsgebiet» sein sollen. Langfristig werden die Gebiete wohl zu einer Art Niemandsland ohne nennenswerte Investitionen, internationale Firmen und Zug- oder Flugverbindungen. Vorausgesetzt natürlich, die Annexion gelingt und die Gebiete bleiben russisch.

Durch die sich abzeichnende Annexion der ukrainischen Gebiete dürften die Spannungen leider weiter zunehmen – im schlimmsten Fall massiv.

Wegen Sanktionen werden Dinge wie Mobilfunk oder Banken kaum funktionieren. Ein weiteres Problem wird sein, dass die Menschen, die in diesen Gebieten wohnen, ihre künftigen russischen Pässe nicht verwenden können. Denn diese werden international nicht anerkannt. Russland stürzt diese Gebiete in ein graues, tristes Loch.

Nach den Scheinreferenden ist bei einer Fortsetzung der Kampfhandlungen klar: Die Ukraine würde aus Sicht des Kremls russisches Staatsgebiet angreifen. Welche Konsequenzen hätte das für den Kriegsverlauf?

Es ist zu befürchten, dass der Krieg brutaler, kompromissloser und gefährlicher wird. Russland hat durch die sogenannten Referenden eine Situation geschaffen, in der es diese Gebiete mit allen Mitteln verteidigen muss. Denn nach seiner Lesart handelt es sich um russisches Territorium. Der Kreml hat auch bereits angekündigt, dies mit allen Mitteln zu tun – bis hin zum Einsatz von Atombomben.

Zurzeit gibt es keine Anzeichen, dass der Kreml sein Nukleararsenal bereits in Stellung gebracht hätte. Die Ukrainer und auch die Amerikaner verfolgen aber genau, was die Russen machen. Sie nehmen Moskaus Drohungen durchaus ernst. Durch die sich abzeichnende Annexion der ukrainischen Gebiete dürften die Spannungen leider weiter zunehmen – im schlimmsten Fall massiv.

Das Gespräch führte Salvador Atasoy.

SRF 4 News, 28.09.2022, 8:12 Uhr;

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