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International Silvester in Köln: ein klarer Fall?

Die deutsche Politelite ereifert sich, die Überfälle am Bahnhof ‹richtig› zu deuten. Mit unterschiedlichem Resultat: Die einen entrüsten sich über einen grossangelegten Raubfeldzug, die anderen empören sich über eine in der Gruppe organisierte sexuelle Nötigung. Worin besteht der Kern des Problems?

Sechs Tage nach den Ausschreitungen in Köln ist man weit davon entfernt zu wissen, was in der Silvesternacht am Bahnhofsvorplatz geschehen ist. Diverse Betroffene geben zwar an, dass die Angreifer nordafrikanisch oder arabisch ausgesehen hätten. Doch eine eigentliche Täterschaft hat die Polizei bis jetzt noch nicht ermittelt.

Ähnlich vage der Stand in Sachen Zahl und Organisation: Von einer Masse von rund tausend Männern sprechen Zeugen, doch sollen sich gleichsam kleinere Gruppen aus der Menge gelöst haben. Und dass die Aktion geplant gewesen sei, formulierte Justizminister Heiko Maas am Mittwoch noch im Konjunktiv: «Es scheint abgesprochen gewesen zu sein.»

Roth vs. Bosbach

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Zum Beispiel die grüne Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth betonte, dass es bei den Attacken um Männergewalt gegangen sei. Wolfang Bosbach, Innenexperte der CDU-Bundestagsfraktion, konterte, dass es sich bei den Tätern offenbar um aus dem nordafrikanischen oder arabischen Raum stammende junge Menschen handle, die nicht integrationsfähig seien.

Verschiedene Ausdeutungen des Falls möglich

Doch nicht nur Täter und Plan, auch der Fall selbst muss noch näher bestimmt werden. So betont SRF-Korrespondent Adrian Arnold, dass es ganz verschiedene Interpretationen des Vorfalls gebe. «Die einen sehen zunächst Männer, die sich an Frauen vergehen. Die anderen Ausländer, die Deutsche bedrängen. Und schliesslich gibt es die, die eine soziale Unterschicht im Konflikt mit einer Mittel- und Oberschicht wähnt.»

Die Einordnung des Falls ist nun so oder anders prekär. Denn sie kann auf jeden Fall die Kontroverse um die Flüchtlingsfrage befeuern. Genau dieses Risiko streicht auch Jürgen Friedrichs, emeritierter Professor für Soziologie und Sozialpsychologie der Universität Köln, heraus.

«Die Männer, die aus dem nordafrikanischen oder arabischen Raum stammen mögen, sind sich überhaupt nicht im Klaren, dass sie Ängste geschürt haben, die viele Deutsche teilen.» Er meint: das Schreckgespenst von stehlenden, sexistischen und subversiven Flüchtlingen, die nun in Scharen nach Deutschland kommen.

Ob der Überfall nun geschlechtlicher Befriedigung, Geld, der Stiftung von Unruhe oder allem zugleich galt, wird derzeit abgeklärt. Bekannt ist: Die Kölner haben in den vergangenen Monaten Erfahrungen mit ausländischen Diebesbanden gemacht. Und Fakt ist laut SRF-Korrespondent Arnold auch, dass die Polizei in diese Richtung ermittelt.

Friedrichs: Sexuelle Übergriffe kaum nur zur Ablenkung

Gregor Timmer, Pressesprecher der Stadt Köln, erläutert das Vorgehen der sogenannten Antänzer-Szene: «Diese Männer lenken Passanten mit allen möglichen Mitteln ab. Sie fordern die Passanten etwa zu einem Tänzchen auf. Oder sie beschmieren sie mit Mayonnaise – um die Personen dann gezielt zu bestehlen.»

Dass die sexuellen Übergriffe nur zur Ablenkung geschehen seien, hält Professor Friedrichs indes für unplausibel: «Wenn Slips zerrissen werden und es gar zu einer Vergewaltigung kommt, dann hat das mit sexueller Gewalt zu tun.» In diesem Sinn erachtet er den mangelnden Respekt vor der Frau als Voraussetzung für die Taten: «Zunächst einmal ist der Vorfall eine primitive Attacke von Männern mit einem falschen Verhalten gegenüber Frauen.»

Wasser auf die Mühlen giessen nun Indizien aus dem laufenden Ermittlungsverfahren. Von den über hundert Frauen, die Anzeige erstattet haben, sollen sich inzwischen drei Viertel zu einer Verzeigung einer sexuellen Straftat getrauen.

Menschen mit anderen Sitten

Wenn sich das Delikt tatsächlich als genuin sexuelles erwiese, stellte sich wohl alsbald die Frage nach den entsprechenden Sitten der Übeltäter. Dass die Frau in muslimischen Kulturen einen anderen Status als in christlichen hat, ist laut Professor Friedrichs nicht von der Hand zu weisen.

Dass es aber Flüchtlinge waren, welche die Frauen sexuell erniedrigt und ausgebeutet hätten, hält er für unwahrscheinlich: «Ich glaube kaum, dass Flüchtlinge, die erst seit kürzerer Zeit in Heimen untergebracht sind, so gut vernetzt sind wie die Täter.»

Triftiger erscheint ihm, dass die Männer seit längerem in Deutschland leben. «Zu einem starken Selbstbewusstsein erzogen, können sie es in unserem Kulturkreis auch rasch verlieren, wenn sie nicht bekommen was sie wollen. Auch wenn das Spekulation ist, könnte diese Art einer Enttäuschung das Verhalten der Männer veranlasst haben.»

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