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EUGh fällt Urteil zur Rechtsstaatlichkeit in Polen
Aus Rendez-vous vom 15.07.2021. Bild: Keystone
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Strittige Justizreform Polen spielt mit dem Feuer

Wer in der Europäischen Union ist, muss sich an die Regeln der Union halten. Eigentlich. Das Mitgliedsland Polen hat nun aber beschlossen, sich nicht mehr daranzuhalten. Das polnische Verfassungsgericht hat entschieden, dass Teile der Verträge, die die EU zusammenhalten, der polnischen Verfassung widersprechen. Und deshalb für Polen nicht gelten, zumindest nicht bei Fragen rund ums polnische Justizsystem. Praktisch gleichzeitig hat das höchste Gericht der EU ein Urteil gefällt: Polen müsse sofort aufhören, seine Richter und Staatsanwältinnen zu gängeln.

Was sich Polen gerade fragt, das kennen wir in der Schweiz; es geht ums Schlagwort «fremde Richter» und die Frage: Wollen wir das? Das polnische Verfassungsgericht hat nun «Nein» gesagt, und unterspült damit die Europäische Union.

Anders als die Schweiz hat Polen nämlich Ja gesagt zu ausländischen Richtern; damals, als das Land der EU beigetreten ist.

Natürlich ist es nicht immer einfach, ein Gericht weit weg entscheiden zu lassen. Polen ist nicht das einzige Land, das damit hadert. Auch Gerichte in Deutschland, Dänemark, Italien und anderswo haben schon erklärt, gewisse europäische Urteile seien nicht mit dem vereinbar, was zu Hause gilt. So grundsätzlich wie Polen jetzt hat das aber noch kein Land gesagt.

Umstrittene Justizreform 

Und trotzdem ist Polen nicht Europas Wilhelm Tell, ist kein unerschrockener Kämpfer gegen erdrückende Autoritäten.

Früher gab es kaum Konflikte zwischen polnischem und europäischem Recht. Die Probleme haben erst angefangen, als die jetzige konservative Regierung begann, Richterinnen und Staatsanwälte zu kontrollieren. Jene abzusetzen, die ihr nicht passen. Jene einzusetzen, die ihr gefallen. Jene zu versetzen, die sich nicht so verhalten, wie es genehm wäre. Jenen Prozesse zu machen, die in ihren Augen falsch urteilen.

Polen akzeptiert keine fremden Richter

 Erst danach hat das Gericht der EU angefangen, immer wieder gegen Polens Umgang mit der Justiz zu urteilen – gerade heute hat es gesagt, Polen müsse sofort aufhören, Richter zu bestrafen, Richterinnen zu drohen.

Liebe EU, ihr habt kein Recht uns etwas vorzuschreiben, antwortet das polnische Verfassungsgericht. Man könnte genauso gut sagen: antwortet die polnische Regierung. Denn sie hat das Verfassungsgericht – illegal – unter ihre Kontrolle gebracht. Sein neustes Urteil ist also nichts anderes als der Versuch der Regierung, ihre Kontrolle über polnische Richterinnen und Staatsanwälte zu rechtfertigen und zu verfestigen.

Powerplay zwischen Brüssel und Warschau

Polen will sich nicht an die Grundsätze der EU halten, aber auch nicht austreten – zu gross sind die Vorteile. Das aber kann die EU nicht zulassen, sonst könnte ja jeder kommen – zum Beispiel Ungarn als Nächstes. Eigentlich müsste die EU Polen nun mit hohen Bussen bestrafen, sollte die polnische Regierung die Justiz nicht doch noch aus dem Würgegriff entlassen.  

Interessant wird sein, ob das geschieht und ob Polen dann auf die angeblich fremden Richter hört. Eher nicht: Bis jetzt hat Brüssel kaum je entschieden reagiert. Und Anfang August dürften Polens Richter noch einmal entscheiden, dass die polnische Verfassung über dem EU-Recht steht.

Sarah Nowotny

Sarah Nowotny

Osteuropa-Korrespondentin

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Sarah Nowotny ist Osteuropa-Korrespondentin für SRF. Sie lebt in der polnischen Hauptstadt Warschau. Seit 2014 ist Nowotny bei Radio SRF tätig. Zuvor arbeitete sie für die «NZZ am Sonntag» und «Der Bund».

Rendez-vous 15.07.2021 12.30 Uhr

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