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International Tweetflut nach Terror unter der Lupe

Grosse Präsenz in den sozialen Medien: Bis zu 6400 Tweets pro Minute mit dem Hashtag #jesuischarlie zählte Twitter am Abend des Anschlags auf die Redaktion des französischen Satiremagazins «Charlie Hebdo». SRF-Digitalredaktor Guido Berger analysiert das Phänomen.

SRF: Bilder von Menschen, die ein Schild mit dem Satz «Je suis Charlie» hochhalten, waren in den letzten Tagen überall zu sehen. Besonders verbreitet war der Satz in den sozialen Medien. Allein am Abend des Anschlags auf die Redaktion des französischen Satiremagazins «Charlie Hebdo» wurden gemäss Twitter France zeitweise 6400 Tweets pro Minute mit dem Hashtag #jesuischarlie gepostet. Wie ist diese Twitterlawine zu erklären?

SRF-Digitalredaktor Guido Berger: In erster Linie mit dem extremen Ereignis selbst, das viele Menschen rund um die Welt beschäftigt hat. Diese Betroffenheit schlägt sich in den sozialen Medien nieder.

Audio
SRF-Digitalredaktor Guido Berger im Gespräch
aus SRF 4 News aktuell vom 14.01.2015.
abspielen. Laufzeit 4 Minuten 53 Sekunden.

Ist die Solidarität mit den Opfern der Attentate von Paris damit auch zu einem «Social-Media-Phänomen» geworden?

Ich würde den Hashtag #jesuicharlie nicht als klassisches «Social-Media-Phänomen» beschreiben. Im Gegenteil. Es handelt sich hierbei um ein klassisches Medienthema: Medien haben in enormer Breite und über mehrere Tage über das Ereignis berichtet. Deshalb sehe ich hier eher die klassischen Medien am Anfang. Das schlug sich dann in den sozialen Medien nieder, weil es die Menschen beschäftigt hat und weil sie sich äussern wollten.

Die vielen Tweets und Facebook-Einträge wurden also nicht durch den Kanal der sozialen Medien noch befeuert?

Es gibt bestimmt Rückkoppelungseffekte. Aber diesmal schien es mir schon fast, als wäre es eine Art Routine: Ein Ereignis findet statt und es gibt einen Hashtag dazu, den dann alle zu verwenden beginnen und Bilder, die auf Facebook geteilt werden. Es ist, als wäre es schon Normalität geworden, so auf ein solches Ereignis zu reagieren, das so viele Menschen beschäftigt.

In den sozialen Medien werden die Meinungen der Menschen gehört. Diesen Eindruck haben sie zumindest.

Weshalb nutzen Menschen die sozialen Medien, um ein solches Ereignis zu verarbeiten?

Genau darum geht es: Wenn so etwas passiert, dann möchte man mit anderen darüber sprechen. Die sozialen Medien ermöglichen das in einem noch nie dagewesenen Ausmass. Der Austausch ist sehr direkt und unmittelbar. Menschen können miteinander sprechen und ihre Meinungen werden gehört. Diesen Eindruck haben sie zumindest.

Dann ist der Ausdruck des «digitalen Dorfplatzes» gar nicht so falsch?

Nein, dieser «Dorfplatz» ist sehr gross und sehr laut. Und genau darum geht es.

Zahlreiche bekannte Personen haben sich auf diesem «digitalen Dorfplatz» zu Wort gemeldet: Facebook-Gründer Mark Zuckerberg und FIFA-Präsident Sepp Blatter beispielsweise haben den Satz «Je suis Charlie» benutzt. Auch Menschen, die man auf dem «Dorfplatz» vielleicht nicht unbedingt dabei haben möchte, da sie die Pressefreiheit nicht sehr hochhalten. Taugt die verbindende Formel #jesuischarlie in diesem Zusammenhang überhaupt noch?

Wenn eine Formel von so vielen Menschen benutzt wird, dann verliert sie etwas an Aussagekraft. Es bedienen sich auch Menschen dieser Formel, die diese Meinung nicht teilen oder eine andere Vorstellung der Bedeutung der Formel haben. Es ist schwierig aussenzustehen und sich nicht zu äussern, wenn sich eine solche Welle aufbaut und sich solche Gruppen bilden. Ich kann es nachvollziehen, dass man auf einen solchen Zug aufspringt. Wenn das aber eben viele Menschen tun, dann bedeutet das auch, dass der Inhalt der Formel etwas verwässert wird.

Die Frage ist, wie nachhaltig das Ganze sein wird. Ich denke, diese Wellen kommen sehr schnell und heftig. Es ist wirklich fraglich, wie lange deren Wirkung dann anhält. Nicht wegen dieses einzelnen Ereignisses, sondern weil viele Wellen kommen, alle sehr laut sind und die Menschen nur eine beschränkte Kapazität für Aufmerksamkeit und Empathie haben.

Das Gespräch führte Andreas Lüthi.

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