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Zwangssterilisationen in Peru: Alberto Fujimori vor Gericht
Aus Rendez-vous vom 18.01.2021. Bild: Keystone
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Verbrechen an Indigenen Perus Ex-Präsident wegen Zwangsterilisationen vor Gericht

Hunderttausenden Indigenen wurde Ende der 1990er-Jahre die familiäre Zukunft genommen. Systematisch und nach Plan. Jetzt steht der damalige Präsident Perus, Alberto Fujimori, deswegen vor Gericht.

Micaela Zuniga verkauft Maisfladen auf den Strassen von Lima, der Hauptstadt Perus. Vor zwanzig Jahren sei sie als 34-Jährige gewaltsam aus ihrem Heimatdorf in den Anden verschleppt und sterilisiert worden, sagt die indigene Bäuerin. Im peruanischen Fernsehsender Canal N berichtet sie über den Tag, welcher alles verändert hat.

Ohne ihre Einwilligung hätten ihr die Ärzte ein Stück des Eileiters entfernt. «Am Schluss sagte mir die Krankenschwester, jetzt könne ich keine weiteren Kinder mehr haben. Das sei richtig so, denn ich sei zu arm, um Kinder grosszuziehen.»

Systematische Massensterilisierungen

Zuniga ist ein Opfer unter Hunderttausenden. Das Ausmass der Eingriffe wurde bereits 2002 in einem Bericht des peruanischen Gesundheitsministeriums publik. Darin steht, dass die Sterilisierungen systematisch durchgeführt worden seien. Der damalige Präsident Alberto Fujimori wollte die Armut in Peru ausmerzen, dafür sollte die Geburtenrate in den indigenen Bevölkerungsschichten gesenkt werden.

Hunderttausende Indigene betroffen

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In Peru wurden zwischen 1996 und 2000 mehr als 300'000 Peruanerinnen und Peruaner sterilisiert, die meisten ohne ihre Zustimmung. Was sich in diesen Jahren in Perus Spitälern abspielte, bezeichnen Opfervereinigungen als eines der schlimmsten Menschenrechtsverbrechen Lateinamerikas. Der damalige Präsident Alberto Fujimori nannte es «Familienplanung» beziehungsweise ein Instrument der Armutsbekämpfung. Seine Überlegung: weniger Kinder – weniger Armut. Mit der Sterilisierung begann für die Opfer eine langjährige Leidenszeit ohne Gerechtigkeit. Erst jetzt stehen die politisch Verantwortlichen von damals wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor Gericht.

Es gibt Beweise, die zeigen, dass es Quotenvorgaben für die Ärzte gab und für jede Sterilisierung eine Belohnung. Fujimori bestreitet die Vorwürfe. Noch vor sechs Jahren sah die Staatsanwaltschaft keine Beweise dafür, dass es sich um eine politische, von der Regierung angeordnete Massnahme handelte.

Erstes Verfahren eingestellt

Das Verfahren wurde 2014 eingestellt. Aber wohl nicht nur wegen mangelnden Beweisen, sondern viel mehr auch wegen des damaligen Einflusses Fujimoris auf das Justizsystem.

Weil Opfer, Menschenrechts- und Frauenorganisationen Berufung eingelegt haben, stehen die politisch Verantwortlichen wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit seit einer Woche in Peru vor Gericht.

Die Opferanwältin Maria Ysabel Cedano sagt, dem peruanischen Staat seien diese Menschen egal gewesen. Nun forderten sie ihr Recht zurück. «Die Opfer wurden in ihrem Recht verletzt, ihre Zustimmung zur Operation zu geben.» Zwar habe es Formulare gegeben, welche die Betroffenen unterschreiben sollten. «Doch viele Indigene sind Analphabeten oder sprechen nur gebrochen Spanisch. Sie haben nichts verstanden», sagt Cedano.

Unter Vorwand ins Spital gelockt

Manche Frauen und Männer wurden damals mit gratis-Haarschnitt in die Spitäler gelockt, andere wurden mit Drohungen oder gar Gewalt zum operativen Eingriff gedrängt. Einige Frauen starben an den Folgen der Operation, andere leiden noch heute unter Folgeschäden durch die psychische und physische Gewalt.

«Die Behörden haben den Menschen die Entscheidung genommen, eine Familie zu planen oder zu entscheiden, wie viele Söhne und Töchter sie wollen», sagt die Opferanwältin. Dies sei nun die erste Gelegenheit in der Justizgeschichte Perus, dass ein Richter die Opfer anhöre und die Verantwortung dieses Verbrechens gegen die Menschlichkeit beurteile.

Der Hauptangeklagte, Ex-Präsident Fujimori, erschien vor einer Woche nicht zum ersten Verhandlungstermin. Die Verteidigung gab an, dass er sich in keinem stabilen gesundheitlichen Zustand befinde. Die Opfer kämpfen nun weiter, dass der 82-Jährige vor Gericht erscheinen muss.

SRF 4 News, Rendez-vous vom 18.1.2021, 12.20 Uhr

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