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International Verwirrung um möglichen Putsch-Anführer

Wer steckt hinter der Militär-Revolte in der Türkei? Die Regierung sieht in Akin Öztürk den Anführer des Putschversuches – der Ex-Luftwaffenchef soll sogar gestanden haben. Andere Medien berichten, er bestreite das. Derweil wird das traurige Ausmass des gescheiterten Putsches immer deutlicher.

Nach einem Bericht der türkischen staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu soll Ex-Luftwaffenchef Akin Öztürk seine Beteiligung am Umsturzversuch eingeräumt haben. Er habe in seiner Aussage bei der Staatsanwaltschaft zugegeben, mit der Absicht gehandelt zu haben, einen Putsch zu verüben, meldete Anadolu.

Dem widerspricht allerdings eine Meldung des Fernsehsenders CCNTürk und des Privatsenders Habertürk. Laut dem Habertürk habe Öztürk kein Geständnis abgelegt. Öztürk habe im Gegenteil gegenüber dem Staatsanwalt gesagt, er habe versucht, den Umsturzversuch zu verhindern, meldete der Sender.

Öztürk war nach der Niederschlagung des Putsches festgenommen worden. Gegen ihn wurde Haftbefehl erlassen. Aus Regierungskreisen in Ankara war Öztürk als «der formale Anführer der Junta» bezeichnet worden. Der General gehörte bis zum Putschversuch dem Obersten Militärrat an.

Die traurige Bilanz

  • 308 Todesopfer, darunter 60 Polizisten, drei Soldaten und 145 Zivilisten
  • Inhaftierung von 7543 Personen, darunter 6038 Soldaten
  • Suspendierung von 13'000 Staatsbediensteten, darunter 2745 Justizbeamte sowie fünf Mitglieder des Hohen Rates der Richter und Staatsanwaltschaft

Der gescheiterte Putschversuch in der Türkei hat bislang mehr als 308 Todesopfer gefordert. Laut Regierungschef Binali Yildirim sind darunter 60 Polizisten, drei Soldaten und 145 Zivilisten. 208 Personen hätten den «Märtyrer-Tod» gewählt. Dazu kommen hundert getötete Putschisten, sodass sich die Opferzahl auf 308 erhöht. Zudem seien 1491 Personen verletzt worden.

Wegen mutmasslicher Verwicklungen in den versuchten Staatsstreich wurden nach Yildirims Worten 7543 Personen inhaftiert, darunter 6038 Soldaten. Derzeit würden Beamte entlassen, die Verbindungen zu der für den Putschversuch verantwortlichen terroristischen Organisation hätten.

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FOKUS: Gespräch mit Hüseyin Bagci
Aus 10 vor 10 vom 18.07.2016.
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Zudem seien mehr als 13'000 Staatsbedienstete suspendiert worden. Darunter 2745 Justizbeamte, sowie fünf Mitglieder des Hohen Rates der Richter und Staatsanwaltschaft (HSYK). Nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu fällt der grösste Teil der Suspendierungen in den Bereich der Polizei: 7899 Polizisten seien betroffen.

Ausserdem seien seit der Niederschlagung des Umsturzversuchs am Samstagmorgen 103 Admiräle und Generäle in Gewahrsam genommen worden.

Regierung bündelt Kräfte

Die Regierung hat derweil 1800 zusätzliche Spezialkräfte der Polizei in Istanbul zusammengezogen. Diese Kräfte mit gepanzerten Fahrzeugen werden an strategisch wichtigen Einrichtungen und Strassen der grössten Stadt des Landes eingesetzt.

Der Polizeichef Istanbuls, Mustafa Caliskan, hat offenbar den Befehl gegeben, unbekannte Helikopter ohne Vorwarnung abzuschiessen. Gemäss Regierungskreisen patrouillierten in der Nacht zu Montag im gesamten Luftraum der Türkei F16-Kampfflugzeuge.

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«Hier ist man sehr weit entfernt vom Alltag»
Aus Tagesschau vom 18.07.2016.
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Erdogan stachelt weiter an

SRF-Korrespondentin Ruth Bossart erklärt, Erdogan heize die Situation weiter an, obschon der Putschversuch unter Kontrolle scheine. Erdogan missbrauche die Emotionen des Volkes, um seine Gegner einzuschüchtern. «Von einer besonnenen Aufarbeitung dieses Putsches spürt man hier wenig», so Bossart.

In der Nacht zum Montag folgten erneut zahlreiche Türken den wiederholten Aufforderungen von Präsident Recep Tayyip Erdogan, sich auf den Strassen und Plätzen zu versammeln, um diese nicht möglichen weiteren Putschisten zu überlassen. Erdogan hatte schon am Sonntagabend auf Twitter geschrieben: «Aufhören gilt nicht, Weggehen gilt nicht. Wir lassen die Plätze nicht leer.»

Verteidigungsminister Fikri Isik forderte die Menschen nach Angaben des türkischen Senders NTV auf, «jede Äusserung unseres Präsidenten aufmerksam zu verfolgen und solange draussen zu bleiben, bis er sagt: Es reicht, ihr könnt wieder nach Hause gehen.» Vor Anhängern Erdogans, die sich vor dem Wohnsitz des Präsidenten in Istanbul versammelt hatten, fügte Isik hinzu: «Der Putsch wurde verhindert, doch wir können nicht sagen, dass die Gefahr vorbei ist.»

Der Putsch wurde verhindert, doch wir können nicht sagen, dass die Gefahr vorbei ist
Autor: Fikri Isik Verteidigungsminister
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FOKUS: Verhaftungswelle nach Putschversuch
Aus 10 vor 10 vom 18.07.2016.
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Westlich gekleidete Frauen bedrängt?

Bei Demonstrationen gegen den Putschversuch kam es laut Medienberichten zu Auseinandersetzungen zwischen Anhängern der Regierungspartei AKP und Minderheiten. In der zentralanatolischen Stadt Konya hätten AKP-Anhänger versucht, ein überwiegend von christlichen Aramäern bewohntes Viertel zu stürmen, berichtet die Zeitung «Cumhuriyet». Polizisten hätten das verhindert; bei Zusammenstössen seien aber fünf Aramäer verletzt worden.

Wie berichtet wird, werden in Istanbul nun westlich gekleidete Frauen drangsaliert. SRF-Korrespondentin Bossart meint, dass das gut möglich sei – insbesondere bei der aufgeheizten Stimmung der Erdogan-Anhänger. «Sie fühlen sich bestärkt in ihren Moralvorstellungen», so Bossart.

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