- «Viele Flüchtlingslager sind Konzentrationslager – wegen der Menge an Menschen darin», sagte Papst Franziskus in Rom.
- Einwanderung sei im Interesse Europas, fügte er hinzu und kritisierte die Flüchtlingspolitik der Europäischen Union scharf.
- Österreichs Bundeskanzler Kern fordert unterdessen als Lösung für die Krise die Einrichtung von Flüchtlingslagern ausserhalb der EU. Allerdings würden sich dann neue Fragen, etwa nach einem militärischen Preis stellen.
In ungewöhnlich scharfer Form hat sich Papst Franziskus am Samstag zur Lage von Aufnahmezentren für Migranten in Griechenland geäussert und sie mit Konzentrationslagern verglichen. Mit Blick auf die sogenannten «Hotspots», etwa auf der Insel Lesbos, sagte er in Rom: «Viele Flüchtlingslager sind Konzentrationslager – wegen der Menge an Menschen darin.»
Angespannte Lage
Die Lage in den griechischen Registrierzentren – die sogenannten Hotspots auf den Ägäis-Inseln – ist seit Monaten angespannt. | |
Auf den Inseln befinden sich insgesamt etwa 13'800 Flüchtlinge, die weiter nach Mitteleuropa oder zumindest zum griechischen Festland wollen. Auf dem Festland leben gut 50'000 Migranten. | |
Die Inseln, auf denen die aus der Türkei kommenden Migranten und Flüchtlinge registriert werden (Hotspots) sind Lesbos, Chios, Samos Leros und Kos. |
Ungewöhnlich emotional
Franziskus wirkte am Samstag bei einer Zeremonie zu Ehren christlicher Märtyrer der Gegenwart ungewöhnlich emotional, als er auf eine Christin zu sprechen kam, die wegen ihres Glaubens vor den Augen ihres muslimischen Ehemanns getötet worden war. Dabei stellte er den Vergleich zur Nazi-Zeit an, als er von diesem Flüchtling berichtete, dem er 2016 begegnete.
Dessen Ehefrau sei wegen ihres christlichen Glaubens vor den Augen ihres Manns getötet worden. Er habe den Mann der Toten im vergangenen Jahr beim Besuch eines Flüchtlingslagers auf der griechischen Insel Lesbos getroffen, sagte Franziskus, ohne die Herkunft des Mannes oder seiner Frau zu nennen.
Es gibt so viele, volle Konzentrationslager... weil internationale Abkommen anscheinend wichtiger sind als Menschenrechte.
Der Flüchtling habe ihm berichtet, wie seiner Frau die Kehle durchgeschnitten worden sei, als sie sich geweigert habe, ihr Kreuz abzulegen, das sie um den Hals trug. «Ich weiss nicht, was aus ihm geworden ist, ob er es aus seinem Konzentrationslager heraus geschafft hat», sagte der Papst.
An anderer Stelle während der Zeremonie in der römischen Bartholomäuskirche sprach der 80-jährige Papst von «diesen Konzentrationslagern – es gibt so viele, volle Konzentrationslager... weil internationale Abkommen anscheinend wichtiger sind als Menschenrechte».
«Das nennt sich Selbstmord»
Dabei rügte Franziskus auch grundsätzlich die Flüchtlingspolitik der Europäischen Union. Demgegenüber pries er die Grosszügigkeit von Staaten wie Griechenland und Italien, wo die meisten Migranten anlanden, und kritisierte Abkommen, die eine gleichmässige Verteilung auf alle Mitgliedsstaaten verhindern.
Einwanderung sei im Interesse Europas, fuhr er fort. Die Europäer bekämen immer weniger Kinder, schlössen aber zugleich die Türen für Migranten. «Das nennt sich Selbstmord», schlussfolgerte der Pontifex.
Auch ein militärischer Preis
Unterdessen hat Österreichs Bundeskanzler Christian Kern seine Lösung der Flüchtlingskrise zur Diskussion gestellt, die er in Lagern ausserhalb der EU sieht. «Ich denke, dass Europa und die Welt das Problem anders nicht in den Griff kriegen werden», sagte der Regierungschef der Wiener Zeitung «Presse am Sonntag».
Wenn sich Europa dazu entschliesse, müssten die Mitgliedsländer aber auch einen substanziellen Beitrag leisten. Dabei gehe es nicht nur um hohe Millionenbeträge. Strukturen aufzubauen habe einen Preis: «Einen finanziellen, aber wahrscheinlich auch einen militärischen.»
Sind wir bereit, unsere jungen Männer dorthin zu schicken – zur Verteidigung dieser Camps?
Menschenwürdige Camps ausserhalb der EU zu schaffen, würde eine Reihe neuer Fragen aufwerfen, fuhr Kern fort: «Sind wir bereit, unsere jungen Männer dorthin zu schicken – zur Verteidigung dieser Camps? Wir wissen ja, über welche Staaten wir da reden: Libyen, Senegal, Mali, auch Afghanistan.»
Österreichs Aussenminister Sebastian Kurz fordert schon lange eine restriktive Flüchtlingspolitik der geschlossenen Grenzen. Auch er spricht sich für Auffanglager für Flüchtlinge ausserhalb der EU aus. Die rot-schwarze Regierung in Wien hat erst kürzlich verschärfte Regeln für Einwanderer, etwa ein Burka-Verbot, beschlossen.