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Italiens neue Regierung Das Erfolgsgeheimnis der Populisten

Einfache Lösungen für einfache Probleme, Emotionen und ein charismatischer Kopf. Der Soziologe Dieter Rucht sagt, wie populistische Bewegungen auf Wählerfang gehen. Und: Wieso sie selten mit dem politischen Alltag zurechtkommen.

Sie sind laut, anders und geben Hoffnung. Populisten. In Italien reitet der Komiker Beppe Grillo mit seiner Bewegung Cinque Stelle auf einer Woge des Erfolgs. In Griechenland hievte Alexis Tsipras das linksradikale Syriza-Bündnis bei den Parlamentswahlen 2012 auf den zweiten Rang. In Deutschland enterten die Piraten die Schiffe der etablierten Parteien.

Audio
Gespräch mit dem Soziologen Dieter Rucht (Simone Weber)
aus SRF 4 News aktuell vom 27.02.2013.
abspielen. Laufzeit 6 Minuten 7 Sekunden.

Cinque Stelle, Syriza und die Piraten. Sind diese Parteien vergleichbar?

Dieter Rucht: Ja. Man bezeichnet sie als populistische Bewegungen. Dieser Begriff beinhaltet allgemeine Merkmale.

Was sind das konkret für Merkmale?

Sie geben sich als Repräsentanten des einfachen Volkes. Damit ist eine Abwehrhaltung gegenüber der politischen Elite verbunden. Sie haben sehr einfache Problemsichten. Und bieten einfache Lösungen an. Sie appellieren an Gefühle. Sie pflegen Ressentiments und bestärken Vorurteile. Teilweise haben sie auch charismatische Führerfiguren.

Die Bewegungen haben kein klares Parteiprogramm. Die Wähler scheinen das nicht zu brauchen.

Diese Bewegungen sagen zuerst einmal Nein zu politischen Akteuren oder Lösungen. Sie wissen relativ genau, was sie ablehnen. Was würden die Parteien besser machen? Und wie? Diese Fragen bleiben offen. Die Bewegungen lassen diese Fragen teilweise auch bewusst offen. Damit sind die Parteien eine leere Projektionsfläche. Ganz unterschiedliche Wähler können ihre Probleme auf diese Fläche projizieren. Und sie hoffen dann, dass die Partei ihre Probleme lösen wird. Dabei ignorieren die Menschen, dass andere Wähler dieser Partei andere Probleme haben und andere Lösungen wollen.

Ist es typisch für Protestbewegungen, dass sie Wähler aus ganz unterschiedlichen politischen Lagern ansprechen?

Dieter Rucht hat sich auf Protest- und Bewegungsforschung spezialisiert.
Legende: Der Soziologe: Dieter Rucht hat sich auf Protest- und Bewegungsforschung spezialisiert. zvg

Nein. Es gibt zwar populistische Parteien, die lagerübergreifend wirken. So spricht Beppe Grillo Wähler vom linken und vom rechten Rand an. Es gibt aber auch populistische Parteien, die eindeutig im linken oder rechten Spektrum verortet sind. In den letzten 10 bis 15 Jahren haben wir gesehen, dass rechtspopulistische Bewegungen in nahezu allen Ländern Europas an Boden gewonnen haben.

Können solche Protestbewegungen längerfristig Erfolg haben? Bei den Piraten in Deutschland hat es ja nicht geklappt.

Die Lebensdauer dieser Parteien ist in der Regel sehr begrenzt. Sie bekommen vor allem während einer Krise Zulauf. Wenn die Krisen überwunden sind, wird den Bewegungen das Wasser abgegraben. Oder sie ziehen so viele Wähler an, dass sie nachher in ein Parlament gewählt werden. Dort müssen sie Kompromisse eingehen; oder sie werden in Allianzen eingebunden. Wenn die Parteien im politischen Alltag angekommen sind, ist es vorbei mit der einfachen Weltsicht und den einfachen Lösungen. Das enttäuscht die Wähler.

Eine kurze Lebensdauer. Aber die Grünen sind in Deutschland auch aus einer Protestbewegung entstanden. Sie haben den Sprung zur etablierten Partei geschafft.

Die Grünen waren aber keine populistische Partei. Sie wollten nicht nur die Interessen der einfachen Leute vertreten. Sie hatten auch keinen anti-intellektuellen Grundzug. Sie haben mit dem Thema Umweltschutz und Ökologie begonnen – ein generelles Thema. Die Grünen haben es dann geschafft, andere politische Felder zu besetzen. Sie haben mit der städtischen, gut gebildeten Mittelschicht eine relativ stabile Klientel.

Wird Beppe Grillo in Italien einen Erfolgsweg wie die Grünen finden?

Das erwarte ich nicht. Wir müssen natürlich abwarten. Linke und Rechte haben Grillo gewählt. Das spricht dafür, dass sich die Wählerschichten mit der Zeit wieder auseinanderdividieren werden. Denn es gibt sehr wenige Gemeinsamkeiten zwischen rechts und links. Die plakativen Parolen mögen für den Augenblick taugen, aber nicht für das politische Tagesgeschäft.

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