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«Die Sprengkraft war viel höher als bei früheren Tests»
Aus Rendez-vous vom 04.09.2017. Bild: Reuters
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Atomkonflikt mit Nordkorea War es die H-Bombe?

Der jüngste Bombentest zeigt: Nordkorea ist technisch einen entscheidenden Schritt weiter, sagt Experte Michael Haas.

Hat Nordkorea tatsächlich eine Wasserstoffbombe (H-Bombe) gezündet, wie es behauptet?

Michael Haas: Gesichert ist heute nur, dass die Sprengkraft diesmal wesentlich höher war als bei allen bisherigen Bombentests, die Nordkorea durchgeführt hat. Diese hatten alle in etwa eine Sprengkraft von bis zu 25 Kilotonnen. Beim aktuellen Bombentest geht man von einer Sprengkraft von bis zu 300 Kilotonnen aus, wobei die Zahlen noch nicht gesichert sind. Aufgrund der seismischen Messungen können wir aber sagen, dass die Sprengkraft mindestens vier- bis fünfmal stärker war als die bisher gemessenen. Andere Interpretationen der Messungen gehen sogar von einer zwanzigmal grösseren aus.

Der Test war mindestens vier- bis fünfmal stärker als die bisher gemessenen.

Also war der Test erfolgreich?

Ja, das war er. Und er ist ein wichtiges Indiz für einen technologischen Fortschritt in Nordkorea. Unbekannt ist, ob es sich tatsächlich um eine H-Bombe handelt. Die Messdaten und deren Interpretationen gehen weit auseinander. Das macht einen grossen Unterschied – auch in der Einschätzung der Technologie, die dahinterstehen könnte.

Unbekannt ist, ob es sich tatsächlich um eine Wasserstoffbombe handelte.

Welche Möglichkeiten gäbe es noch, um eine solche Sprengkraft zu erreichen?

Um eine Sprengkraft von bis zu 300 Kilotonnen zu erreichen, gibt es verschiedene Möglichkeiten. Aufgrund der Grössenordnung des Tests müssen wir aber annehmen, dass ein Fusionsbrennstoff, der die Kernspaltung beschleunigt, im Spiel war. Theoretisch könnte man die Sprengkraft auch mit einer Spaltbombe, wie sie etwa in Hiroshima eingesetzt worden ist, erreichen. Bei einer derartigen Bombe muss man nur eine kleine Menge eines Fusionsbrennstoffs in den Waffenkern füllen, um die Sprengkraft von 300 Kilotonnen zu erreichen. Das wäre dann aber keine Wasserstoffbombe im eigentlichen Sinn.

Wie wird ein Bombentest gemessen?

Gemessen wird die Sprengkraft der Tests mit denselben Instrumenten und Methoden wie ein Erdbeben. Man kann Detonation seismologisch aufzeichnen und erhält dann einen Wert auf der Richterskala. Zudem lassen sich die radioaktiven Stoffe, die dabei in die Atmosphäre gelangen, messen. Diese Methode liefert recht sichere Aufschlüsse darüber, was in Nordkorea genau passiert ist und welche Art von Nuklearwaffe eingesetzt wurde. Die Auswertung der Daten kann aber einige Wochen dauern.
Die Erschütterung, die am Sonntag gemessen worden ist, bewegt sich je nach Messort zwischen 5,7 und 6,4 auf der Richterskala. Die berechnete Sprengkraft bewegt sich zwischen 50 und 300 Kilotonnen.

Wie glaubwürdig ist es, dass Nordkorea eine H-Bombe vollständig selbst entwickelt haben will?

Die Technologie zur Wasserstoffbombe stammt aus der Mitte des 20. Jahrhunderts. Damals gelang es mehreren Nationen, mehr oder weniger unabhängig voneinander, solche Bomben zu bauen. Insofern ist es keineswegs undenkbar, dass das auch den Nordkoreanern aus eigener Kraft gelungen ist. Man hat sie in der Vergangenheit häufig unterschätzt.

Unglaubwürdig scheint, dass Nordkorea nach einer Reihe eher bescheidener Spaltbombentests jetzt auf einmal eine ausgereifte H-Bombe haben will.

Unglaubwürdig scheint allerdings, dass Nordkorea nach einer Reihe eher bescheidener Spaltbombentests jetzt auf einmal eine ausgereifte Wasserstoffbombe haben will, die in ein kleines Gehäuse passt und militärisch einsetzbar ist. Wie wäre es möglich, in dieser Geschwindigkeit mehrere technische Hürden zu bewältigen? Die ersten Wasserstoffbomben waren nämlich schwer, das heisst nicht transportabel. Sie wurden dann erst mit der Zeit aufwendig miniaturisiert.

Was würde es bedeuten, wenn Nordkorea die H-Bombe hätte?

Zunächst wäre es ein grosser technologischer Fortschritt, der sich in der Wahrnehmung des Landes niederschlüge. Das ist wohl auch der Zweck eines solchen Tests und der Behauptung, man habe die H-Bombe. Das eigentliche Ziel der Nordkoreaner ist es, so kleine Atombomben bauen zu können, dass sie auf einer Rakete Platz haben, die sie zum Ziel bringt. Damit könnte das Land von sich behaupten, es agiere auf Augenhöhe mit den USA.

Als wichtigeres Ziel des Landes erachte ich aber, ein Gesamtsystem solcher Nuklearwaffen zu schaffen, um im Ausland glaubwürdig zu sein. Dafür sind kleinere Hybridwaffen wie Spaltbomben zunächst besser geeignet als eine echte zweistufige H-Bombe. Längerfristig will Nordkorea aber auch eine echte H-Bombe auf eine Rakete setzen können. Das ist der heutige Massstab, an dem sich eine ernstzunehmende Nuklearmacht messen lassen muss. Insofern werden die Nordkoreaner auf dieses Ziel ganz sicher weiter hinarbeiten. Früher oder später werden sie das auch erreichen.

Das Gespräch führte Brigitte Kramer.

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Politologe Michael Haas forscht am vom Center for Security Studies an der ETH Zürich zum Thema globale Sicherheit. Sein Forschungsschwerpunkt ist die Entwicklung militärischer Technologien und Lehre.

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