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Kein Tango mehr seit Monaten
Aus Tagesschau vom 23.09.2020.
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Welterbe in Gefahr Leere Tangosäle in Buenos Aires

Tango unterrichten via Internet, das hätte sich Mabel Alvarez vor einem halben Jahr nicht vorstellen können. Inzwischen ist sie daran gewöhnt, genau wie ihre Schüler. Der Laptop steht auf dem Esstisch, denn den besten Internetempfang hat die Tangolehrerin in der Küche.

«Ich habe nicht geglaubt, dass wir wirklich ein Gefühl von Nähe über einen Bildschirm herstellen könnten», sagt Alvarez. «Aber den Schülern macht es Spass. Für mich ist es etwas schwieriger. Ich muss mir 1000 pädagogische Tricks ausdenken.»

Tango auf Standby

Mitte März, einige Tage vor Beginn der offiziellen Quarantäne, ging der Tango in Buenos Aires auf Standby – nach einem gemeinsamen Beschluss vieler Veranstalter. Zu hoch war schon damals die Ansteckungsgefahr bei einem Tanz, bei dem zwei Körper zu einem verschmelzen. Seitdem sind Salons und Clubs geschlossen. Einige stehen bereits zum Verkauf.

Tango-Tänzer in leerem Tanzsaal
Legende: Julio Bassan vom Verband der Tango-Veranstalter plant schon für die Zukunft. SRF/Karen Naundorf

Zum ersten Mal seit März betritt Julio Bassan den berühmten Salón Canning. Einmal pro Woche organisierte er hier eine Milonga, einen Tangotanz-Abend, bis Corona kam. Bassan steht der «Asociación de Organizadores de Milongas» vor, dem Verband der Tango-Veranstalter. «Wir haben kein Geld, können nicht arbeiten, müssen trotzdem von irgendwas leben», sagt Bassan.

«Corona-Hilfen von der Stadtregierung gibt es nicht – und das, obwohl der Tango Unesco-Welterbe ist.» Nicht einmal einen Termin beim Kulturminister habe der Verband bisher bekommen. «Dabei sind wir doch auch ein Wirtschaftszweig: Der Tango bewegt im Jahr zwei Milliarden Dollar Devisen in Buenos Aires.» Der Vorschlag des Organisatoren-Verbands: Jetzt schon an morgen denken, Protokolle erarbeiten. «Ideen gibt es viele», sagt Bassan. «Vielleicht könnten zunächst nur Paare miteinander tanzen, die zusammen zur Milonga kommen.»

Wir haben kein Geld, können nicht arbeiten, müssen trotzdem von irgendwas leben.
Autor: Julio Bassan Verband der Tango-Veranstalter

Öffentliche Veranstaltungen sind in Buenos Aires seit Monaten verboten. Also wird improvisiert, etwa beim «Festival de Tango de Flores». «Absagen kam nicht infrage», sagt Mit-Organisator Christian Martínez. «Künstler und Publikum brauchen den Kontakt zueinander.»

Also finden die Konzerte via Streaming statt, etwa aus einer Klavier-Werkstatt, hinter einer verschlossenen Metall-Jalousie. Ein Pianist spielt Avantgarde, mit Mundschutz, zum Teil im Duo mit einem Bandoneon. Die Techniker des Festivals stehen mehrere Meter entfernt, die Kamera auf einem Stativ. «Niemand soll sich mit Corona anstecken, weil er oder sie bei unserem Festival dabei ist und dazu beiträgt, den Tango auch in der Quarantäne am Leben zu erhalten», erklärt Martínez.

Solidarität unter Tango-Tänzern

Derweil sammelt die Tänzer-Vereinigung «Trabajadores del Tango Danza», Lebensmittel-Spenden. Lucila Díaz Colodrero ist Vize-Präsidentin des Tänzer-Verbands: «Wer kann, hilft mit. Sei es beim Einkaufen, Hilfspakete packen oder beim Ausliefern.» In ihrem Wohnzimmer stapeln sich Speiseöl, Mehl, Pasta, Orangen und Kürbisse.

Frauen sammeln Lebensmittel-Spenden
Legende: Lucila Díaz Colodrero sammelt Lebensmittel-Spenden für ihre Tanz-Kollegen. SRF/Karen Naundorf

«Die Situation ist kritisch», sagt Díaz Colodrero. «Es fehlt vielen nicht nur an Essen, sondern auch an Geld für Miete, Gas oder Strom. Manche Familien, denen wir Nahrungsmittel zukommen lassen, sind zu acht.» Sie berichtet, dass viele Tänzer sich schämen, weil sie Hilfe benötigen: «Deshalb sichern wir Anonymität zu.» Die Vereinigung möchte so lange helfen, bis alle Tänzer wieder in ihrem Beruf arbeiten können.

Tagesschau, 23.09.2020, 19:30 Uhr

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