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International «Wir müssen verfolgen, wie China seine Interessen durchsetzt»

China, die zweitgrössten Volkswirtschaft der Welt, beeindruckt Europa. Mit dem Erstarken des Landes sind auch die Ängste im Westen gewachsen, vom chinesischen Drachen erdrückt zu werden. Kevin Rudd, australischer Ex-Premier und Wissenschafter, erklärt das Reich der Mitte aus seiner Sicht.

SRF News: Kevin Rudd, wann haben Sie bei Nachrichten zu China zum letzten Mal gedacht: Oh, da müssen wir aber aufpassen?

Kevin Rudd

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Der 59-jährige Politiker war zweimal Premierminister von Australien. Er studierte Sinologie, lebte als Diplomat ein paar Jahre in Peking und leitet heute den THINK TANK «Asia Society Policy Institute».

Kevin Rudd: Wir sollten nie überrascht sein, das habe ich in den Jahren über China gelernt. Dieses Land, das einst ein verarmter kommunistischer Staat war, ist heute eine dynamische Marktwirtschaft. Als diese Wandlung 1978 eingeleitet wurde, glaubte kaum einer im Westen, dass das funktionieren könnte. 35 Jahre später ist China auf dem Weg die grösste Volkswirtschaft der Welt zu werden. Ich denke, die meisten Menschen sind überrascht davon.

Im Verhältnis zu China schwankt der Westen zwischen Bewunderung und Angst. Woher kommt diese ambivalente Haltung?

Im Westen haben wir das Gefühl, immer zu wissen, was zu tun ist. Und wir denken, wir wüssten alles. Dabei gilt: Weisheit beginnt, wenn wir erkennen, was wir noch nicht wissen. Ich befasse mich seit 40 Jahren mit China und dessen Blick auf die Welt. Dabei geht im Westen häufig vergessen, dass der chinesische Blick stark nach innen gerichtet ist. Daneben muss sich China auf der Weltbühne neu zurechtfinden. Denn China war in seiner Geschichte zwar eine Grossmacht, aber nie eine Weltmacht. Die internationale Gemeinschaft muss sich deshalb auf China einlassen und klar machen, wie sie das Reich der Mitte in die bestehende Weltordnung einbinden will.

Was ist Ihrer Meinung nach das grösste Missverständnis, dem der Westen im Umgang mit China immer wieder erliegt?

Die konfuzianische Tradition lebt auch im kommunistischen Staat weiter.

Man darf nicht vergessen, dass China seit mehr als zweieinhalb Tausend Jahren über ein politisches System mit bemerkenswerter Beständigkeit verfügt, nämlich den autoritären, konfuzianischen Staat. Auch der Kommunismus der letzten Jahrzehnte hat daran nichts geändert. Die konfuzianische Tradition lebt auch im kommunistischen Staat weiter. Das müssen wir uns bewusst sein und wir sollten auch etwas Respekt vor dieser Beständigkeit haben. Wir müssen uns im alltäglichen Umgang mit den Chinesen klar und deutlich für unsere Interessen und unsere Werte einsetzen. Aber wir müssen uns bewusst sein, dass die Chinesen einer komplett anderen zivilisatorischen Tradition entstammen.

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«China ist Opfer des eigenen Erfolgs – und mächtiger denn je»
aus Echo der Zeit vom 05.10.2016. Bild: Matthias Kündig, SRF
abspielen. Laufzeit 7 Minuten 42 Sekunden.

China agiert zurückhaltend auf der politischen Weltbühne. Deng Xiao Ping prägte das Motto: Halte deine Stärke bedeckt, warte auf den richtigen Zeitpunkt und übernimm nie die Führung. Ist das heute noch gültig?

Das Axiom von Deng Xiao Ping ist sehr weise. Er entwickelte es in den 1980er-Jahren und es diente dazu, sich den Rücken für den wirtschaftlichen Aufbau des chinesischen Staates frei zu halten. Nun ist China Opfer des eigenen Erfolgs geworden und steht mächtiger da als je zuvor. Ich denke wir müssen aufmerksam verfolgen, wie China seine Interessen, zum Beispiel im südchinesischen Meer durchsetzt. In einer idealen Welt könnten wir uns auf den internationalen Gerichtshof abstützen. Aber wenn wir ehrlich zurück blicken, stellen wir fest, dass früher auch Staaten wie Grossbritannien, die USA oder Russland sich nicht an dessen Urteile gehalten haben. Wenn wir nun also auf ein verbindliches internationales Regelwerk abstützen wollen, im Umgang mit China, wäre es mehr als angezeigt, wenn die USA internationale Übereinkommen ratifizieren, oder dem Internationalen Strafgerichtshof beitreten würden.

Anders als in Europa existieren im asiatischen Raum keine starken überstaatlichen Institutionen wie die EU. Erkennen Sie darin ein Problem?

Das Europa der EU und anderer Organisationen ist, trotz all der aktuellen Schwierigkeiten, ist jeder anderen Phase der europäischen Geschichte weit überlegen. Ich sage meinen Freunden in Asien immer: Wir sollten von diesen historischen Erfahrungen Europas seit 1945 profitieren und uns danach ausrichten. Denn wir haben kaum vergleichbare panasiatische Organisationen und Institutionen. Da gibt’s APAC auf wirtschaftlicher Ebene. Aber bezüglich Sicherheit und Politik, sind die Institutionen sehr schwach. Derzeit suchen wir im Asia Society Policy Institute deshalb nach einem möglichen strategischen Rahmen, in dem eine transpazifische Gemeinschaft entstehen könnte.

Das Gespräch führte Matthias Kündig.

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