Die Scharia soll künftig in Libyen die Grundlage der gesamten Gesetzgebung bilden. Die Nationalversammlung hat am Mittwoch dafür gestimmt, das islamische Recht zur «Quelle der Gesetzgebung in Libyen» zu machen.
Sämtliche staatlichen Institutionen hätten sich daran zu halten. Ein Sonderausschuss soll alle existierenden Gesetze überprüfen, um sicherzustellen, dass sie mit dem islamischen Recht vereinbar sind.
Zugeständnis an Extremisten?
Peter Steffe ist Journalist für die ARD und derzeit in der libyschen Hauptstadt Tripolis. Er sagt, der gestrige Entscheid sei vor allem auch ein Zeichen dafür, dass die Muslimbrüder ihre Machtbasis in der Nationalversammlung ausbauen. «Der Partei Gerechtigkeit und Aufbau ist es gelungen, unabhängige Kandidaten auf ihre Seite zu ziehen.» Damit konnte sie sich gegen die gemässigte Allianz durchsetzen.
Zudem soll die Extremistengruppe Ansar al-Scharia im Vorfeld der Abstimmung eine Bedingung gestellt haben, und zwar «dass sie ihr gewaltsames Vorgehen gegen die Zentralregierung in Tripolis einstellt, wenn die Scharia als Grundlage der Gesetzgebung in der Verfassung verankert wird», erklärt Steffe gegenüber SRF.
Bis heute keine neue Verfassung
Zwei Jahre nach dem Sturz des langjährigen Machthabers Muammar Gaddafi befindet sich das Land noch immer im politischen Übergang: Eine Verfassung steht bisher nicht. Im November nahmen die Kämpfe zwischen verfeindeten Milizen und der Armee zu. Seitdem kommt es regelmässig zu tödlichen Auseinandersetzungen.