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Skandal in Italien sorgt für Image-Schaden der WHO
Aus Echo der Zeit vom 15.04.2021. Bild: Keystone
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Wurde Bericht unterdrückt? Die WHO findet nicht aus den Schlagzeilen

Die WHO beauftragte Anfang 2020 eine Gruppe von Wissenschaftlern, Italiens Reaktion auf den heftigen Corona-Ausbruch zu untersuchen. Ergebnis: Das Land war miserabel vorbereitet. Das Ergebnis: unnötig viele Tote. Der kritische Bericht gefiel in Rom nicht. Doch genau solche Überprüfungen gehören zu den Aufgaben der Weltgesundheitsorganisation, da alle aus Fehlern einzelner Länder lernen sollen.

Deshalb wurde der kritische Bericht am 13. Mai vorigen Jahres veröffentlicht, allerdings gleich wieder zurückgezogen. Dafür gesorgt hat WHO-Vize-Generaldirektor Ranieri Guerra, der – besonders pikant – vor seiner WHO-Tätigkeit verantwortlich für Prävention im italienischen Gesundheitsministerium war, also mitverantwortlich für die schlechte Vorbereitung des Landes. Ebenfalls im vergangenen Frühjahr leistete Italien einen freiwilligen Zusatzbeitrag an die WHO von zehn Millionen Dollar. Zufall?

In alleroberster Etage angekommen

Die Sache kocht nun erneut hoch. Die Zeitung «Le Temps» und der auf das internationale Genf spezialisierte Blog «Geneva Observer» zitieren eine durchgesickerte Whatsapp-Konversation von Guerra mit einem italienischen Spitzenbeamten. Darin brüstet sich Guerra, er sei hart aufgetreten gegenüber den Idioten (Red: die den Bericht verfasst haben).

Er habe sich bei den italienischen Behörden entschuldigt. Und er habe «bei Tedros erreicht, dass der Bericht zurückgezogen wird». Mit Tedros ist Tedros Ghebreyesus gemeint, der Generaldirektor der WHO.

Damit ist die Sache in der allerobersten Etage angekommen. Zumal Guerra inzwischen zwar nicht mehr WHO-Vizegeneraldirektor ist, dafür Sonderberater des Generaldirektors. Gegenüber der Nachrichtenagentur AP sagt die WHO zwar, Ghebreyesus sei ihn den abrupten Rückzug des kritischen Italien-Berichts nicht involviert gewesen. Das kann man glauben oder nicht.

Die Wogen gehen hoch

Guerra schrieb per Whatsapp auch, er hoffe, dass ein paar Köpfe rollen. Er meinte damit die Verantwortlichen für den Bericht. Dessen Hauptautor, Francesco Zambon, hat die WHO inzwischen verlassen. Isoliert. Ausgegrenzt. Frustriert.

Nun gehen die Wogen in Genf hoch. Erneut kann der WHO vorgeworfen werden, sie lasse sich von einzelnen Ländern unter Druck setzen. Im Zusammenhang mit Corona galt das vor allem für China. Weil die WHO keinesfalls Pekings Kooperation aufs Spiel setzen wollte, lobte sie dessen Corona-Politik in den höchsten Tönen.

Wohlwissend, dass China vieles verheimlicht hat und Untersuchungen behinderte. Nun der Fall Italien. Und früher, beim Ebola-Virus, erreichten afrikanische Länder, dass die WHO das Ausmass der Krise verharmloste.

Gesundheitspolitik wird politisch

Die WHO ist keine Nichtregierungsorganisation, keine NGO, sondern, wie die Uno insgesamt, eine Regierungsorganisation. Regierungseinfluss ist unvermeidlich. Wäre die Weltgesundheitsorganisation weniger abhängig von Regierungen, würde sie notgedrungen noch abhängiger von privaten Geldgebern, etwa von Bill Gates oder von Pharmafirmen.

Das ist ebenfalls problematisch. Jedenfalls wird der Fall Italien die im Mai stattfindende Weltgesundheitskonferenz befeuern, an der alle Mitgliedsländer teilnehmen.

Und die ganze Sache zeigt: internationale Gesundheitspolitik, eigentlich primär ein medizinisch-technisch-wissenschaftliches Thema, ist in den letzten Jahren hochpolitisch geworden.

Fredy Gsteiger

Fredy Gsteiger

Diplomatischer Korrespondent

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Fredy Gsteiger ist diplomatischer Korrespondent und stellvertretender Chefredaktor bei Radio SRF. Vor seiner Radiotätigkeit war er Auslandredaktor beim «St. Galler Tagblatt», Nahost-Redaktor und Paris-Korrespondent der «Zeit» sowie Chefredaktor der «Weltwoche».

Echo der Zeit, 15.4.2021, 18:00 Uhr

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