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Ausbreitung des Coronavirus Was wir wissen – und was nicht

Vieles zu Sars-CoV-2 ist noch ungewiss, auf manche Fragen gibt es aber auch klare Antworten. Wir fassen zusammen.

Wie verbreitet sich das neuartige Coronavirus?

Das Virus verteilt sich über Tröpfchen, die von einer infizierten Person ausgehustet oder ausgeniest, seltener auch ausgeatmet werden. Atmet jemand anderes die Tröpfchen und damit die Viren ein, kann dies zu einer Ansteckung führen, je nach Virenmenge und Verfassung der Person. Laut einer neuen Studie geht fast die Hälfte aller Ansteckungen von Infizierten ohne Symptome aus. Die Viren können auch indirekt zu einer neuen Person gelangen – via Oberflächen. Laut einer Studie im Fachmagazin «New England Journal of Medecine» ist selten, und in besonderen Situationen eine Ansteckung auch über sogenannte Aerosole möglich. Das Virus soll in der Luft in Form von Schwebeteilchen vorhanden sein. Jedoch geben Experten Entwarnung, dass dies noch lange keine Ansteckung beim Menschen bedeutet. Zusammenfassend: Hauptquelle für Infektionen sind winzige infektiöse Tröpfchen, die von akut Kranken ausgehen.

Jemand, der eine mit Viren belastete Oberfläche anfasst und sich dann mit der ungewaschenen Hand ins Gesicht fasst, kann sich im Prinzip so ebenfalls anstecken. Die Viren überleben auf den Oberflächen mehrere Stunden (Papier, Karton, Kupfer) bis Tage (Plastik, diverse Metalle). Wie häufig dieser Ansteckungsweg aber tatsächlich zu Infektionen führt, ist unklar.

Dem neuen Coronavirus gelingt zu Beginn meist eine starke Vermehrung im oberen Rachenbereich, anders als etwa bei der Sars-Pandemie von 2003. Eine Ansteckung geht dadurch wesentlich schneller. Ohne Massnahmen wie zur Zeit in der Schweiz gehen Forscher davon aus, dass jede infizierte Person durchschnittlich zwischen 2.4 und 3.3 Menschen ansteckt.

Diesen Wert unter 1 zu drücken und dort auch zu halten, ist das Ziel der Massnahmen. Die bisherigen Daten deuten darauf hin, dass das bereits geschafft ist. Die Herausforderung wird nun sein, diesen Wert so tief zu halten.

Wie gefährlich ist Sars-CoV-2?

Ein Grossteil der Infizierten hat der Weltgesundheitsorganisation WHO zufolge relativ milde oder keine Symptome (80 Prozent). Eine von sechs Personen erleidet einen schweren Covid-19-Krankheitsverlauf, etwa fünf Prozent erleiden einen kritischen oder sogar lebensgefährlichen Verlauf von Covid-19 mit Atemstillstand, septischem Schock oder Multiorganversagen. Diese Prozentzahlen sind mit Unsicherheiten behaftet, weil für alle Gruppen, die Infizierten, die schweren Fälle und die Toten, klar ist, dass es eine mehr oder minder hohe Dunkelziffer gibt.

Wegen der relativ hohen Infektionsrate breitet sich das Virus schnell aus. Und im Gegensatz zur saisonalen Grippe, die oft zum Vergleich herangezogen wird, fehlt bei Sars-CoV-2 die Immunantwort, die schnell und gut auf etwas reagiert, das schon bekannt ist. Dadurch können sich weite Teile der Weltbevölkerung anstecken, auch in mehreren Wellen, und die Pandemie kann viele Opfer fordern – auch wenn die Sterblichkeitsrate noch unklar ist (siehe nächste Frage).

Ob die Anzahl der Corona-Infektionen im Sommer abflauen werde, lässt sich momentan weder sicher sagen noch ausschliessen. Im Verlauf von sehr aktiv sich ausbreitenden Pandemien wie der aktuellen COVID-19-Pandemien wurde in der Vergangenheit ein möglicher Effekt der Saisonalität aber häufig durch die Geschwindigkeit der Ausbreitung überdeckt.

Wie hoch ist die Sterblichkeitsrate?

In jedem Land werden unterschiedlich viele Tests auf das Coronavirus durchgeführt und man weiss deshalb nicht, wie hoch die Dunkelziffer an Infizierten ist. Wie viele Infizierte es wirklich gibt, lässt sich laut dem Epidemiologen Marcel Salathé nur über serologische Tests herausfinden. Diese messen, ob jemand Antikörper gegen Sars-CoV-2 im Blut hat. Bei einer guten Stichprobe an Getesteten lasse sich so herausfinden, wie viele Menschen die Infektion bereits hinter sich haben, führt der Leiter des Digital Epidemiology Lab an der EPFL in einem Twitter-Thread zu Covid-19 aus. Und mit dieser Zahl lässt sich dann eine genauere Sterblichkeitsrate berechnen. Auch was die Zahl der Toten angeht, gibt es vermutlich eine Dunkelziffer, in der Schweiz allerdings weniger als in stärker betroffenen Ländern wie Spanien oder Italien.

Momentan ist die Sterblichkeit von Land zu Land sehr verschieden – während sie in Deutschland bei unter einem Prozent liegt, wird für Italien von über zehn Prozent gesprochen. Dabei spielen viele Faktoren eine Rolle. Zu allererst die Dunkelziffer der Infizierten, diese dürfte in Italien sehr hoch sein. Weitere Faktoren sind die Altersstruktur, aber auch das Gesundheitssystem, und die Tatsache, dass Todesfälle mit einer gewissen Verzögerung auftreten. Der deutsche Virologe Christian Drosten von der Berliner Charité rechnet am Ende mit einer Sterblichkeitsrate zwischen 0.3 und 0.7 Prozent. Zum Vergleich: Bei der saisonalen Grippe liegt die Sterblichkeit bei rund 0.1 Prozent.

Wie wichtig sind Tests?

Je mehr Menschen auf das Coronavirus getestet werden, desto weniger unterscheiden sich die bestätigten Fallzahlen und die Dunkelziffer an Infizierten – das wäre wichtig für die Beurteilung der Pandemie und auch für die Planung der Spitäler, aber auch um Infektionsketten zu unterbrechen. Allerdings sind flächendeckende Massentests kaum möglich. Zum einen fehlen die Kapazitäten, zum anderen bedeutet der Test nur eine Momentaufnahme – ein negativ getesteter Mensch kann sich auch direkt nach dem Test anstecken. Man müsste also alle Menschen regelmässig testen, was logistisch unmöglich ist. Eine Alternative wären regelmässige repräsentative Stichproben, aber auch das ist im Moment noch nicht zu leisten.

Getestet wird per Abstrich aus dem Mund-, Nasen- oder Rachenraum mittels eines sogenannten PCR-Tests. In der Schweiz werden derzeit laut Bundesamt für Gesundheit (BAG) vor allem Personen aus Risikogruppen mit Krankheitssymptomen getestet und Personen, bei denen sich Krankheitssymptome verstärken. Serologische Tests, die Antikörper im Blut feststellen und zeigen können, wie viele Menschen die Infektion bereits durchgemacht haben, werden aktuell validiert. Sie weisen aktuell aber noch nicht die erforderliche Genauigkeit auf, um verlässlich aufzeigen zu können, wie viele Menschen in der Schweizer Bevölkerung bereits eine COVID-19-Infektionen überstanden haben.

Wie viele Menschen haben ein erhöhtes Risiko für einen schweren Covid-19-Verlauf?

Ältere Menschen und Menschen mit bestimmten Vorerkrankungen wie Bluthochdruck, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes, chronischen Lungenkrankheiten, Immunschwäche oder Krebs haben ein höheres Risiko, schwer an Covid-19 zu erkranken.

Das Schweizerische Gesundheitsobservatorium Obsan hat nun erstmals geschätzt, wie viele Menschen ab 15 Jahren ein erhöhtes Risiko haben. Danach leiden knapp 30 Prozent der Schweizer Wohnbevölkerung unter mindestens einer risikobehafteten Vorerkrankung. Berücksichtige man zusätzlich die 65-Jährigen und älteren Personen ohne Risiko-Vorerkrankung und die Bewohnerinnen und Bewohner von Alters- und Pflegeheimen, ergäben sich insgesamt 2.6 Millionen Personen, die der Risikogruppe zugeordnet werden und daher besonders vorsichtig sein müssen.

Allerdings sehen Fachgesellschaften die Definition des BAG kritisch. Die Schweizerische Hypertonie-Gesellschaft (SHG) betrachtet Bluthochdruck-Patienten nicht als besonders gefährdet. Und die Schweizerische Gesellschaft für Endokrinologie und Diabetologie (SGED) betont: «Es gibt keine wissenschaftlichen Daten, dass Covid-19 Patienten mit Diabetes mellitus mehr trifft als den Rest der Bevölkerung.»

Woher weiss ich, dass ich infiziert bin?

Die Symptome bei Covid-19 reichen von milden Erkältungssymptomen, trockenem Husten, Fieber, Hals- und Kopfschmerz oder Muskel- und Gliederschmerzen, in einigen Fällen kommt auch Durchfall vor, bis hin zu schweren Lungenentzündungen. Einige Infektionen verlaufen symptomlos. Gewissheit bietet nur ein Test, der aber (siehe: Wie wichtig sind Tests?) nicht flächendeckend durchgeführt wird.

Wie schütze ich mich und andere am besten vor der Ansteckung?

Man hält sich an die Empfehlungen des BAG: Generell zu Hause bleiben und nur in begründbaren Ausnahmefällen das Haus verlassen. Konsequente Einhaltung der Hygiene-Regeln: Häufig und gründlich die Hände waschen oder desinfizieren, sich nicht ins Gesicht fassen, niemandem die Hand geben, in ein Taschentuch oder die Armbeuge husten oder niesen, Abstand zu anderen Menschen halten, vor einem Arztbesuch telefonisch anmelden. Bei bestätigter Infektion oder als Verdachtsfall oder wenn man Kontakt zu einer erkrankten Person hatte, soll man sich in Selbst-Isolation bzw. Selbst-Quarantäne begeben.

Wie sinnvoll ist das Tragen von Masken?

Es gibt verschiedene Arten von Masken. Sehr dünne Papiermasken haben kaum eine Schutzwirkung. Der Mund-Nasen-Schutz (MNS), auch OP-Maske oder chirurgische Maske genannt, kann hingegen sinnvoll sein. Er besteht aus einer Filterschicht, die zwischen zwei Stoffschichten eingebettet ist, und verhindert vor allem, dass Speicheltropfen des Trägers in die Umgebung gelangen. Weil der MNS nicht eng anliegt, schützt er aber nicht den Träger vor einer Infektion, sondern verringert das Risiko, eine andere Person durch Husten oder Niesen anzustecken. Denn auch ein einfacher Mundschutz hält einen Teil der infektiösen, grösseren Virentröpfchen ab, wenn man hustet oder spricht. Ausserdem werden dennoch austretende kleinere Tröpfchen (Aerosole) gebremst und fliegen nicht mehr so weit umher wie ohne Schutz.

Wichtig ist, dass die OP-Maske gut sitzt und regelmässig gewechselt wird, wenn sie von Atemluft durchfeuchtet ist. Ein negativer Nebeneffekt kann sein, dass man sich selbst mit einer OP-Maske in falscher Sicherheit wiegt und andere Hygieneregeln wie das Händewaschen, das Abstandhalten oder Nicht-ins-Gesicht-Fassen vernachlässigt.

Neben dem MNS gibt es die FFP-Masken, die sogenannten partikelfiltrierenden Halbmasken. Masken ab der Klasse FFP2 schützen den Träger vor Viren. Diese Masken sollten aber gemäss BAG reserviert sein für Menschen, die sie wirklich brauchen: nämlich Pflegepersonal und medizinisches Personal bei der Spitex, in Pflegeheimen, in Spitälern und in Arztpraxen. Der Bund hat zwar momentan genügend Masken auf Lager, der Verbrauch im professionellen Bereich ist aber derzeit auch sehr hoch.

Das Tragen von Mund-Nasen-Schutzmasken kann auch gefährlich sein; nämlich dann, wenn man sie falsch benutzt. Und das passiert fast zwangsläufig. Viele Menschen greifen oft an die Maske, um den Sitz zu prüfen oder zu korrigieren. Oft sieht man auch Menschen, die ihre Maske zwischenzeitlich unters Kinn schieben und in einer vermeintlichen «Gefahren»-Situation wieder vors Gesicht ziehen. Dabei kann man sich das Coronavirus über eine Schmierinfektion einfangen.

Wann kann man mit einer Therapie oder einem Impfstoff rechnen?

Die derzeitige Therapie beschränkt sich auf die Linderung der Symptome. Mit einer Impfung rechnen die meisten Experten frühestens im nächsten Jahr. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) sprach von einem «frühestmöglichen Einsatz in 18 Monaten».

Video
Aus dem Archiv: Schweizer Forscher macht den Selbstversuch
Aus SRF News vom 26.03.2020.
abspielen. Laufzeit 1 Minute 41 Sekunden.

Viele Unternehmen und Institute versuchen derzeit, neuartige Impfstoffe zu entwickeln. Normalerweise dauert es von der Entwicklung über die Testung bis hin zur Produktion eines Impfstoffes mehrere Jahre. Angesichts der derzeitigen Lage haben die WHO und andere internationale Organisationen aber ihre Genehmigungen für Studien beschleunigt.

Welche Medikamente werden zur Behandlung eingesetzt?

Einige ältere Medikamente, unter anderem solche gegen Malaria, HIV oder Ebola, werden zurzeit geprüft, ob sie gegen COVID-19 wirken. Die grösste Studie weltweit wird von der WHO koordiniert, erste Daten sind vielleicht schon in einigen Wochen zu erwarten. Daneben gibt es viele kleine Studien. Deren Ergebnisse sind aber oft kaum aussagekräftig, weil zu wenig Patienten teilnehmen, oder ein direkter Vergleich mit anderen Therapieoptionen fehlt.

Ausserdem werden auch neue Medikamente entwickelt, doch bis diese, wenn sie überhaupt erfolgreich sind, geprüft und zugelassen sein werden, wird es mehr als ein Jahr dauern. In der Schweiz und vielen anderen Ländern weltweit werden Patienten auch mit Plasma von Genesenen behandelt, dieses Verfahren kennt man von anderen Infektionskrankheiten. Daten zur Wirksamkeit wird es bald geben.

SRF 4 News, 01.04.2020, 9 Uhr

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