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Amsterdam sagt der Partydroge Lachgas den Kampf an
Aus Rendez-vous vom 13.09.2019. Bild: SRF. Elsbeth Gugger
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Flash aus dem Ballon Lachgas wird in Amsterdam zur Plage

In niederländischen Städten hat der Konsum von Lachgas als Droge stark zugenommen. Die Behörden warnen vor psychischen Schäden.

Halb elf am Samstagabend auf dem Amsterdamer Leidseplein. Knapp zehn junge Männer stehen in Reih und Glied auf der einen Seite des grossen Platzes. Ilias und Ennes, zwei Brüder, preisen ihr Geschäft lautstark an. Auf dem Boden steht eine viereckige Mini-Gasflasche aus der sie farbige Ballone mit Lachgas füllen. Ein Ballon kostet fünf Euro, drei gibt’s für einen Zehner.

Zehn Ballone an einem Wochenende

Babette ist mit ihren Freundinnen unterwegs. Einen Ballon inhalieren gebe ihr ein gutes Gefühl, sagt sie. Aber es sei schwierig, das genau zu beschreiben. Die 15-Jährige ist eine regelmässige Lachgaskonsumentin. An einem Wochenende inhaliere sie manchmal zehn Ballone.

Lachgas oder Distickstoffmonoxid

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Lachgas ist der Trivialname für Distickstoffmonoxid, ein farbloses Gas aus der Gruppe der Stickoxide. N2O ist auch ein Treibhausgas und rund 300 Mal so klimaschädlich wie CO2. Lachgas wurde und wird auch zur Beruhigung oder Betäubung, etwa beim Zahnarzt, verwendet.

Beim Einatmen von Lachgas wird der Sauerstoff im Körper verdrängt, es kann zu einem Sauerstoffmangel im Hirn kommen. Übermässiger Konsum kann möglicherweise das zentrale Nervensystem schädigen, was zu Lähmungen und im schlimmsten Fall zu körperlichen Behinderungen führen kann.

Jessi, ein 21-Jähriger Blondschopf in schwarzer Lederjacke, kann das Gefühl besser beschreiben. «Du fühlst dich ganz leicht im Kopf und wirst fröhlich, aber halt nur zehn Sekunden lang», sagt er und nimmt nochmals einen tiefen Zug aus seinem Ballon. Einen Joint rauchen habe mehr Wirkung, mischt sich sein Kumpel ein. So ein Ballon sei eigentlich nichts.

Den Behörden zunehmend ein Dorn im Auge

Das sehen die Behörden anders. Immer öfter gehen Klagen über Nachtruhestörungen ein. Viele ärgern sich über den Menschenauflauf, das ewige Zischen und die farbigen Ballone auf dem Boden.

Auch deshalb will die Stadt jetzt ein Lachgasverbot erwirken. Ein solches ist jedoch nicht so einfach durchzusetzen, denn Lachgas gilt gesetzlich seit drei Jahren nicht mehr als Arznei-, sondern als Lebensmittel. Eine Ware also, die frei verkauft werden darf.

Eine Person füllt einen Ballon aus einer kleinen Gasflasche in einem Rucksack am Boden.
Legende: Findige Strassenhändler bieten in Amsterdam Lachgas aus dem Rucksack an. Imago

Zwar ist der Strassenhandel bewilligungspflichtig. Aber ein findiger Unternehmer lässt seine Kunden telefonisch bestellen und vereinbart mit ihnen einen Treffpunkt, zum Beispiel auf dem Leidseplein. Als Lieferdienst darf er das Lachgas dann dort abliefern. Und weil dauernd Bestellungen eingehen, die zudem online bezahlt werden, kann er auf dem Platz stehenbleiben und weiter sein Geschäft betreiben.

Gesundheitliche Risiken

Dieses Geschäftsmodell ist der Stadt ein Dorn im Auge. Vor wenigen Tagen hat Bürgermeisterin Femke Halsema deshalb Massnahmen angekündigt, um gegen die Lachgas-Plage in der Innenstadt vorgzugehen. Sie begründet dies auch mit einer möglichen Gefährdung der Gesundheit von Lachgas-Konsumenteinnen und -Konsumenten.

Künftig sollen auch Eltern und Schulen besser informiert werden. Zwar sei es nicht so schädlich, ab und zu einen Ballon Lachgas zu inhalieren, sagt eine Sprecherin des nationalen Drogeninstitutes auf Anfrage von Radio SRF. Aber bei sehr exzessivem Konsum habe es auch schon Querschnittslähmungen gegeben.

Noch ist unklar, was passiert, wenn Jugendliche – sie sind die Hauptkonsumenten – zehn oder zwanzig Ballone an einem Abend inhalieren. Die Behörden lassen das jetzt untersuchen, im November soll ihr Rapport erscheinen.

Ein ganz normaler Samstagabend

Inzwischen haben Jessi und sein Kumpel auf dem Leidseplein einen weiteren Zug aus ihren Ballonen inhaliert. Jessi bekommt wieder einen hysterischen Lachanfall. Sein Kumpel fällt Kopf voran auf die Pflastersteine, er hat für kurze Zeit das Bewusstsein verloren.

«Mann, du blutest ja», ruft Jessi. «Ach, halb so schlimm», sagt der Kamerad. Er packt ein Taschentuch, wischt das Blut ab und steuert fröhlich auf die nächste Kneipe zu. Für die beiden war es ein ganz gewöhnlicher Samstagabend auf dem Leidseplein.

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