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HIV positiv – Die Angst hält sich hartnäckig
Aus Puls vom 04.06.2018.
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HIV-Positive in Therapie Nicht mehr ansteckend – und niemand weiss es

Mit Therapie ist HIV nicht mehr ansteckend. Nach zehn Jahren weiss die Bevölkerung das noch immer nicht.

Wenn jemand die medikamentöse Therapie einhält, ist HIV nicht mehr ansteckend. Dies selbst bei ungeschütztem Geschlechtsverkehr. Mit dieser Aussage sorgte am 30. Januar 2008 die Eidgenössische Kommission für Aidsfragen (EKAF) für weltweites Aufsehen. Zehn Jahre später ist dieses Wissen noch immer nicht bis zur Bevölkerung durchgedrungen.

Die Botschaft, die später als «Swiss Statement» international bekannt wurde, erschien unspektakulär im Schweizer Ärzteblatt. Gedacht war der Artikel für Betroffene – für Ärzte und Patienten. Ziel war es, Menschen mit HIV, ihren Partnern und Partnerinnern, die Angst vor sexueller Übertragung zu nehmen. So stand dem Wunsch nach natürlich gezeugten Kindern nichts mehr im Wege.

Ein weiterer Grund für das Vorpreschen der Schweizer HIV-Fachleute: Sie wollten die Rechtsprechung beeinflussen. Menschen mit HIV unter Therapie sollten nicht mehr wegen versuchter Körperverletzung verurteilt werden können, wenn sie ungeschützten Geschlechtsverkehr hatten, ohne den Partner über ihre Krankheit zu informieren.

Ohne Viren, keine Übertragung

Treibende Kraft hinter dem Statement war der Präsident der EKAF: Pietro Vernazza. Über lange Jahre hatte sich der Infektiologe des Kantonsspitals St. Gallen intensiv mit HIV und Aids auseinandergesetzt. «Über all die Jahre gab es keinen einzigen publizierten Fall einer Übertragung», erklärt Pietro Vernazza. «Wir sagten im Statement nur, was wir schon seit Jahren wussten. Irgendjemand musste mal sagen, was Sache ist.»

Fakt ist, dass bei Menschen, die Ihre HIV-Medikamente zuverlässig einnehmen, das HI-Virus nicht mehr nachgewiesen werden kann.

Ärger mit der Fachwelt

Bei den Betroffenen löste das Statement weltweit Erleichterung aus. Doch in Fachkreisen war das Vorgehen der Schweizer stark umstritten: Unklare Datenlage war ein häufiger Vorwurf. Man befürchtete auch, das Statement werde falsch verstanden und führe bei schwulen Männern zu vermehrtem ungeschützten Sex.

«Die einen meinten, unsere Aussage sei falsch», sagt Pietro Vernazza. «Andere bestätigten, dass sie richtig ist, fanden aber, man dürfe das so nicht veröffentlichen.»

Vorurteile halten sich hartnäckig

Vom Swiss Statement erhofften sich die Betroffenen eine Befreiung des Stigmas, unter dem HIV-Positive immer litten. Diese Hoffnung erwies sich als trügerisch. Noch immer berichten Betroffene regelmässig von Diskriminierung, Ausgrenzung, Benachteiligung.

Die Botschaft, dass HIV-Positive mit Therapie nicht ansteckend sind, ist bis heute nicht bei der Bevölkerung angekommen. «Spätestens bei Sexualkontakten ist es fertig mit der Toleranz», erzählt eine Betroffene. Immer wieder habe sie erlebt, dass Männer davongelaufen seien, wenn sie ihnen von ihrer HIV-Infektion erzählt habe.

Ein anderer Betroffener meint, vielleicht könne erst die nächste Generation normal mit HIV umgehen. Die Generation, die mit «Aidsangst» aufgewachsen sei, bringe die alten Bilder kaum aus dem Kopf – Wissen hin oder her.

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