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Gefälschte Hotel-Kritiken Tausche Meinung gegen Geld: Ein Insider packt aus

Er machte geschönte Kommentare zu seinem Business. Seine Kunden waren Hotels und andere Firmen, die ihr Image im Internet aufpolieren wollten. Und er sagt: Die Differenz zwischen 4,3 und 4,4 Sternen kann für ein Unternehmen im Monat 100'000 Euro Umsatz mehr oder weniger bedeuten.

Egal, ob Produktebewertungen, Kritiken für Restaurants oder Hotels: Sie alle entsprechen nicht immer der Wahrheit. Mittlerweile können positive Einträge auf Bewertungsportalen sogar gekauft werden. SRF sprach mit einem Mann aus Deutschland, der während fünf Jahren gegen Bezahlung Kritiken auf Bewertungsportalen optimierte. Zu seinen Kunden zählten auch Hotels aus der Schweiz.

Wie kamen Sie auf die Idee, Internetbewertungen gegen Geld zu beschönigen?

Was taugen Bewertungsportale?

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Viele Konsumenten vertrauen auf Hotel- oder Restaurantbewertungen im Internet. Das wissen auch findige Geschäftsleute. Mehr

Es begann alles mit der expliziten Anfrage eines Kunden, den ich zu dem Zeitpunkt im Bereich Online-Marketing betreute. Er hatte sich über unberechtigt negative Bewertungen über sein Unternehmen beschwert und mich gefragt, ob man etwas dagegen tun kann. Ich besprach das Thema mit meinen Redaktoren und 15 Minuten später war die erste Bewertung online.

Nach und nach kamen weitere Kunden dazu. Welche Art von Bewertungen wurde am häufigsten gewünscht?

Die Nachfrage war recht ausgewogen zwischen reinen Sternebewertungen mit Kurzrezension und umfangreichen Produktbewertungen. Für letzteres wurden uns alle benötigten Informationen vom Auftraggeber zur Verfügung gestellt.

Wie gingen Sie vor, damit der Bluff nicht auffällt?

Als wir vor ein paar Jahren anfingen, begann gerade die Blütezeit der Online-Bewertungen. Damals verliessen sich die Konsumenten auf eine bis wenige Bewertungen und meinten aufgrund eines einzelnen Kommentars, das Produkt oder die Dienstleistung müsse gut sein.

Die Wahrheit liegt immer irgendwo dazwischen und vor allem im Auge des Betrachters.

Und heute ist das nicht mehr so? Sind die Internetuser skeptischer geworden?

Ja, und um ehrlich zu sein, finde ich das gut. Man sollte sich nie auf eine Aussage verlassen, sondern immer mehrere Quellen konsultieren. Außerdem gibt es keine Extreme, gut oder schlecht. Die Wahrheit liegt immer irgendwo dazwischen und vor allem im Auge des Betrachters. Eine etwas längere Wartezeit im Restaurant kann den einen zu einer schlechten Bewertung bringen, dem anderen aber vollkommen egal sein.

Anleitung zum Tricksen:

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Die User sind das eine. Doch wie sah es bei den Portal-Betreibern aus? Entdecken sie Ihre falschen Einträge?

Anfangs nicht. Wir hatten ein freies Spielfeld. Nach und nach kamen aber immer mehr Betreiber dahinter und verknüpften die Bewertungsfunktion mit einem aktiven Nutzerkonto oder einer Bestell- oder Buchungsnummer. Das senkt zwar die Anzahl der Bewertungen, erhöht aber dafür natürlich auch ihre Validität.

Hatten Ihre Kunden Gelegenheit, Wünsche oder Korrekturen anzubringen?

Nein. Wir sagten immer, dass wir nach der Einweisung durch den Auftraggeber keine Veränderungen mehr zulassen. Sinn und Zweck war es ja auch nicht, einen PR-Text schreiben zu lassen, sondern möglichst authentische Bewertungen zu verfassen. Diese waren ganz unterschiedlich und nicht immer in der gewünschten Formulierung des Auftraggebers.

Der Unterschied zwischen 4,3 und 4,4 Sternen konnte damals für ein Unternehmen im Monat 100‘000 Euro Umsatz mehr oder weniger bedeuten.

Können Sie abschätzen, was Ihre Bewertungen für die Unternehmen brachten?

Als wir in diesem Geschäft aktiv waren – in der Blütezeit – hatten sie einen höheren Stellenwert als heute. Der Unterschied zwischen 4,3 und 4,4 Sternen konnte damals für ein Unternehmen im Monat 100‘000 Euro Umsatz mehr oder weniger bedeuten.

Und was bezahlten Ihre Kunden dafür?

Die Preise variierten je nach Komplexität. Meisten lagen wir in einem Rahmen von 1,50 bis 25 Euro pro Bewertung.

Wir lobten das Produkt nicht in den Himmel, sondern hoben positive Bestandteile hervor.

Hatten Sie keine moralischen Bedenken?

Diese Frage wurde mir sehr häufig gestellt und ich kann sie mit einem klaren Nein beantworten. Wir befolgten dabei immer einen Grundsatz: Wir lobten das Produkt nicht in den Himmel, sondern hoben positive Bestandteile hervor. Wir griffen an Stellen ein, an denen Kunden und manchmal auch ehemalige Mitarbeiter ihre subjektive Frustration loswurden und die Produkte oder Dienstleistungen teilweise auch zu Unrecht in ein schlechtes Licht rückten.

Das Interview führte Maria Kressbach

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