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Wie das Institut für Verhaltensforschung in Bern an Fischen forscht
Aus Regionaljournal Bern Freiburg Wallis vom 28.12.2021. Bild: zvg/Universität Bern
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Verhalten bei Mensch und Tier Fische verhalten sich in der Gruppe ähnlich wie Menschen

Buntbarsche verteidigen auch Jungtiere, die nicht ihre eigenen sind. Die Verhaltensforschung der Universität Bern zeigt: Sie tun dies aus demselben Grund wie Menschen.

In einem ehemaligen Bauernhaus am Wohlensee (BE) ist seit rund 50 Jahren eine Forschungsstation der Universität Bern eingerichtet, die das Verhalten von Tieren erforscht. Zum Beispiel wird dort das Verhalten von Fischen erforscht, die Spezialität des Biologen Michael Taborsky. Der emeritierte Professor hat kürzlich ein Buch darüber veröffentlicht – sein Lebenswerk über die Entwicklung von sozialem Verhalten.

Tropische Verhältnisse

Die Fischräume in der ehemaligen Scheune werden auf 26 Grad geheizt. Die Fische hier drinnen stammen nämlich aus den Tropen: aus dem Tanganjikasee, dem zweitgrössten See von Afrika, an den die Staaten Demokratische Republik Kongo, Tansania, Sambia und Burundi grenzen. Hier leben die Fische in dutzenden Aquarien, aneinandergereiht auf grossen Metallgestellen.

Interessant an diesen Buntbarschen sei ihre Zusammenarbeit beim Beschützen und Aufziehen des Nachwuchses, erklärt der Biologe Michael Taborsky. Dabei würden auch Fische mithelfen, die nicht die Eltern sind, was in der Tierwelt eher unüblich ist: Normalerweise schauen sie für sich selbst und den eigenen Nachwuchs. Nur wer überlebt und sich fortpflanzt, kann seine Gene weitergeben.

Hilfe lohnt sich

Die Fische würden einander helfen, weil sie als Gegenleistung den Schutz der Gruppe erhalten, sagt Taborsky: «Wenn ich als Buntbarsch meine Gruppe gegen einen grossen Fressfeind verteidige, riskiere ich mein Leben. Dafür darf ich mich in der Gruppe verstecken. So erhöhe ich meine eigene Überlebenschance und damit auch die Chance auf Reproduktion.» In der Regel überlebe ein Buntbarsch eine Verteidigungsaktion.

Wenn Fische in einer Gruppe nicht wirklich mithelfen, werden sie von anderen gebissen oder gar verstossen. Alleine können sie nicht lange überleben.

Um herauszufinden, wie sich die Buntbarsche bei Gefahr in der Gruppe verhalten, werden sie mit einem ihrer natürlichen Fressfeinde konfrontiert. Der Räuber wird jedoch nicht in dasselbe Aquarium gelegt: «Wir wollen keine Situationen, in denen der Räuber die Beutetiere tatsächlich fangen kann», sagt Taborsky. Das sei aus tierschutzrechtlichen Gründen ausgeschlossen, weil die kleineren Fische im Aquarium nicht fliehen können. Der Räuber wird den Buntbarschen darum hinter einer Glasscheibe präsentiert – oder sogar per Video. «Die Tiere verstehen, was das bedeutet, und reagieren.»

Keine medizinischen Tierversuche

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Den Tieren in der Forschungsstation gehe es gut, betont Michael Taborsky. Man wolle schliesslich erforschen, wie sie sich möglichst natürlich verhalten. «Deswegen steht in der Verhaltungsforschung die Tierhaltung immer im Vordergrund.» Man müsse für die Tiere in einem experimentellen Umfeld eine Umgebung schaffen, die ihrem natürlichen Umfeld möglichst ähnlich sei. «Sonst finden wir nichts heraus», sagt Taborsky.

Mit einem Schmunzeln fügt er an, das Leben sei für die Tiere hier in der Forschungsstation sogar eher besser als draussen: «Hier werden sie regelmässig gefüttert und es gibt keine Räuber. Eine paradiesische Situation, die sie im Freiland nicht finden.»

Die Fische schützen also gemeinsam die frisch geschlüpften Jungfische und verteidigen die Eier. In einer Gruppe von rund 30 Fischen haben dabei alle ihre Rolle, mit einem erstaunlich komplexen Verhaltensrepertoire: «Mit ungefähr 35 verschiedenen Verhaltensweisen teilen sie einander mit, was sie gerade machen und ob dies im Interesse der anderen ist.»

Es geht darum, mehr zu erhalten, als man gibt.
Autor: Michael Taborsky Emeritierter Professor Universität Bern

Bei den Fischen aus dem Tanganjikasee sei es ein Geben und Nehmen – wie bei Menschen auch. «Mit dem Verhandeln geht es darum, am Ende mehr zu bekommen als zu geben.» Das Wunderbare an kooperativem Verhalten sei, dass man gemeinsam mehr herausholen könne, als wenn alle für sich alleine schauen würden, sagt Taborsky.

In der ethologischen Forschungsstation der Universität Bern konnte Michael Taborsky aufzeigen, dass das Zusammenarbeiten – ohne das die menschliche Gesellschaft nicht funktionierte – keine Erfindung der menschlichen Kultur ist, sondern biologisch angelegt.

Was die Menschen daraus machen, ist ein anderes Thema. Aber: «Im Prinzip ist der gegenseitige Austausch bei den Menschen und den Buntbarschen genau derselbe. Die genetische Veranlagung bringen wir also mit.»

Regionaljournal Bern Freiburg Wallis, 27.12.2021, 17:30 Uhr;

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