Es sei kompliziert, wie es überhaupt zu einer Situation, wie in Wohlen kommen könne, hier spielten wohl mehrere Faktoren eine Rolle, meint Oliver Dlabac. Der Politikwissenschaftler forscht an der Universität Zürich und am Zentrum für Demokratie Aarau unter anderem zu Problemen in Gemeindebehörden und Machtverteilung.
Verwaltung gegen Politik
Grundsätzlich, und das sei das Positive, zeige der Fall Wohlen ja, dass die Kontrolle in der Gemeinde eben doch funktioniere. Ins Rollen kam die Affäre rund um Gemeindeammann Dubler durch Initiative des Einwohnerrates. Der Gemeinderat stehe also durchaus unter Aufsicht.
Allerdings gebe es durchaus auch Potenzial für Fehler, meint Dlabac. Diese lägen häufig im Verhältnis zwischen Exekutive und Verwaltung: «Da der Gemeinderat auch der Arbeitgeber der Verwaltung ist, kann er ein Stück weit Druck ausüben.» Ohne dies im Fall Wohlen voraussetzen zu wollen, könne das zu problematischen Konstellationen führen.
Eine professionelle Verwaltung müsse darum allfälligem Druck aus der Politik widerstehen können, meint der Politologe. Dies sei einerseits eine Frage der individuellen Personen, andererseits aber auch der Gemeindeorganisation.
Dorfkönig kann man werden
Vor allem in kleineren Gemeinden bestehe ein Risiko, dass ein Gemeindeammann zum Dorfkönig werde, erläutert Dlabac. Das sei in gewissem Mass systembedingt, da die Gemeindevorsteher häufig charismatische Personen seien, die in der Gemeinde auch ohne Ammann-Amt einen gewissen Einfluss hätten, zum Beispiel als Arbeitgeber oder Grundbesitzer.
«Hier kann dann eine Person sehr viel Macht auf sich kumulieren und so quasi alle Entscheide der Gemeinde vorspuren», sagt Oliver Dlabac. Die übrigen Mitglieder des Gemeinderates könnten so quasi zu Statisten werden.
Zu wenig attraktives Amt
Dennoch relativiert Dlabac im Gespräch mit dem Regionaljournal von Radio SRF die Problematik. In seiner Forschung habe sich kein Problem mit Dorfkönigen im Aargau gezeigt. Es gebe aber schon heikle Voraussetzungen, welche solche Entwicklungen begünstigen könnten.
Ein wichtiger Punkt sei die schwierige Rekrutierung von politischem Personal, führt der Wissenschaftler aus. Gerade in kleineren Gemeinden sei es häufig schwer, Leute für Exekutivämter zu begeistern. «Das Amt als Gemeinderat ist heute für viele einfach nicht mehr attraktiv.» Durch solche unbestrittenen Wahlen und Behörden verschärfe sich dann das Risiko, dass «falsche» Leute in der Gemeindeführung verbleiben.
Führt der Gemeinde-CEO zu mehr Professionalität?
Reformen wären möglich, findet Dlabac. Einerseits bei der Attraktivität von Behördenämtern, andererseits bei der Organisation der Gemeinde und der Verwaltung. Man könnte zum Beispiel den Gemeinderat als strategisch-politisches Führungsgremium einsetzen, die operative Führung der Gemeinde dann aber einem Geschäftsführer übertragen, quasi einem Gemeinde-CEO, erklärt Oliver Dlabac.
Ein solches Modell kenne man unter anderem im Kanton Luzern, und auch in Wohlen sei die Einführung ein Thema. Damit werde zwar die Verwaltung professioneller und auch immuner gegen politischen Druck. Allerdings entstünden auch neue Risiken: «Macht konzentriert sich dann in der Person des Geschäftsführers», gibt Dlabac zu bedenken.
Da aber weiterhin der Gemeinderat die anstellende Behörde sei und auch die strategisch-operative Kontrolle behalte, sei es ein praktikables Modell, um die zunehmend komplexe Verwaltung der Gemeinden zu organisieren. Und es könnte den Gemeinderat von zeitraubender Verwaltungsarbeit entlasten.