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Fall in Küttigen Sozialhilfebezüger in Hotels: Fünf Fragen und Antworten

Zwei Männer aus Küttigen berichten auf einem öffentlichen Blog von ihrer erfolglosen Wohnungssuche. Sie beziehen Sozialhilfe, ihre bisherige Wohnung wurde ihnen per 31. Juli gekündigt. Bisher haben sie keine neue Mietwohnung gefunden. Nun leben sie seit dem 1. August in einem Hotel.

Die Kosten für die Unterbringung im Hotel sind höher als es die Mietkosten wären – über 1100 Franken pro Person. Einen kleinen Teil der Kosten tragen die Männer selber. Die Kosten steigen aber auch für die Gemeinde. Auf Anfrage von Radio SRF hat sich der zuständige Sozialdienst bisher nicht zum Fall geäussert. Viele allgemeine Fragen zu diesem Fall lassen sich trotzdem klären.

Hotelzimmer
Legende: Manchmal leben Sozialhilfebezüger auf Kosten der Gemeinden in Hotels. Das löst viele Fragen aus. Keystone

Frage 1: Ist Küttigen ein Einzelfall?

Nein. Auch andere Gemeinden kennen das Problem, auch andere Sozialhilfebezüger leben vorübergehend in Hotels, weil sie keine geeignete Wohnung finden. Das zeigt eine Umfrage bei Fachleuten und Gemeinderäten von Radio SRF. Auch in der Vergangenheit gaben Einzelfälle in den Medien zu reden.

Es gibt Gemeinden, welche eigene Wohnungen oder Einzelzimmer besitzen. Diese «Notunterkünfte» können für Asylsuchende oder Sozialhilfeempfänger ohne Dach über dem Kopf genutzt werden. Allerdings: Nicht alle Gemeinden haben immer ausreichend eigenen Wohnraum zur Verfügung – dann spielt der (Wohnungs-)markt.

Frage 2: Warum finden Sozialhilfebezüger keine Wohnung?

Es gibt verschiedene Gründe dafür, weshalb Menschen in sozialen Schwierigkeiten bei der Wohnungssuche Mühe haben.

  • Vermieter wollen Sicherheit: Wer in der Vergangenheit seine Miete nicht pünktlich oder regelmässig bezahlt hat, wer Schulden hat und Eintragungen im Betreibungsregister, der findet nicht so leicht eine neue Bleibe
  • Es braucht günstige Wohnungen: Die Gemeinden haben «Mietzins-Limiten» festgelegt für Sozialhilfebezüger. Wer in eine Wohnung zieht, die teurer ist, muss die Differenz selber bezahlen. Die meisten Gemeinden halten sich dabei an die sogenannten «Skos-Richtlinien», Empfehlungen der nationalen Sozialhilfekonferenz.

Sozialhilfebezüger brauchen also günstigen Wohnraum. Das kann je nach Gemeinde schwierig sein. In Oberentfelden zum Beispiel sind einige Fälle bekannt, in denen Sozialhilfebezüger nun umziehen müssen. Sie wohnten in alten Liegenschaften, diese wurden saniert, die Mietpreise sind gestiegen.

Jetzt sind die Wohnungen zu teuer, die Mieter müssen eine günstigere Bleibe suchen, damit die Gemeinde weiterhin für die Kosten aufkommt.

Frage 3: Warum ist das Hotel die Alternative?

Wenn Sozialhilfebezüger keine Wohnung finden und die Gemeinde selber nicht über Notunterkünfte verfügt, dann bleibt oft nur ein Hotel. Dabei handle es sich immer um «Übergangslösungen», sagen die angefragten Sozialdienste. Es gehe darum, dass niemand obdachlos werde.

Häufig seien solche Hotelzimmer gar nicht teurer als Wohnungen, betont zudem eine Sozialdienst-Leiterin. Häufig würden Pauschalpreise vereinbart, welche innerhalb der kommunalen Mietzinsrichtlinien liegen – also problemlos von den Gemeinden bezahlt werden.

Im «Fall Küttigen» wäre eine günstige Wohnung für die beiden Männer sicher billiger als die Hotel-Lösung. Trotzdem hat – laut Aussagen der Betroffenen – der Sozialdienst nicht aktiv geholfen bei der Wohnungssuche.

Frage 4: Warum helfen die Sozialdienste nicht bei der Wohnungssuche?

Das ist durchaus üblich so. Denn grundsätzlich gilt laut kantonalem Sozialdienst auch für die Sozialhilfebezüger das Prinzip der Eigenverantwortung: «Im Rahmen der Mitwirkungspflicht der Klienten sind diese bei eigener Handlungsfähigkeit selber dafür zuständig, eine Wohnung im Rahmen der von der Gemeinde erteilten Mietzinsrichtlinien zu suchen.»

Gespräch an einem Tisch, im Vordergrund Mann mit Stift in der Hand
Legende: Es gilt: Die Klienten müssen selber nach Wohnungen suchen. Sozialdienste können auf die eine oder andere Weise helfen. Keystone

Die Sozialdienste helfen aber schon mit. Zum Beispiel, indem sie schriftlich bestätigen, dass die Gemeinde für die Mietkosten aufkommt und die Mietzinszahlung direkt vornehmen. Das könnte kritische Vermieter überzeugen. In Spreitenbach zum Beispiel bezahle die Gemeinde in einzelnen Notfällen auch die Mietkaution, heisst es auf Anfrage. Zum Beispiel, wenn eine ganze Familie sonst obdachlos werden könnte.

Aktiv eine Wohnung suchen für seine Klienten kann der Sozialdienst – wenn überhaupt – nur in der eigenen Gemeinde: Wenn der Sozialdienst von Küttigen nämlich zum Beispiel eine geeignete Wohnung in Suhr finden würde und den Klienten aktiv anbietet, dann käme das einer «Sozialhilfe-Abschiebung» gleich.

Denn Sozialhilfe bezahlt die Wohngemeinde. Wer also den Wohnort wechselt, der fällt nach seinem Umzug quasi einer anderen Gemeindekasse zur Last. Dagegen haben sich gerade Aargauer Gemeinden in den letzten Jahren auch zur Wehr gesetzt. Dieser «Sozialhilfe-Tourismus» ist verpönt.

Frage 5: Was ist die Lösung?

Es gibt kein Patentrezept. Jeder Sozialhilfebezüger hat seine eigene Geschichte, jede Gemeinde ihre eigene Immobilien- und Preisstruktur, jeder Sozialdienst seine eigenen Richtlinien im Umgang mit dem Thema, jede Wohnungssuche wird damit zum Einzelfall.

Klar ist: Günstiger Wohnraum ist gefragt. Vor allem, wenn die Gemeinde selber zu wenig eigene Liegenschaften besitzt. Möglich, dass sich das Problem in Zukunft in einigen Regionen verschärft – dort, wo Immobilienpreise und Mieten steigen.

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