Ehemalie Verdingkinder und administrativ Versorgte sollen finanziell entschädigt werden. Der Bundesrat hat die Botschaft zu einem entsprechenden Bundesgesetz verabschiedet.
Das Bundesgesetz über die Aufarbeitung der fürsorgerischen Zwangsmassnahmen und Fremdplatzierungen vor 1981 sieht einen Solidaritätsbeitrag von insgesamt 300 Millionen Franken vor. Der Bundesrat möchte dieses Geld den schätzungsweise noch 12'000 bis 15'000 lebenden Opfern zukommen lassen.
Die Opfer sollen – auf Gesuch hin – alle den gleichen Betrag erhalten. Dessen Höhe regelt der Bundesrat. Bereits ausbezahlte Soforthilfe wird nicht angerechnet. Finanziert wird der Betrag vom Bund sowie mit freiwilligen Zuwendungen der Kantone und weiteren Zahlungen.
Unrecht gesetzlich anerkennen
Geplant ist aber mehr als finanzielle Unterstützung: Es soll gesetzlich anerkannt werden, dass Opfern von fürsorgerischen Zwangsmassnahmen Unrecht angetan worden ist, «das sich auf ihr ganzes Leben ausgewirkt hat», wie es im Gesetzesentwurf heisst.
Akten sollen aufbewahrt und Betroffene Einsicht in die Dokumente erhalten. Ein nationales Forschungsprogramm soll die wissenschaftliche Aufarbeitung ermöglichen. Die Kantone sollen Anlauf- und Beratungsstellen für Betroffene von fürsorgerischen Zwangsmassnahmen einrichten.
Betroffene fordern mehr
Mit dem Solidaritätsbeitrag von 300 Millionen Franken geht der Bundesrat weniger weit als die im vergangenen Dezember eingereichte und breit unterstützte «Wiedergutmachungsinitiative». Diese fordert einen Beitrag von 500 Millionen Franken.
Die Initiative wurde im Dezember 2014 mit knapp 109'000 gültigen Unterschriften eingereicht. Der Bundesrat hatte darauf beschlossen, dieser Volksinitiative einen indirekten Gegenvorschlag gegenüber zu stellen, der schneller umgesetzt werden kann und rascher Hilfe leistet.
Nein zu Initiative empfohlen
Viele der Opfer seien in fortgeschrittenem Alter, schreibt er dazu. Mit dem Gesetz könnten sie die gesellschaftliche Solidarität und die Anerkennung des ihnen angetanen Unrechts noch erleben. Der Bundesrat empfiehlt das Volksbegehren zur Ablehnung.
Bis weit ins zwanzigste Jahrhundert dauerte die leidvolle Geschichte der Schweizer Heim- und Verdingkinder. Waisenkinder oder Kinder aus ärmeren Familien wurden von den eigenen Eltern oder den Behörden in Pflegefamilien oder Heime abgegeben. Unter prekären Bedingungen mussten die Verdingkinder meistens für Bauern arbeiten. Misshandlungen und Missbrauch waren dabei keine Seltenheit.