Es scheint, als entscheide das Stimmvolk am 5. Juni 2016 vor allem über das künftige Schicksal junger Familien im Kanton Aargau. So jedenfalls könnte man die Argumentarien zu den drei Vorlagen interpretieren.
Die Befürworter der Kinderbetreuungsvorlagen wünschen sich mehr Kinderkrippen im Kanton: Damit junge Familien Beruf und Kinderwunsch besser unter einen Hut bringen. Die Befürworter der tieferen Grundbuchabgaben möchten den Kanton attraktiver machen für Wohneigentum: Damit sich junge Familien den Traum der eigenen vier Wände erfüllen können.
Die Vorlagen und Argumente im Überblick:
Kinderkrippen: Volksinitiative und Gegenvorschlag
Vor allem in ländlichen Gebieten des Kantons Aargau gibt es bisher kaum Angebote von familienergänzender Kinderbetreuung – Mittagstische, Kinderkrippen etc.: Nur rund die Hälfte der Gemeinden kennt solche Angebote.
Das will die Volksinitiative «Kinder und Eltern» des Aargauischen Lehrerinnen- und Lehrerverbands ändern. Sie fordert im ganzen Kanton einheitliche Regeln.
Die Initiative würde folgende Rahmenbedingungen festlegen:
- Alle Gemeinden müssen Angebote schaffen (oder sich an Angeboten in anderen Gemeinden beteiligen) für Kinder bis ans Ende der obligatorischen Schulzeit (also auch für Schülerinnen und Schüler an der Oberstufe)
- Betreuungsformen, Öffnungszeiten und Qualitätsstandards (Anzahl Personal, Art der Infrastruktur etc.) werden kantonal geregelt. Gefordert werden Kindertagesstätten oder Tagesfamilien für Kinder im Vorschulalter, Tagesstrukturen für Primarschulkinder und Mittagstische für Oberstufenschülerinnen und Oberstufenschüler
- Eltern müssen sich finanziell beteiligen (nach Einkommen abgestuft), Kanton und Gemeinde teilen sich den Rest der Kosten
- Die Nutzung der Angebote ist freiwillig
Parlament und Regierung haben einen Gegenvorschlag zur Initiative ausgearbeitet, da die Forderungen der Initiative einer Mehrheit im Grossen Rat zu weit gehen. Dieser Gegenvorschlag lässt den einzelnen Gemeinden mehr Spielraum:
- Gemeinden müssen «bedarfsgerechte» Angebote schaffen
- Die Gemeinden legen Qualitätsanforderungen und Betreuungsformen selber fest, zum Beispiel wären auch Tagesfamilien für die Betreuung von Primarschulkindern zulässig
- Eltern müssen sich finanziell beteiligen (nach Einkommen abgestuft, individuelle Regelung je Gemeinde), die restlichen Kosten tragen die Gemeinden, der Kanton beteiligt sich nicht
Die Argumente im Überblick
Mit FDP und SVP stellen sich die zwei grossen bürgerlichen Parteien gegen eine Regelung der familienergänzenden Betreuung – sie lehnen Initiative und Gegenvorschlag ab. Der Gegenvorschlag wurde im Parlament deshalb nur hauchdünn und mit Stichentscheid des SP-Ratspräsidenten Marco Hardmeier angenommen.
Konservative Politiker argumentieren mit gesellschaftspolitischen Ansichten: Kinderbetreuung sei Familiensache, nicht Aufgabe des Staats. Ein weiteres Argument ist finanzpolitischer Natur: Die Gemeinden dürften nicht zur Errichtung und Subvention von Betreuungsangeboten verpflichtet werden. Jede Gemeinde solle selber entscheiden, ob sie sich einen Mittagstisch leisten wolle. Zudem gebe es ja private Angebote. Auch könne sich der Kanton die Mitfinanzierung gar nicht leisten – die Bürgerlichen rechnen mit Kosten von jährlich 50 Millionen Franken.
Die Regierung und eine knappe Mehrheit im Parlament stellen sich allerdings auf den Standpunkt, im Aargau sei das Betreuungsangebot für Kinder bisher ungenügend. Es sei wissenschaftlich belegt, dass Mütter und Väter eher berufstätig werden oder bleiben, wenn es Betreuungsangebote gibt. Das sei wichtig als Standortfaktor und als Mittel im Kampf gegen den Fachkräftemangel.
Zudem gebe es an vielen Orten lange Wartelisten für Krippenplätze: Das beweise, dass ein Bedarf an zusätzlichen Plätzen bestehe, so die Regierung. Auch zeigt ein Vergleich, dass der Aargau im Verhältnis zu anderen Kantonen wenig Geld ausgibt für die familienergänzende Kinderbetreuung.
Die Initianten der Volksinitiative argumentieren, dass nur ihre Initiative eine einheitliche Qualität garantiere. Nur mit der Initiative sei es auch allen Eltern finanziell möglich, die Angebote künftig nutzen zu können.
Grundbuchabgaben: Reine Gebühr statt Steuer
Die zweite Vorlage betrifft die Grundbuchabgabe: Diese wird fällig, wenn jemand eine Immobilie kauft oder verkauft. Aktuell beträgt diese Abgabe 4 Promille des Kaufwerts. Wer also ein Haus kauft für eine halbe Million Franken, der liefert dem Staat 2000 Franken ab.
Die eigentliche Gebühr für die Umschreibung der Liegenschaft im Grundbuch macht dabei nur etwa 450 Franken aus.
Die Grundbuchabgabe ist also eine Mischung aus Gebühr und Steuer. Hauseigentümerverband und bürgerliche Parteien sprechen von einer «versteckten Wohnsteuer» und möchten den Steueranteil gestaffelt ab 2018 streichen.
Die Argumente im Überblick
Die Regierung, linke und Mitte-Parteien wehren sich gegen die Senkung der Grundbuchabgaben. Auch in anderen Kantonen werde bei einer Handänderung im Immobilienbereich eine Steuer erhoben, so ihre Argumentation. Tatsächlich sind die Abgaben im Aargau im schweizweiten Vergleich heute eher tief. Der Aargau kennt zum Beispiel keine Handänderungssteuer.
Zudem könne sich der Kanton aktuell den prognostizierten Ausfall von 33 Millionen Franken pro Jahr schlicht nicht leisten. Die Senkung komme zum falschen Zeitpunkt, so die Gegner.
Die Befürworter der Vorlage argumentieren hingegen, die Idee einer tieferen Grundbuchabgabe sei bereits vor sechs Jahren lanciert worden. Der Kanton könne sich den Steuerausfall und weitere Sparmassnahmen an anderen Orten leisten. Zudem würden junge Familien von tieferen Grundbuchabgaben profitieren: Die Förderung von Wohneigentum mache den Aargau als Wohnkanton attraktiver.
Parolenspiegel
Partei | Volksinitiative Kinderbetreuung | Gegenvorschlag Kinderbetreuung | Streichung Steueranteil Grundbuchabgaben |
---|---|---|---|
SVP | Nein | Nein | Ja |
SP | Ja | Ja | Nein |
FDP | Nein | Nein | Ja |
CVP | Nein | Ja | Ja |
Grüne | Ja | Ja | Nein |
BDP | Nein | Ja | Nein |
GLP | Ja | Ja | Nein |
EVP | Ja | Ja | Nein |
Regierungsrat | Nein | Ja | Nein |
Ausgang der Abstimmung offen
Die Fronten bei den beiden Vorlagen verlaufen nicht gleichmässig: Die Mitte-Parteien zum Beispiel sind sich bei der Senkung der Grundbuchabgaben, aber auch bei den Vorlagen zur familienergänzenden Kinderbetreuung nicht einig. Eine Prognose zum Abstimmungsausgang ist daher schwierig.
Die Initiative zur Kinderbetreuung dürfte vielen Aargauerinnen und Aargauern zu weit gehen. Der Gegenvorschlag ist inhaltlich moderater: Er dürfte in städtischen Gebieten eine klare Zustimmung erhalten, in ländlichen und konservativen Regionen auf mehr Widerstand stossen.
Tiefere Grundbuchabgaben sind ein grundsätzlich populäres Anliegen – wer zahlt schon gerne? Allerdings kauft der Durchschnittsbürger kaum mehr als einmal im Leben eine Liegenschaft und ist deshalb eher weniger direkt betroffen. Deshalb bleibt auch hier der Ausgang der Abstimmung offen.
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